Immer wieder zeigen Bullenlisten nah verwandte Holsteinvererber. So stehen sieben Solitair-Söhne an der rotbunten Spitze und Solitair selbst kam oft zum Einsatz. Wird Inzucht ein Problem?
Rensing: Solitair war 2020 mit 13 910 Erstbesamungen der zwei-meisteingesetzte Rotbunt-Bulle. Insgesamt sind das aber weniger als 0,5 % aller RBT-Erstbesamungen. Von einem dominanten Einfluss eines einzelnen Bullen auf die Kuhpopulation kann keine Rede sein – auch nicht wegen seiner vielen hohen Söhne. Zudem sind die Solitair-Töchter noch zu jung zum Besamen.
Haben Outcross-Vererber überhaupt noch eine Chance in den Toplisten?
Rensing: Für die aktuelle Rotbunt-Population ist Solitair P ein Outcross-Bulle. Er kombiniert schwarzbuntes Blut mit roter Fellfarbe. Insgesamt haben es Vererber, die wenig mit der Holsteinpopulation verwandt sind, aber schwer, mit der Spitze zu konkurrieren.
Wie hat die genomische Selektion den Inzuchtgrad beeinflusst?
Rensing: Genomics haben das Generationsintervall deutlich verkürzt. Dadurch erhöht sich der Inzuchtzuwachs pro Jahr automatisch. Andererseits selektieren wir seitdem auf breiterer Basis. Aktuell sind es 250 genomische Bullen aus 10 000 Kandidaten statt 125 Töchtergeprüfte aus 1 000 Testbullen. In der Summe stellen wir fest, dass sich der Inzuchtzuwachs in den vergangenen zehn Jahren leicht erhöht hat, aber noch unter der ICAR-Empfehlung von 0,25 % pro Jahr liegt.
Ist Inzucht überhaupt ein Problem?
Rensing: Aus meiner Sicht nicht. Die tiefe Inzucht aus weit zurückliegenden Generationen ist sogar gut. Überlegene Gene haben sich gegen Inzuchtdepressionen durchgesetzt. Es gibt keinen Zuchtfortschritt ohne Inzuchtsteigerung. Zucht und Inzucht sind also zwei Seiten derselben Medaille.
Wie können Landwirte Inzucht in der eigenen Herde vermeiden?
Rensing: Wichtig ist, die Anpaarung von nah verwandten Tieren in jedem Fall zu vermeiden – insbesondere der letzten drei bis vier Generationen. Am sichersten gelingt das mit einem Anpaarungsprogramm. Die tiefe Inzucht aus weiter zurückliegenden Generationen müssen Landwirte nicht beachten.