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DMK fordert Zusammenhalt

Die Stimmung auf den Milchviehbetrieben ist angespannt. Es fehlt Geld. Wir haben Ingo Müller, Geschäftsführer vom Deutschen Milchkontor (DMK), drängende Fragen von Landwirten gestellt.

Lesezeit: 9 Minuten

Herr Müller, die Auszahlungspreise steigen, die Vorzeichen an den Produktmärkten sind positiv. Wie nehmen Sie die Stimmung der Landwirte wahr?

Müller: Ich ahne, worauf Sie hinauswollen. Deshalb sehr direkt und ohne Drumherum zwei Klarstellungen. ­Erstens: Die Preise für die meisten landwirtschaftlichen Produkte ent­sprechen bei Weitem nicht ihrem Wert, und sie honorieren auch bei Weitem nicht die Arbeit und den tagtäglichen Einsatz unserer Landwirte. Zweitens: Der Vorwurf, der manchmal zu hören ist, dass Molkereien nicht um die ­Sorgen auf den Höfen wüssten, ist wirklich absurd und trifft definitiv die ­Falschen, wenn er sich gegen eine ­Molkereigenossenschaft richtet.

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Gilt das auch für den ­Branchen­riesen DMK?

Müller: Ja. In unseren ehrenamtlichen Gremien sitzen rund 300 Landwirte. Eine Vielzahl unserer hauptamtlichen Mitarbeiter stammt vom Hof oder lebt noch immer auf einem. Die Stimmung der Landwirte ist also allgegenwärtig in unserem Unternehmen. Es sind vor allem ihre Stimmen, die bei uns zählen und auf die wir hören. Aufpassen müssen wir nur, dass wir auch in schwierigen Zeiten und bei streitbaren Fragen sachlich bleiben und konstruktiv ­zusammenarbeiten. Lautstärke allein ist kein Argument, und unsachliche, gar persönliche Angriffe können eine ­lösungsorientierte Debatte erheblich stören, mitunter gar zerstören. Wenn wir jetzt nicht zusammenhalten, geht es irgendwann nicht mehr um höhere Milchpreise, sondern darum, ob Milch aus Deutschland überhaupt noch in deutschen Supermarkt­regalen steht.

Seit Jahren hören die Bauern den Satz: „Das DMK ist auf Kurs“. Auf den Höfen kommt aber noch ­immer zu wenig Geld an. Mehr und mehr Betriebe geben die Milchviehhaltung auf oder suchen sich alter­native ­Absatzwege. Hat das DMK die Sorge, irgendwann zu wenig ­Rohstoff zu bekommen?

Müller: Wir haben erkannt, dass die Entwicklung der Branche und auch unseres Unternehmens in Richtung „Commodity-Geschäft“ (Anmerkung der Redaktion: Produkte, die als austauschbar gelten) in den ­vergangenen Jahren zum Verlust von Identität und Einzigartigkeit des ­Unternehmens geführt hat. Damit Produkte weniger austauschbar sind, haben wir uns dazu entschieden, das DMK „am offenen Herzen“ ­um­zukrempeln. Also bei laufendem ­Betrieb, Schritt für Schritt, ohne Einschränkung unserer Handlungsfähigkeit. Wenn wir also sagen: „Wir sind auf Kurs“, dann meint das auch genau das. Nämlich, dass wir uns mit einem Ziel vor Augen auf dem Weg befinden. Wir verorten uns täglich und korrigieren gegebenenfalls auch mal den Kurs. Wir sind – um in der Bildsprache der Seefahrt zu bleiben – ein komplexer Flottenverbund. Ein Unternehmen unserer Größenordnung stellt man nicht mal eben übers Wochenende neu auf. Das sollte jeder bedenken, der mal eben die Stimme erhebt und es besser weiß.

Wie viel Milch bezieht das DMK von Nicht-DMK-Mitgliedern? Profitieren diese Lieferanten von Molkerei-internen Zuschlägen, wie Milkmaster?

Müller: Unsere Rohstoffversorgung haben wir so aufgestellt, dass wir überwiegend Milch unserer Mitglieder verarbeiten und an einigen Standorten für andere Molkereien im Werklohnverfahren mit festen Kontrakten Spezialitäten wie Mozzarella herstellen. Das sichert uns Planungsstabilität, ergänzend zu unserer ­eigenen Rohstoffverarbeitung.

Im DMK-Podcast vergleicht sich die Molkerei gerne mit dem Fußball­verein Werder Bremen. Beim Fußball müssen Trainer, die der Mannschaft nicht zum Erfolg verhelfen, den Stuhl räumen. Gilt das für die DMK-­Geschäftsführung nicht?

