Im EU-Umweltausschuss wurde am Dienstag voriger Woche (13.07.21) über einen Vorschlag der Kommission zur Definition von sogenannten Reserveantibiotika abgestimmt, die ausschließlich für Behandlungen in der Humanmedizin reserviert bleiben sollen. Mit relativer Mehrheit nahm der Ausschuss einen Antrag an, der sich gegen den delegierten Rechtsakt der EU wendet. Dem Umweltausschuss war die Regelung zu lasch. Gefordert wird ein neuer Kommissionsvorschlag, in dem die Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übernommen werden.
Generelles Verbot von Reserveantibiotika?
Die Vergabe von Reserveantibiotika an Gruppen von Tieren sollte nach Ansicht der EU-Umweltpolitiker generell untersagt werden. Begrüßt wurde das Votum vom Agrarsprecher der EU-Grünen, Martin Häusling. Der Kommissionsvorschlag enthalte erhebliche Schlupflöcher. Schon jetzt würden jedes Jahr in der EU etwa 33.000 Menschen sterben, weil bei ihnen keines der verfügbaren Antibiotika mehr wirke, so Häusling. Je mehr Antibiotika verwendet würden, desto schneller und weiter greife die Resistenzentwicklung um sich. Ein sorgsamer Umgang mit den Reserveantibiotika, die als einziges Medikament noch helfen könnten, wenn alle anderen versagten, sei deshalb lebensentscheidend.
Tierärzte befürchten Therapienotstand
Ganz anders beurteilen die Tierärzte das Votum. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte (bpt) warf dem Umweltausschuss vor, mit Befürchtungen, die auf veralteten Annahmen über den Missbrauch von Antibiotika im Tierbereich und einer völligen Fehlinterpretation der WHO-Empfehlungen beruhten, alle wissenschaftlichen Empfehlungen der zuständigen EU-Behörden abzulehnen. Der Beschluss stelle eine klare Missachtung des in der EU etablierten wissenschaftsbasierten Entscheidungsfindungsprozesses dar und ignoriere die wiederholten Aufrufe des Parlaments selbst, antimikrobielle Resistenzen mit dem „One-Health-Ansatz“ zu bekämpfen.
Das willkürliche Verbot der einzigen therapeutischen Möglichkeit gegen bakterielle Infektionen bedeute, dass alle Tiere - auch Haustiere - unbehandelt blieben, was zu unnötigem Leiden und sogar zu ihrem Tod führen könne, so der bpt. Dies stehe in eklatantem Widerspruch zum Vertrag von Lissabon, der Tiere als fühlende Wesen anerkenne.