Zur ganzjährigen Anbindehaltung kursieren sehr unterschiedliche Einstellungen. Während sich Verbraucher- und Tierschutzverbände sowie die Bundestierärztekammer gegen diese Haltungsform aussprechen, geht die Meinung der Landwirtschaftsverbände auseinander. Fest steht jedoch, dass Öffentlichkeit und Verbraucher der Anbindehaltung von Rindern kritisch gegenüberstehen.
Im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft haben Wissenschaftler des Johann Heinrich von Thünen-Instituts die Folgen eines Verbotes der ganzjährigen Anbindehaltung ermittelt. Dabei rechneten Sie mit einer Übergangsfrist von zehn Jahren.
Die Auswertung ist mit leichten Unsicherheiten verbunden, da zur Anbindehaltung keine aktuellen Daten vorliegen. Das Thünen-Institut nutzte daher die Daten von 2010 zu Haltungsverfahren und Weidegang. Zu dem Zeitpunkt standen auf etwa 31.500 Betrieben rund 650.000 Kühe in ganzjähriger Anbindehaltung. Das entspricht einem Anteil von 35 % der Milchviehbetriebe und 15 % der Milchkühe in Deutschland.
Wer ist betroffen?
Das Thünen-Institut analysierte die Milchviehtriebe, die von einem Verbot betroffen wären: Betriebe mit ganzjähriger Anbindehaltung, die einen Hofnachfolger haben und deren Betriebsleiter im Jahr 2027 weniger als 70 Jahre alt ist. Die Mehrheit dieser Betriebe hat neben der Landwirtschaft noch eine andere Einnahmequelle. Anhand der Daten zum Strukturwandel schätzte das Thünen-Institut, dass 2027 noch etwa 13.500 Betriebe mit 270.000 Milchkühen von dem Verbot betroffen wären.
Was kostet der Ausstieg?
Diese Betriebe haben vier Möglichkeiten, ihr Haltungsverfahren anzupassen: Angebot von Weidegang, Bau eines Laufhofs, Umbau des Anbindestalls zum Laufstall oder Neubau eines Laufstalls. Die Kosten je neu gestalteten Kuhplatz variieren abhängig vom Standort und betrieblichen Bedingungen stark. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler würde ein Ausstieg die betroffenen Betriebe zwischen 0,26 und 13,42 ct/kg Milch kosten. Das wirkt sich bei einem Auszahlungspreis der Molkereien von 27,2 ct/kg Milch im Jahr 2016 und 36,6 ct/kg im Jahr 2017 erheblich auf die Rentabilität der Betriebe aus.
Strukturwandel trotz Förderung
Verschiedene Fördermaßnahmen, wie z.B. tierbezogenen Weideprämien und einer angepassten Investitionsförderung könnten negative wirtschaftliche Effekte für die Betriebe reduzieren. Das Thünen-Institut befragte Experten dazu, wie sich die Betriebe mit diesem Angebot entwickeln würden. Sie gingen davon aus, dass 35 % der Betriebe mit dem Ablauf der Übergangsfrist die Milchproduktion einstellen, 10 % der Betriebe keine baulichen Veränderungen am Stall vornehmen, aber ihren Milchkühen Weidegang gewähren, 20 % der Betriebe einen Laufhof bauen, 20 % den existierenden Stall zum Laufstall umbauen und 15 % sich für den Neubau eines Laufstalls entscheiden. In diesem Fall müssten bei einem Übergangszeitraum von zehn Jahren 222 bis 287 Mio. € öffentliche Gelder bereitstehen.
Das Thünen-Institut rechnet aber damit, dass ein Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung den Strukturwandel trotz einer Förderung beschleunigt. Den Betrieben sollten daher ausreichend lange Übergangsfristen gewährt und das Verbot mit attraktiven Fördermaßnahmen flankiert werden, so das Thünen-Institut. Gegebenenfalls seien Härtefallregelungen für auslaufende Betriebe nötig.
Die vollständige Stellungnahme des Thünen-Instituts finden Sie hier.