Schneller Effekt, langfristige Nachteile: Viele Milchviehhalter setzen Entwurmungsmittel präventiv ein. Das soll den negativen Einfluss von Endoparasiten, also solche, die im Inneren des Tieres leben, auf die Tiergesundheit so gering wie möglich halten.
Doch ein langfristiger Mitteleinsatz derselben Wirkstoffgruppe und eine zu niedrige Dosierung sind Hauptursachen für das Entstehen von Resistenzen z. B. bei Magen-Darm-Würmern. Wie man Endoparasiten bei Weidetieren vorbeugt, ohne Resistenzen zu fördern, hat top agrar Prof. Gabriela Knubben-Schweizer von der LMU München gefragt.
Würmer sind immer da
Wenn Rinder weiden oder mit Frischgras gefüttert werden, haben sie auch Kontakt mit verschiedenen Würmern bzw. deren Larven. Dabei zählen Magen-Darm-Würmer zu den häufigsten Vertretern. Aber auch Pansenegel, Lungenwürmer und der Große Leberegel sind je nach Standort keine Seltenheit.
Schnell gelesen
Endoparasiten wie Magen-Darm-Würmer können bei Weidehaltung ein Problem werden.
Besonders Jungvieh und Tiere, die das erste Mal auf die Weide kommen, sind gefährdet. Sie konnten noch keine Immunität aufbauen.
Einen planlosen Einsatz von Entwurmungsmitteln sollten Landwirte vermeiden. Denn das fördert Resistenzen.
Ein Befall ist nicht immer ein Problem. Auf die Umstände kommt es an: Ältere, weidegewohnte Kühe haben je nach Parasit eine ausgebildete Immunität. Jungvieh, das zum ersten Mal auf die Weide kommt, hat das höchste Risiko, durch den Befall zu erkranken. Steigt der Druck mit Endoparasiten durch ungünstiges Weidemanagement, Dauerausscheider in der Herde und die Witterung, steigt die Gefahr für die Tiere.
Ein starker Befall äußert sich z. B. durch Gewichtsverlust und struppiges Fell, Leistungseinbußen, Appetitlosigkeit, Husten sowie Nasenausfluss im Fall von Lungenwürmern. Wichtig ist: Viele Probleme können subklinisch und unspezifisch auftreten oder sind durch Begleiterkrankungen überdeckt. Ein klinischer Befall mit Magen-Darm-Würmern kann beim Milchvieh z. B. einen Milchverlust von bis zu 2 kg pro Tag mit sich bringen.
Mit Kotproben untersuchen
Landwirte sollten die Wurmbelastung ihrer Herde daher regelmäßig untersuchen lassen. Tiere ohne Weidegang und ohne Zugang zu frischem Gras haben ein äußerst geringes Risiko, sich mit Parasiten zu infizieren. Hier lohnt sich eine Untersuchung vor allem bei unklaren klinischen Symptomen. Für Tiere mit Weidegang sind gute Untersuchungszeitpunkte die Mitte und das Ende der Weidesaison. Zusätzlich sollten Tiere immer beim Auftreten von Symptomen untersucht werden.
Kotproben sind am besten geeignet, weil man damit einen aktuellen Befall diagnostiziert. Pansenegel können z. B. nur mittels Kotuntersuchung diagnostiziert werden. Mittels Blut- und Milchprobenuntersuchung können Labore Antikörper gegen den Großen Leberegel, gegen Lungenwürmer und gegen Magen-Darm-Rundwürmer nachweisen. Ergänzend zu der Beobachtung der Herde leisten Rinderhalter hiermit einen Beitrag zur Bekämpfung. Mit dem Hoftierarzt lassen sich dann je nach Standort und Historie Strategien entwickeln.
Weidemanagement beachten
An erster Stelle dieser Strategie sollte das Weidemanagement stehen. Tiere, die immun sind, scheiden wenig bis keine Wurmeier aus. Weiden, auf denen zu Beginn der Weidesaison immunologisch naive Jungtiere weiden, sind daher im Verlauf der Weidesaison besonders stark mit Larven kontaminiert. Bereits in der zweiten Weidesaison nimmt die Eiausscheidung mit der zunehmenden Immunität des Wirtstieres ab. Milch- und Mutterkühe scheiden in der Regel nur geringe Mengen Wurmeier aus. Das von den Weiden ausgehende Infektionsrisiko kann man so je nach Jahreszeit und Vornutzung abschätzen.
So birgt eine im Herbst von Jungtieren genutzte Weide im folgenden Frühjahr das höchste Infektionsrisiko für erstsömmrige Tiere. Jungtiere sollten im Frühjahr vorzugsweise auf Flächen ausgetrieben werden, die im Herbst des Vorjahres nur geschnitten oder von älteren Tieren bzw. anderen Weidetieren beweidet wurden.
