Es passiert immer öfter: Nur drei Tage nach dem Angriff auf ein zehn Monate altes Jungrind in Wingst im niedersächsischen Wolfsgebiet Landkreis Cuxhaven schlugen ein oder mehrere Wölfe ganz in der Nähe wieder zu. Die traurige Bilanz, die Landwirt Harry Fuchs und sein Sohn Falk aus Neuhaus/Oste von dem Angriff auf ihre Schafherde ziehen, lautet: Von 93 Schafen sind inzwischen sieben tot, sechs verletzt und zwei verschollen.
30 m von dem Buswendeplatz im Ort
Passiert ist der Angriff am Mittwochmorgen auf einer Weide in Ortsnähe. „Das erste gerissene Schaf haben wir knapp 30 m vom Buswendeplatz entfernt gefunden. Da, wo die Schulkinder in den Bus einsteigen“, berichtet Harry Fuchs. Die anderen gerissenen und verletzten Schafe fanden er und sein Sohn kreuz und quer auf der 20 ha großen Fläche verteilt.
Tiere gerissen und schwer verletzt
Der Anblick der toten Tiere muss den Fotos nach zu urteilen, grausam gewesen sein: Bei einem Schaf ist das Vorderbein rausgerissen, ein Schaf hat eine Bisswunde am Unterbauch, eine anderes an der Kehle und der Keule.
Acht weitere Schafe waren nach Berichten der Landwirte schwer verletzt und wurden tierärztlich behandelt. Zwei davon sind inzwischen aufgrund der starken Verletzungen gestorben. Drei weitere Schafe konnten Falk Fuchs und seine Frau Denise lebend, aber völlig entkräftet aus dem angrenzenden Kanal bergen. Zwei weitere Schafe sind verschollen, die Tierhalter rechnen nicht mehr damit, sie lebend zu finden.
Ihre Tiere treiben sie nun jeden Abend in ein Hock. Mit einem mobilen Elektrozaun um den Pferch herum sichern sie die Herde zusätzlich vor einem weiteren Wolfangriff.
Wolf als Verursacher bestätigt
Für die Landwirte ist es relativ eindeutig, dass es sich hier um einen Wolfsangriff gehandelt hat. Sie tippen auf mehrere Wölfe, weil auf der Fläche sehr deutlich viele Trittspuren unterschiedlicher Größe deutlich zu erkennen waren.
Die Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen bestätigte inzwischen auf top agrar-Anfrage den Wolf als „Schadensverursacher“.
Wolf als Wiederholungstäter?
Ob es sich allerdings um den oder die gleichen Wölfe handelt, die das zehn Monate alte Jungtier im rund 7 km entfernten Ort Wingst gerissen haben, konnte die LKW nicht bestätigen. „Über die Verwendung der von uns genommenen DNA-Proben, die u.a. Aufschluss über die Identität des Wolfs oder der Wölfe geben können, entscheidet das Wolfsbüro, das zum Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) und damit zum Umweltministerium gehört“, teilte eine Sprecherin auf top agrar-Anfrage mit.
Eine Antwort des Umweltministeriums sowie eine Stellungnahme zum Umgang mit dem Wolf, falls es sich um das gleiche Individuum handelt, lag bei Redaktionsschluss am Freitag noch nicht vor, wird aber in Kürze erwartet.
Es brodelt in der Region
Denn es brodelt im Elbe-Weser-Dreieck. Tierrisse und Wolfssichtungen nehmen zu. Ein Autofahrer spielte der Redaktion Mitte der Woche dieses Video zu. Die Aufnahme entstand in der Nähe der Ortschaft Wanna.
In Wingst wiederum stehen an der einen und der anderen Weide Infotafeln. Die in großen Buchstaben geschriebene Botschaft lautet: „Weidetierhaltung in Gefahr. Wölfe fressen kein Gras“.
„Das ist zu viel“
„Die Wölfe müssen ja nicht ganz weg“, sagt Harry Fuchs, „aber das ist zu viel.“ Für die Familie war es der erste Angriff dieser Art und hoffentlich der letzte. „Das ist einfach schlimm. Sonst brauchte man nur mit dem Schroteimer zu klappern und dann kamen sie angerannt“, sagt der Landwirt, „und jetzt – nichts. Die bewegen sich nicht. Die Tiere stehen reell unter Schock.“