Die Fruchtbarkeit von Milchkühen ist eine Grundvoraussetzung für die Milchproduktion. Ein Überblick zu den Kennzahlen, die bei der Kontrolle und Bewertung helfen von unserer Autorin Dona Blankenstein, Institut für Fortpflanzung landw. Nutztiere, Schönow (BB).
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Kühe, die gute Brunsten zeigen und schnell tragend werden, sind die Erfolgsbasis für eine Herde. Es lohnt sich, Beobachtungen genau zu dokumentieren.
Denn vergleichbare Kennzahlen wie die Pregnancy Rate helfen Landwirten, Probleme frühzeitig zu erkennen und zu beheben.
Die Brunsterkennung ist z. B. ein Punkt, bei dem häufig noch Verbesserungspotenzial liegt.
Wer die Fruchtbarkeit seiner Herde verbessern will, braucht objektive Kennzahlen. Dabei reicht eine Zahl allein nicht aus. Durch die Analyse mehrerer zusammen und den Vergleich mit dem Status Quo können Landwirt und Tierarzt den Zustand des Betriebs bzw. der Herde bewerten.
Grundvoraussetzung dafür ist, dass Milchviehhalter und Milchviehhalterinnen alle Ereignisse (Besamungen, Trächtigkeitsuntersuchungen, Aborte) für Kühe und Rinder getrennt kontinuierlich dokumentieren und speichern. Im nächsten Schritt gilt es, die aktuellen Ergebnisse mit den eigenen Zielwerten regelmäßig (z. B. 90 Tage, 120 Tage, halbjährlich) zu vergleichen. Jede Zielstellung ist aufgrund verschiedener Bewirtschaftungsarten, Standorten, Rassen usw. dabei betriebsindividuell. Die Ziele sollten allerdings immer SMART sein. Das heißt: spezifisch, messbar, attraktiv, realisierbar, terminiert.
Zeitnah aussagekräftig
Der Zyklus der Milchkuh unterliegt vielen Einflüssen. Grob unterteilt sind die drei großen Faktoren:
Der Mensch: Fütterung, Brunsterkennungs- und Besamungsmanagement
Das Tier: Allgemein- und Geschlechtsgesundheit, Milchleistungsniveau
Die Umweltfaktoren: Tierhaltung, Klima.
All diese Faktoren werden indirekt durch die Pregnancy Rate (PR) abgebildet (siehe Tabelle). Sie beinhaltet im Gegensatz zur oft noch geläufigeren Trächtigkeitrate (TR) auch nicht besamte stillbrünstige, azyklische oder geschlechtskranke Tiere. Die PR ist ein sich mit jeder Trächtigkeitsuntersuchung oder Nachbesamung stetig ändernder Parameter, der zeitnahes Eingreifen und Gegensteuern ermöglicht.
Sie fasst die Brunstnutzungsrate (BNR) und Conception Risk (CR) aller in einem 21-Tage-Zeitraum zur Besamung vorgesehener Tiere zusammen. Eine PR von 23 % bedeutet z. B., dass 23 % der brünstigen Kühe innerhalb der 21 Tage (ein Brunstzyklus) tragend geworden sind.
Jedes hinzugewonnene Prozent der PR hat sogar einen finanziell messbaren Effekt. Eine Steigerung von 18 % auf 28 % kann, je nach Berechnung, einem Plus von 50 bis 180 € brutto/Kuh/Jahr entsprechen.
Gründe für schlechte Fruchtbarkeit
Ein Praxisbeispiel zeigt die Aussagekraft der PR: Von 20 besamten Kühen eines Betriebes sind 20 laut Trächtigkeitsuntersuchung (TU) tragend. Das ergibt eine Conception Risk CR = (20 x 100)/20 = 100 %. Insgesamt hätten aber 120 Kühe des Betriebs in diesem Zeitraum besamt werden dürfen. Das ergibt eine Brunstnutzungsrate BNR = (20 x 100)/120 = 16 % und eine Pregnancy Rate PR = (16 x 100)/100 = 16 %. Wieso sind also die restlichen 100 Tiere nicht besamt worden?
Es gibt viele Ursachen für eine schlechte Brunsterkennung. Zum Beispiel kann der Fehler bei der Brunstbeobachtung und Beurteilung der Besamungstauglichkeit eines Tieres liegen. Falls ein Brunsterkennungssystem vorhanden ist, sollte es als erstes geprüft werden (Akku, Sensibilitätseinstellung, Antennen, Tiererkennung).