Müller: Hinter Ihrem Vergleich steht etwas, das, neben der fachlichen Kompetenz, in egal welcher Branche entscheidend ist: Die Frage der ­Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Jeder im Führungsteam von DMK übernimmt Verantwortung mit dem ausschließlichen Ziel, dass es zum Besten für die Mitglieder ­unserer Genossenschaft ist. Sollten die gewählten Gremien zu der Überzeugung kommen, dass einer von uns oder die gesamte Geschäftsführung dieser Verantwortung nicht in ausreichendem Maß nachkommt, kann man uns entlassen und ersetzen. Das ist in jedem Unternehmen so, in dem der Geschäftsführer nicht zugleich der Eigentümer ist. Dafür braucht es keinen Vergleich mit ­einem Fußballclub.

Welches Ziel hat sich das DMK für dieses Jahr in Bezug auf den ­Milchpreis gesetzt?

Müller: Wir befinden uns mitten im Umbau des Unternehmens und fahren deshalb auf Sicht. Damit sind wir einigermaßen stabil durch die Pandemie gekommen. Für 2021 wollen wir, wie in den Vorjahren, mindestens auf dem Schnitt unserer vergleichbaren Wettbewerber abschneiden und dabei weiter mit Augenmaß in den Unternehmensumbau investieren. Dass es nicht unser langfristiges Ziel ist, nur in durchschnittlicher Höhe auszuzahlen, dürfte selbstverständlich sein. Sonst würden wir nicht so viel Engagement in den massiven Umbau der DMK legen.

Warum misst das DMK seinen Erfolg eigentlich mit dem Vergleich elf ­ausgewählter Molkereien?

Müller: Es gibt in unserer Branche ­immer weniger Transparenz und kaum gesicherte Vergleichbarkeit. Egal, ob es um Umsatz, Absatz, Ergebnis oder Auszahlungspreis geht. Auch der reine Grundpreisvergleich ist nur bedingt aussagekräftig. Zuschläge und Boni ­erhöhen den Grundpreis für eine ­Vielzahl unserer Lieferanten und sind folglich attraktive Stellschrauben ­(­Anmerkung der Redaktion: siehe top agrar-Ausgabe 6/2021, Seite R 6). Wenn wir uns als Gesamtunternehmen „vergleichen“, müssen wir die Kriterien dafür also selbst definieren, freilich so, dass sie objektiv nachvollziehbar sind. Dass wir den bisherigen Elfer-Vergleich in Zukunft auf offiziellere Beine stellen wollen, um ihn nachvollziehbarer zu machen, haben wir unseren Mitgliedern bereits angekündigt.

Als größter Milchverarbeiter in Deutschland trägt das DMK viel Verantwortung. Kritiker behaupten, mit den dauerhaft unterdurchschnittlichen Auszahlungspreisen hätten auch andere Milchverarbeiter keinen Anreiz, ihren Lieferanten mehr Milchgeld zu zahlen. Sorgt das DMK auch extern für nicht auskömmliche Milchpreise?

Müller: Entschuldigen Sie, wenn ich hier sehr deutlich werde: Unsinn wird nicht dadurch weniger Unsinn, dass man ihn wiederholt oder zitiert. Weder hat das DMK „dauerhaft unterdurchschnittliche Auszahlungspreise“ ausgezahlt, noch haben wir ein Interesse daran, als Genossenschaft auskömmliche Milchpreise innerhalb der Branche zu verhindern. Warum denn auch? Nochmals: DMK ist eine Genossenschaft. Unsere Gremien sind mit Landwirten besetzt. Wollen Sie denen vorwerfen, sie würden die Preise für sich selbst niedrig halten, mit dem Ziel, sie auch für Milchbauern, die an andere Molkereien liefern, niedrig zu halten? Das ist so, als würden Sie jemandem unterstellen, dass er selbst nichts isst, um andere zum Hungern zu zwingen.

Das DMK-Mitgliedermagazin Milchwelt ist ein informatives und grafisch aufwendiges Medium. Viele Landwirte erwarten von ihrem Milchverarbeiter aber kein Hochglanzmagazin, sondern auskömmliche Milchpreise. Wieso ist Ihnen die Milchwelt so wichtig?

