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Von Belgien und Tschechien lernen?

Lesezeit: 5 Minuten

Die tschechischen Erfahrungen mit der ASP lassen sich leider nicht 1:1 auf uns übertragen. top agrar sprach mit Dr. Carola Sauter-Louis vom FLI.


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Wie beurteilen Sie die aktuelle ASP-Gefahrenlage, nachdem das Virus auch in Sachsen nachgewiesen wurde?


Sauter-Louis: Die aktuelle Situation verdeutlicht, dass wir überall mit dem Auftreten der Afrikanischen Schweinepest (ASP) rechnen müssen. Die Lage in Brandenburg und Sachsen zeigt zudem, dass wir es leider nicht mit einem punktuellen Eintrag zu tun haben, sondern mit einem größeren ASP-Geschehen. In Sachsen wurden inzwischen drei ASP-Funde bestätigt (Stand vom 16.11.2020). Dies zeigt, dass über eine lange Strecke der Grenze ein Infektionsdruck durch migrierende Wildschweine besteht.


Die ASP-Bekämpfung in Brandenburg wurde in den sozialen Medien vielfach kritisiert. Ist die Kritik gerechtfertigt?


Sauter-Louis: Nein, überhaupt nicht! Die Veterinärbehörden in Brandenburg machen einen sehr guten Job. Am Anfang standen alle vor Ort unter enormem Druck und viele Aufgaben mussten gleichzeitig erledigt werden. Die Behörden haben gleich zu Beginn eine provisorische Kernzone mit Elektrozäunen abgegrenzt, um das Abwandern der Wildschweine zu verhindern. Sie haben gleichzeitig mit der intensiven Fallwildsuche begonnen, sowohl mit Menschenketten, Drohnen mit Wärmebildkameras, Hubschraubern und Suchhunden aus mehreren Bundesländern. Durch Drohnenaufnahmen und per Hubschrauber konnten die Suchtrupps gezielt gesteuert werden.


Im zweiten Schritt erfolgten dann die Planung und Errichtung wildschweinsicherer Zäune und die Abgrenzung einer sogenannten „Weißen Zone“ mit dem Ziel, möglichst alle Wildschweine in dieser Zone zu töten, um eine weitere Ausbreitung des Erregers zu stoppen. Das gesamte Vorgehen entspricht den Erkenntnissen, die wir in Tschechien und Belgien gewonnen haben und die dort mit Erfolg praktiziert wurden.


Lässt das hoffen, dass wir das Seuchengeschehen auch bei uns in absehbarer Zeit in den Griff bekommen?


Sauter-Louis: Ich glaube nicht, dass unsere Ausgangslage mit der in Belgien und Tschechien vergleichbar ist. In beiden Ländern fand ein punktueller Eintrag statt, ohne Gefährdung aus dem umliegenden Gebiet. In Tschechien wurde der Ausbruch zudem in einem sehr frühen Stadium entdeckt. Das erleichterte die Bekämpfung.


In Brandenburg und Sachsen müssen wir leider davon ausgehen, dass es sich um mehrere Einträge und damit um ein größeres Geschehen handelt. Zudem erfolgte der Erregereintrag vermutlich schon in der ersten Julihälfte. Und der Infektionsdruck aus dem umliegenden Gebiet bleibt aller Voraussicht nach auf längere Zeit bestehen. Wir erwarten daher nicht, dass die Erfahrungen aus Belgien und Tschechien 1:1 auf uns übertragbar sind.


Die ASP wird uns noch längere Zeit beschäftigen. Dennoch hoffen wir, die ASP in absehbarer Zeit eindämmen zu können. Aber es muss uns klar sein, dass Deutschland eine sogenannte Selbstdeklaration der Freiheit von ASP bei Schweinen, wie sie Tschechien gegenüber der OIE abgegeben hat, frühestens ein Jahr nach dem letzten aktiven ASP-Fund einreichen kann.


Welche Funktion haben die geplanten „Weißen Zonen“?


