Eine paarweise Kälberhaltung ist Standard und Kälber werden mithilfe künstlicher Intelligenz und Verhaltensanalyse individuell abgetränkt. Über diese Zukunftsszenarien der Kälberhaltung diskutierten Wissenschaftler und Firmenvertreter auf der „Smart Calf Rearing Conference“ in Kaiserslautern. Organisiert wurde die Konferenz von der kanadischen Universität Guelph, dem Hofgut Neumühle sowie den Unternehmen Förster Technik und Trouw Nutition.
Gemeinsam lernen Kälber besser
Dr. Joao Costa von der Universität Kentucky (USA) betonte die Bedeutung der paarweisen Kälberhaltung für das spätere Leben einer Kuh: „Kälber müssen in den ersten Lebenswochen viel lernen. Dann fällte es ihnen später leichter, sich an Veränderungen und neue Abläufe anzupassen. Gemeinsam lernen sie besser als einsam!“ Paarweise Kälberhaltung bzw. Kleingruppenhaltung ab den ersten Lebenstagen wird seiner Einschätzung nach künftig Standard sein – nicht nur wegen der positiven Effekte für das Tierwohl und Tierverhalten, sondern auch weil es Gesellschaft und Handel verlangen werden.
Häufig noch Bedenken bei Landwirten
Die amerikanische Wissenschaftler Dr. Jennifer van Os (Uni Wisconsin-Madison) beschäftigt sich intensiv mit der paarweisen Kälberhaltung (top agrar berichtete).
Die häufigste Frage von Landwirten sei: Wie lässt sich gegenseitiges Besaugen vermeiden? Dazu erklärte van Os: „Wenn ausreichend Milchmenge angeboten wird, die idealerweise nur langsam aufnehmbar ist, und zur Beschäftigung auch Heu, Kälberkraftfutter oder Spielzeug angeboten wird, ist das Besaugen anderer Kälber kein Thema.“
Landwirte und Mitarbeiter in der Kälberhaltung sollten sich ihrer Meinung nach die positiven Effekte der paarweisen Haltung vor Augen führen: „Höhere Milchaufnahmen, mehr Zuwachs und schnelleres Lernen der Tiere ein Leben lang. Nicht zuletzt macht es Spaß, das Spielverhalten von Kälbern zu sehen. Und das ist doch ein positiver Anreiz für die eigene Arbeit!“
Tierindividuelle statt pauschale Tränkepläne
Die Wissenschaftler sind schon einen Schritt weiter: Die Zukunft der Kälberhaltung sieht Joao Costa in tierindividueller Kälberhaltung. „Moderne Tränkeautomaten sind mehr als eine Milchabgabe. Zusammen mit weiteren Sensoren und Rechenmodellen der künstlichen Intelligenz (KI) stehen viele Infos über das Kälberverhalten zur Verfügung, die automatisch und selbst erlernt Muster erkennen können.“ Als Beispiel dafür nannte der Forscher tierindividuelle Zeitpunkte zum Abtränken, statt einer pauschalen Tränkekurve für alle Kälber.
Jedes Kalb ist anders
Das Verhalten von Kälbern und die Auswirkungen auf das Tierwohl erforscht auch Emily Miller-Cushon von der Universität Florida. Sie betonte: „Jedes Kalb ist anders, verhält sich individuell und hat unterschiedliche Bedürfnisse. Sinnvoll könnten deshalb unterteilte Stallbereichen sein, damit sich Einzelkälber auch einmal von der Gruppe zurückziehen können.“ Gleichzeitig lassen sich Abweichungen vom tierindividuelle Verhalten analysieren und zur Vorhersage von Krankheiten nutzen.
Was will die Gesellschaft?
Jennifer van Os gab abschließend noch etwas anderes zu bedenken: Umfragen in den USA zeigten zwar, dass Konsumenten die Gruppenhaltung von Kälbern gegenüber der Einzelhaltung bevorzugen. Allerdings sei eine kuhgebundene Kälberhaltung die am meisten favorisierte Haltungsform. Die US-Amerikanerin sagte: „Auch das müssen wir uns als Wissenschaftler und Branche bewusst machen und uns auch damit beschäftigen.“