Müller: Mit Commodity-Produkten, die nahezu austauschbar sind, einen Mehrwert zu generieren, ist ohne kommunikative Unterstützung unmöglich. Wir sehen im Rahmen unseres ­Umbaus, wie wichtig Kommunikation ist, um Menschen für die eigene Sache zu begeistern, ihnen Identifikations­angebote zu machen und sie an ­Marken und Produkte zu binden. Die „Milchwelt“ ist unser Magazin, das dreimal im Jahr erscheint und das sich in einzigartiger Weise bewusst zugleich an Landwirte, Mitarbeiter, Kunden und die interessierte Öffentlichkeit richtet. Es ist in ansprechender Weise anspruchsvoll, aber in jeder Hinsicht genau das Gegenteil dessen, was Ihr Klischee vom „Hochglanzmagazin“ unterstellt: Die „Milchwelt“ macht keine oberflächliche PR. Die „Milchwelt“ bietet Informationen, verknüpft, wo immer es möglich ist, mit der Erfahrung und dem persönlichen ­Engagement von Mitarbeitern und Landwirten unseres Unternehmens.Wir sind einigermaßen stolz darauf, dass unsere Bemühungen um eine ­moderne, ansprechende Kommunikation auch zum Impuls für eine neue ­Branchenkommunikation geworden ist. Auch bin ich stolz darauf, welchen Anklang die „Milchwelt“ innerhalb und außerhalb unseres Unternehmens findet. Das ist das Ergebnis von ­Überzeugungsarbeit, nicht von einem vermeintlichen „Hochglanzmagazin“.

Das DMK investiert in einen neuen Molkereistandort in Russland. Was spricht für das Projekt?

Müller: Ein profitabler Markt. Will ­sagen: Ein Geschäft, das unseren ­Genossenschaftsmitgliedern zu Gute kommt. Wir haben unser Geschäft in Russland zunächst als Joint Venture geführt, um es dann nach und nach zu übernehmen. Die Investitionen ­kommen aus dem laufenden Vor-Ort-Geschäft. Die Ergebnisse sind Teil ­unserer Business Unit „International“. Was wir verdienen, schütten wir an unsere Genossenschaftsmitglieder aus.

Aldi will Frischfleisch zukünftig ­ausschließlich aus den Haltungsformstufen 3 und 4 anbieten. Für Milch ist ähnliches denkbar. Wie bereitet sich das DMK darauf vor und wie würden Sie den Lieferanten höhere ­Tierwohlstandards honorieren?

Müller: Eins muss klar sein: Wer den Vorstoß macht, höhere Tierwohl­standards anzubieten, muss auch einen Teil der Verantwortung übernehmen: Nämlich die Landwirte und die ver­arbeitende Industrie durch entsprechende Regal-Preise bei den notwen­digen Investitionen unterstützen. ­Solange dem Verbraucher immer nur das Lied von „Günstig! Günstig!“ gesungen wird, wird sich dieser kaum in der Verantwortung sehen, für mehr Tierwohl auch mehr zahlen zu müssen. Wenn eine Nachhaltigkeitsinitiative nach der anderen vorgestellt wird, aber ­umgekehrt die Regalpreise eher ­abgesenkt als erhöht werden, ­bekommen Molkereien und Landwirte nichts anderes als Druck zu spüren. Die ­angekündigten Initiativen sind eine Gelegenheit, den Regalpreis sichtbar nach oben zu schieben.

Wie bewerten Sie aus Molkereisicht die neuen Kontraktlaufzeiten zwischen Handel und Molkerei?

Müller: Das kann ich aus Wettbewerbsgründen nicht kommentieren.

Das DMK bietet ein Festpreismodell an. Wie viele Milcherzeuger nehmen teil und warum sind die angebotenen DMK-Festpreise meistens vier Cent unter Börsennotierung?

Müller: Seit November 2020 können unsere Landwirte mit dem Programm „Fixed Price“ einen Teil ihrer Milchmenge zu Festpreisen an der Börse ­absichern. Das Hauptaugenmerk lag hier auf der Gestaltung eines Modells, das rechtssicher und gleichzeitig ­einfach zu handhaben ist. Auf diese Weise sorgt das Festpreismodell für ­zusätzliche Planungssicherheit und ­eröffnet Landwirten neue Spielräume in der Bewirtschaftung ihrer Höfe. Für viele Landwirte ist ein solches Programm absolutes Neuland – wir verzeichnen aber eine deutlich ­steigende Nutzung. Unsere registrierten Landwirte stehen inzwischen für rund ein Viertel unserer Milchmenge in der Genossenschaft.Die Börsenmilchwerte basieren auf Schlusskursen des Vortags. Unser Festpreismodell basiert auf tagesaktuellen Geldkursen, die gewohnten Zuschläge, Boni und die dynamisch abgerechneten Inhaltsstoffe kommen noch hinzu. Die System- und Finanzierungskosten ­sowie das Basisrisiko sind ebenfalls schon mit eingepreist. Der angebotene Festpreis ersetzt also nur den DMK-Grundpreis. Die vier Cent, die Sie ansprechen, haben also eine unterschiedliche Basis und sind nicht vergleichbar.

Das Interview haben wir schriftlich ­geführt. Anders als in einem ­persönlichen Gespräch, konnten wir deshalb an der ein oder anderen Stelle nicht noch mal nachhaken. 

Das Interview finden Sie ebenfalls in top agrar-Ausgabe 9/2021 auf Seite R6.

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