Sauter-Louis: Das Prinzip der „Weißen Zone“ hat Frankreich praktiziert, um einen Eintrag der ASP von Belgien nach Frankreich zu verhindern. Diese Zonen werden durch einen inneren und äußeren festen Zaun abgegrenzt mit dem Ziel, das Gebiet zwischen den Begrenzungen soweit wie möglich wildschweinfrei zu bekommen. Dadurch soll die Verbreitung des ASP-Erregers verlangsamt bzw. verhindert werden.


Das BMEL hat durch eine Änderung der Schweinepest-VO rechtlich den Weg zu einer kompletten Räumung der „Weißen Zone“ freigemacht. Die Entnahme der Tiere in der weißen Zone rund um die erste Kernzone soll in der zweiten Novemberhälfte beginnen.


Eine große Herausforderung besteht allerdings darin, diese Zonen längerfristig frei von Wildschweinen zu halten. Je größer diese Zone ist, desto schwieriger ist diese Aufgabe.


Die Wildschweinbestände in Deutschland explodieren. Reicht es, nur intensiver zu bejagen? Gibt es keine Möglichkeit, die Fruchtbarkeitsleistung hormonell zu drosseln, z.B. mit einer „Pille“ für Wildschweine?


Sauter-Louis: Jagdliche Maßnahmen allein reichen nicht aus. Man müsste jährlich vermutlich 80 bis 90% der Population entnehmen. Das gelingt allein durch jagdliche Maßnahmen nicht. Über viele Jahre haben die Jäger intensiv versucht, die Bestände zu reduzieren.


Der Einsatz von hormonellen Mitteln, wie z.B. Altrenogest, wäre eventuell eine weitere Option, ist momentan aber noch nicht praxisreif. Weltweit wird auf diesem Gebiet mit unterschiedlichen Ansätzen geforscht. Man muss sicherstellen, dass solche Mittel nur von Wildschweinen aufgenommen werden und nicht von anderen Wildtieren. Zusätzlich braucht man einen Köder, sodass eine orale Aufnahme möglich ist. Soweit ist man noch nicht.


Wie effektiv kann uns ein fester Zaun entlang der Grenze zu Polen schützen? Hätte er nicht schon längst gebaut werden müssen?


Sauter-Louis: Ein möglichst wildschweinsicherer Zaun entlang der deutsch-polnischen Grenze ist erforderlich. Er ist geplant, ursprünglich mit der Ergänzung durch einen zweiten Zaun auf polnischer Seite. Auf deutscher Seite fehlte nach Auffassung der Länder zunächst eine ausreichende Rechtsgrundlage, um Privateigentümer zu verpflichten, den Zaunbau auf ihrem Grund und Boden zu dulden. Denn die Flächen, auf denen der Zaun errichtet werden muss, befinden sich nicht alle im Eigentum der öffentlichen Hand.


Nach dem Auftreten der ASP besteht nun über die Schweinepestverordnung rechtlich die Möglichkeit, feste Zäune in den Restriktionsgebieten zu errichten. Der Zaunbau läuft bereits auf Hochtouren. Sowohl in Mecklenburg-Vorpommern als auch in Brandenburg stehen schon große Teile des Zaunes.


Allerdings bietet der Zaun keinen 100%-igen Schutz. Selbst wenn er Wildschweine komplett abhalten würde, kann der Erreger immer noch von Menschen über hunderte von Kilometern verschleppt werden. Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je, dass jeder Schweinehalter den eigenen Betrieb bestmöglich schützt!


Die Vorgaben der Schweinehaltungs-Hygieneverordnung stellen dabei nur Mindestanforderungen dar. Jeder Schweinehalter sollte überlegen, welche Schutzmaßnahmen er darüber hinaus noch umsetzen kann. Mit der ASP-Risikoampel, die die Uni Vechta gemeinsam mit dem FLI entwickelt hat, lässt sich zum Beispiel die Biosicherheit des eigenen Betriebes überprüfen und weiter optimieren.


henning.lehnert@topagrar.com

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