Hilfreich ist auch, wenn Landwirte die Fläche im Frühjahr zunächst für den ersten Schnitt nutzen. Die Prozesse beim Silieren und Trocknen töten die infektiösen Stadien der Parasiten ab, sodass nur eine geringe Infektionsgefahr durch das Verfüttern besteht.
Im Sommer geht von Weiden, die im Frühjahr erstsömmrige Rinder beweidet haben, die höchste Infektionsgefahr aus. Grundsätzlich fördern feuchte Weiden, Standweiden und hohe Besatzdichten die Vermehrung der meisten Parasitenarten.
Resistenzen vermeiden
Trotz gutem Weidemangement kommt man nicht überall ohne eine Entwurmung mit Präparaten zum Eingeben, Aufgusspräparaten, Boli oder Injektionen aus. Wichtig ist, hier nicht nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen. Folgende Punkte sollten Rinderhalter vermeiden, um die Entstehung von Resistenzen zu reduzieren:
Eine hohe Entwurmungsfrequenz
Entwurmungen zum Weideumtrieb („drench and move“)
Entwurmungen vor oder nach der Weidesaison ohne weitere Untersuchungen
Tierverkehr ohne Untersuchung
Magen-Darm-Würmer selektiv bekämpfen
Die selektive Entwurmung gegen Magen-Darm-Würmer zielt darauf ab, den Einsatz von Entwurmungsmitteln zu reduzieren, während gleichzeitig die Gesundheit der Tiere erhalten bleibt. Denn werden immer sämtliche Tiere präventiv entwurmt, sterben alle Parasiten, die empfindlich für diesen Wirkstoff sind. Übrig bleiben die resistenten Würmer, die sich von nun an mit weniger Konkurrenzdruck vermehren.
Es gibt zwei Hauptansätze für die selektive Entwurmung gegen Magen-Darmwürmer. Wichtig ist: Beide Ansätze sind für Rinder noch nicht abklärend erforscht und sollten in Abstimmung mit dem Tierarzt erfolgen.
Die gezielte Behandlung von Tiergruppen (Targeted Treatment): Hierbei werden Gruppen von Tieren innerhalb einer Herde gesucht, die eine Behandlung benötigen. So können Landwirte zur Untersuchung auf Magen-Darm-Würmer 6 bis 8 Wochen nach Weideaustrieb eine Sammelkotprobe bei Jungtieren nehmen. Überschreitet die Anzahl ausgeschiedener Eier pro Gramm Kot einen gewissen Schwellenwert, muss die gesamte Gruppe entwurmt werden. Eine Behandlung von Milchkühen ist in der Regel nicht notwendig. Das gleiche Prinzip kann man für verschiedene, feste Weidegruppen anwenden.
Gezielte selektive Behandlung von Einzeltieren (Targeted Selective Treatment): Bei diesem Ansatz beurteilen Landwirte jedes Tier einzeln, um festzustellen, ob eine Behandlung erforderlich ist. Die Einzeltierbehandlung minimiert die Gefahr, dass Tiere behandelt werden, die durch den Parasitenbefall gesundheitlich nicht beeinträchtigt sind. Denn man geht davon aus, dass nur etwa 20 – 30 % der Tiere einer Gruppe 70 – 80 % der Parasitenpopulation beherbergen und so im Wesentlichen die Weide kontaminieren.
Wie Rinderhalter bewerten können, ob ein Einzeltier eine Behandlung braucht oder nicht, ist noch nicht abschließend geklärt. Bisher ist eine Kombination von Einzeltier-Kotproben im Vergleich zur Ausscheidung der ganzen Gruppe zusammen mit der Gewichtsentwicklung und dem Zustand des Tieres die empfohlene Praxis. Klar ist: Diese Methode erhöht den Aufwand für Rinderhalter und Tierärzte.
Erreger mit Zwischenwirten
Im Gegensatz zu Magen-Darm-Würmern brauchen der Große Leber- und der Pansenegel Zwergschlammschnecken als Zwischenwirte auf der Weide, um sich zu entwickeln. Diese leben in langsam fließenden Bächen, Drainagegräben oder Quellwasserstellen. Eine Verbreitung von Rind zu Rind ist nicht möglich.
Ein chronischer Befall mit dem Großen Leberegel führt beim Milchvieh zu Milchleistungsverlust, einer geringeren Fruchtbarkeit und verworfenen Lebern am Schlachthof. Der Nachweis ist z. B. über Kotproben möglich. Oft wird die Herde zur Bekämpfung einmalig im Stall behandelt. Dabei sind Wartezeiten zu beachten.
Doch einen langfristigen Erfolg mit wenig Medikamenteneinsatz kann man auch hier nur mit Weidemanagement erreichen. Dazu zählt, Lebensräume der Zwergschlammschnecken zu finden und den Kontakt mit den Rindern zu unterbinden. Je nach Risiko der Weide sowie Zeit und Dauer der Beweidung lässt sich dann die Behandlung anpassen. All das klappt in Abstimmung mit einem Tierarzt, der sich mit den Parasiten, ihrer Verbreitung sowie Bekämpfung auskennt.