Eine tierärztliche Untersuchung mit dem Fokus auf der Fruchtbarkeit kann weiteren Aufschluss geben. Beurteilt werden dabei der Eierstockzyklus (zyklisch, azyklisch, Zysten), die Uterusgesundheit (gesund, Endometritis), der Body Condition Score und ggf. Rückenfettdicke und Allgemeingesundheit (Klauen, Pansen, Stoffwechsel, Euter).
Ein geringer Besamungserfolg kann viele Gründe haben. So kann eine negative Energiebilanz und hoher Gewichtsverlust für Azyklien oder Zystenbildung verantwortlich sein. Eine hohe Milchleistung kann durch vermehrte Verstoffwechselung von Östrogen (= Brunsthormon) in der Leber zu verkürzten oder stillen Brunsten führen. Umwelteinflüsse wie z. B. Hitzestress, kann die Brunstphasen verkürzen, in die kühlere Nacht verlagern oder vermehrt verzögerte Ovulationen (Eisprung mehr als 24 Stunden nach Besamung) durch einen gestörten Hormonhaushalt auslösen.
Viele Kühe falsch besamt?
Ein weiteres Beispiel zeigt nochmal, wie wichtig der Faktor Mensch ist. Diesmal wurden von 120 Kühen 96 besamt. Bei der Trächtigkeitsuntersuchung sind nur 26 tragend. BNR = 80 %, CR = 27 %, PR = 21,6 %.
Ratgeber
Der top agrar-Ratgeber „Rinderbesamung“ präsentiert das komplette Wissen rund um die Rinderbesamung auf dem aktuellen Stand.
Dieser praktische Helfer beinhaltet viele wertvolle Tipps für den Alltag von Milchviehhaltern, Eigenbestandsbesamern, Besamungstechnikern und Tierärzten und ist heute das Standardwerk in Besamungskursen.
Hier sollten Betriebsleiter den Besamungszeitpunkt und das Besamungsmanagement überprüfen. Der optimale Besamungszeitpunkt liegt in der zweiten Hälfte bis letztem Drittel der Hauptbrunst, wenn die Kuh deutlich duldet. Die Morgens-Abends-Regel hat immer noch Gültigkeit. Steigt die Anzahl an durchgeführten Doppelbesamungen an Tag zwei bis drei nach der Besamung um mehr als 10 %, wurde zu früh besamt. Mögliche Ursachen hierfür sind Unsicherheit in der Brunstbeurteilung beim Besamungsvorgang und/oder eine verzögerte Ovulation.
Grundlagen für fruchtbare Kühe
Die Praxisfälle zeigen, wie Landwirte mit Zahlen Rückschluss auf die Gründe für schlechte Fruchtbarkeitsergebnisse ziehen können. Kurzfristig können OvSynch- oder Brunstinduktionsprogramme mit Prostaglandin (PGF2α) helfen. Untersuchungen vom Tierarzt oder Besamungstechniker – regelmäßig oder bei Problemen – unterstützen den Landwirt dabei, Uterus- und Eierstockerkrankungen zu finden, dokumentieren und auszuwerten. Mittel- und langfristig sollten Landwirte die vorgelagerten Bereiche kontrollieren und optimieren, um eine gute Allgemein- und Geschlechtsgesundheit des Tieres zu erhalten – und das von der Fütterung über die Abkalbung bis zur Klauengesundheit.
Denn gutes Fruchtbarkeitsmanagement fängt nicht erst zum Zeitpunkt der Besamung an. Es beinhaltet alle Phasen der Laktation und vor allem die Trockenstehperiode. Ein schlechter Start aus der Transitphase in die Laktation kann für Stoffwechselerkrankungen, Nachgeburtsverhaltung, Gebärmutter- oder Euterentzündungen sorgen.
Stoffwechselprodukte oder krankheitsbedingte Giftstoffe können sich z. B. in der Follikelflüssigkeit ansammeln und werden dort bis zu 90 Tage nach der Erkrankung nachgewiesen. Die Eizellenqualität leidet und selbst genutzte Brunsten führen durch eine geschädigte, unfruchtbare Eizelle oder frühembryonale Mortalität nicht zur Trächtigkeit. Durch eine schwierige Geburt und Stress sind Kühe für postpartale Erkrankungen empfänglicher und entwickeln häufiger eine klinische oder subklinische Endometritis. Auch das führt zu einem geringeren Erstbesamungserfolg.