Im November fand traditionell das top agrar Dairy Event in Nord- und Süddeutschland statt. Rund 300 Teilnehmer informierten sich über Fruchtbarkeit, Trockensteher und Kälbergesundheit. Wir haben einige Fragen aus den Diskussionen für Sie zusammengefasst:
Fruchtbarkeit von Milchkühen
Warum sind Geburtsverletzungen an der Scheide gefährlich und was kann man dagegen tun?
Dr. Stefan Borchardt: Unsere Studien zeigen, dass Kühe mit Geburtsverletzungen ein höheres Risiko für Metritis und eine geringere Chance tragend zu werden haben. Insbesondere Färsen sind betroffen. Grundsätzlich sollte man bei vermehrten Verletzungen die Geburtshilfe auf dem eigenen Betrieb hinterfragen. Dabei ist nicht nur der Mensch wichtig. Ein Punkt sind auch zu fette Kühe: Diese haben ein höheres Risiko für Schwer- und Totgeburten. Und die richtige Auswahl des Besamungsbullen. Meiner Meinung nach ist der Einsatz von weiblich gesextem Sperma auf Färsen gelebter Tierschutz.
Wenn Geburtsverletzungen auffallen, braucht das Tier Schmerzmittel und Entzündungshemmer. Größere Verletzungen sind mit dem Tierarzt abzuklären.
Tipps zur Trockensteherfütterung
Was bringt der Einsatz von Calcium-Boli nach der Kalbung?
Henk-Jan Hetterschijt: Bei älteren Kühen, die anfällig für Milchfieber sind bzw. die Anzeichen für Milchfieber haben, ist der Einsatz sinnvoll. Es ist, wenn man die Trockenstehzeit und die Fütterung dort im Griff hat, aber nicht notwendig, allen Tieren standardmäßig Boli zu verabreichen.
Wir haben viel Mangan im Tränkwasser, ist das ein Problem?
Hetterschijt: Ja, Mangan führt zu Ablagerungen in den Wasserleitungen und diese fördern die Ausbildung von Biofilmen. Daraus können viele Toxine permanent über das Wasser in die Kühe gespült werden. Wer das ändern will, sollte zuerst für eine gute Rohwasserqualität sorgen, z. B. mit dem richtigen Filtersystem. Dann kann man die Leitungen sanieren. Hier ist es oft sinnvoll, diese komplett zu erneuern. Wenn man die Leitungen reinigt, während die Kühe das Wasser saufen, können unter Umständen viele Toxine frei werden. Das ist sehr gefährlich. Toxinbinder im Futter helfen, sind aber keine Lösung.
Kälbergesundheit durch Biestmilch
Schadet Einfrieren und Auftauen dem Kolostrum? Was ist die Alternative?
Dr. Dirk Werling: Die maternalen Antikörper im Kolostrum überstehen das Einfrieren und, wenn man fachgerecht vorgeht, auch das Auftauen. Das Kolostrum enthält aber auch wichtige Zellen der Kuh (Makrophagen, Neutrophile usw.), die zu einer natürlichen Immunantwort gehören und dem Kalb helfen, schnell ihr eigenes Immunsystem zu entwickeln. Diese werden beim Einfrieren und Auftauen zerstört.
Alternativ ist frisches Kolostrum in sauberen Behältern im Kühlschrank bis zu einer Woche haltbar. Der nächst bessere Schritt wäre, die Biestmilch zu pasteurisieren und so länger haltbar zu machen. Erst danach kommt hinsichtlich der enthaltenen Immunzellen das Einfrieren und Auftauen.
Darf man das Kolostrum von antibiotisch trockengestellten Kühen vertränken, die sich noch in der Wartezeit befinden?
Werling: Dieses Kolostrum sollte man nicht vertränken. Denn Antibiotika reduzieren unter anderem die Vielfalt des Mikrobioms im Darm des Kalbes. Ein früher Antibiotikaeinsatz beim Kalb hat unter anderem negative Auswirkungen auf die Lungengesundheit, das Eintreten der ersten Brunst und die Leistung in der ersten Laktation der Kuh.
Wer antibiotisch trockenstellt, sollte zur Sicherheit also eher auf 60 als auf 42 Tage Trockenstehzeit setzen. So sind bei einer frühen Abkalbung keine Rückstände in der Biestmilch.
Praxisbericht zur Kälberhaltung
Wie tauen Sie auf Ihrem Betrieb Biestmilch auf?
Dr. Lisa Köhler: Eine schonende und einfache Methode, die Biestmilch aufzutauen, ist, sie in der Spülmaschine beim Sparprogramm mit maximal 40 °C aufzutauen. Das hat sich bei uns bewährt.
Wie sieht das richtige Drenchgerät für Kälber aus?
Köhler: Ich nehme eine weiche Sonde und fixiere das Kalb zum Schieben der Sonde, beim Drenchen selber sollte man das Kalb nicht fixieren, dann ist es deutlich entspannter. Es gibt Drenchsonden mit Flaschen. Das vereinfacht die Arbeit. Grundsätzlich versuchen wir, die Kälber immer zeitnah mit Biestmilch zu versorgen. Das muss als Familienbetrieb aber auch realistisch umsetzbar sein.