„Noch steht die Haltung von Schweinen und Geflügel im Fokus von Kritikern“, beschrieb Dr. Werner Kloos, ehemaliger Leiter der Stabstelle Nutztierhaltungsstrategie im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), beim Symposium des Deutschen Bauernverbands (DBV). „Aber die derzeit von den Medien oft aufgegriffene Problematik der ‚Wegwerfkälber‘ zeigt, dass es auch in der Milchviehhaltung Themen gibt, die gefährlich werden können“, so Kloos, der seit seinem Eintritt in den Ruhestand im vergangenen Jahr noch eine beratende Tätigkeit im BMEL inne hat.
Aus seiner Sicht könnten Themen wie Anbindehaltung, Enthornung, eine kurze Nutzungsdauer sowie die frühzeitige Trennung von Kuh und Kalb bei der gesellschaftlichen Debatte rund um die Milchviehhaltung an Bedeutung gewinnen. Umso wichtiger sei deshalb die Nutztierstrategie, die das BMEL entwickelt hat. Handlungsfelder wie Tierwohlkennzeichnung, Tierzucht, Ordnungsrecht oder Förderung sollen Teil eines Masterplans sein. Ein zusätzlicher Baustein ist das Bundesprogramm Nachhaltige Nutztierhaltung. Es soll Aktivitäten zur Verbesserung des Tierwohls bündeln und damit zur Verminderung von Umweltauflagen beitragen. „In dem Zug entwickeln wir mit dem Verband der Landwirtschaftskammern sowie mit den Lehr- und Versuchsanstalten der Länder den sogenannten Stall der Zukunft“, erklärte Kloos. Auf der EuroTier 2020 sollen erste Ergebnisse vorliegen. „Mit dem Stall der Zukunft wollen wir Widersprüche auflösen, die sich zum Beispiel aus der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft) ergeben“, gab Kloos bereits bekannt.
Wir müssen ein Grundvertrauen herstellen. - Prof. Dr. Reiner Brunsch
Dass Zielkonflikte eine große Herausforderung darstellen, bestätigte auch Prof. Dr. Reiner Brunsch, Sprecher Cluster Rind im Fachforum Nutztiere der Deutschen Agrarforschungsallianz (DAFA). Als Beispiele brachte er an, dass die Bevölkerung Technik am Tier oder Künstliche Intelligenz zur Verbesserung der Tierhaltung oft kritisch sieht. „Auch der Konflikt zwischen Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit sowie Nutztiere als Nahrungskonkurrenten des Menschen sind unbequeme Fragestellungen, mit denen sich Politiker, Wissenschaftler und Landwirte auseinandersetzen müssen“, stellte Brunsch klar. Systemoptimierungen in puncto Zucht, Fütterung, Haltung und Schlachtung sowie ein Überdenken der Intensität und des Umfangs der Landwirtschaft könnten zu einer gesellschaftlich akzeptierten und nachhaltigen Rinderhaltung führen, zeigte sich der Experte überzeugt. Er ist sicher, dass es nichts bringt, dem Verbraucher jedes kleinste Detail zur Haltung zu kommunizieren. „Wir müssen ein Grundvertrauen herstellen“, so sein Appell.
Auch Prof. Dr. Hiltrud Nieberg, Leiterin des Instituts für Betriebswirtschaft am Johann Heinrich von Thünen-Institut, stellte zahlreiche Projekte vor mit denen sich Wissenschaftler derzeit auseinandersetzen. Themencluster seien die Messung von Tierwohl, Systemvergleiche, Optimierung und Weiterentwicklung von Haltungssystemen sowie die sozioökonomische Begleitforschung. Die Frage nach der Finanzierung in den Kuhställen blieb allerdings bis zuletzt offen: „Wir Landwirte können alles, was Tierwohl angeht. Wir müssen es nur bezahlt bekommen“, stellte Karsten Schmal, Milchviehhalter und Vizepräsident des BDV klar. „Wir gehen ein Abenteuer ein, wenn wir heute einen Stall bauen“, ergänzte eine Stimme aus dem Publikum und forderte Planungssicherheit von mindestens 20 Jahren. „Wir wissen nicht, wo die Bundesregierung hin will“, hieß es weiter. Denn sowohl das Bundesumwelt- als auch das Bundeslandwirtschaftsministerium koche jeweils sein eigenes Süppchen. „Es entsteht der Eindruck, dass das Bundesumweltministerium die größere Agrarpolitik macht als das BMEL“, so die Kritik eines Teilnehmers.
Kommunikation das größte Problem
Dass der Verbraucher als Geldgeber für die Umsetzung von mehr Tierwohl ausscheidet, schien allen Teilnehmern auf dem Podium bewusst zu sein. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass auch Label nicht weiterhelfen“, so Kloos. Deshalb seien staatliche Finanzierungsmittel eine mögliche Option.
„Die Kommunikation verschiedener Gruppen ist ein größeres Problem als gedacht“, stellte Kloos fest. Dass das nicht nur für Verbraucher und Landwirte, sondern auch für die Wissenschaftler unter sich gilt, verdeutlichte Brunsch: „Wir Wissenschaftler müssen mehr zusammenkommen, Erkenntnisse bündeln und diese vermitteln“, so sein Appell an die Kollegen. „Am Ende ist der Verbraucher der Verlierer einer mangelhaften Kommunikation“, brachte es Klaus Peter Lucht, Vizepräsident beim Bauernverband Schleswig-Holstein, auf den Punkt. Denn die Konsumenten seien es, die am Ende nur noch auf Lebensmittel aus dem Ausland zurückgreifen können, deren Produktionsbedingungen nicht den deutschen Standards entsprächen.