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Gibt es bald PRRS-resistente Schweine in den USA?

Mittels Genome Editing hat ein Zuchtunternehmen Schweine gezüchtet, die gegen das PRRS-Virus resistent sind. Die Wissenschaftlerin verrät, wie das gelungen ist und welche Zulassungen es schon gibt.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieses Interview erschien zuerst im Fachmagazin SUS-Schweinezucht und Schweinemast. Es basiert auf einer Erstfassung in der niederländischen Fachzeitschrift Boerderij.

Dr. Lucina Galina Pantoja ist Wissenschaftlerin, Tierärztin und technische Projektleiterin beim Zuchtunternehmen PIC. Sie forscht seit vielen Jahren zu PRRS-resistenten gentechnisch veränderten Schweinen.

SUS: PRRS gehört zu den wirtschaftlich bedeutendsten Erkrankungen in der Schweinehaltung. Warum ist das PRRS-Virus so schwer in den Griff zu kriegen?

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Pantoja: Das PRRS-Virus ist extrem wandlungsfähig und verändert sich laufend. 30 Jahre Wissenschaft haben noch nicht zu einer endgültigen Lösung gegen das Virus geführt. Zum Vergleich: Das Porcine Circovirus 2 (PCV2) kam viel später in die Schweineherden. Und gegen dieses Virus gibt es schon seit Jahren gute Impfstoffe.

SUS: PIC züchtet Schweine, die resistent gegen das PRRS-Virus sind. Wie kam es dazu?

Pantoja: Eine Entdeckung im Jahr 2010 bildete die Grundlage für unsere Forschung und Entwicklung. In jenem Jahr fanden Wissenschaftler heraus, wie PRRS-Viren infizieren und sich vermehren. Vereinfacht gesagt, nutzt das Virus einen Rezeptor namens CD163, der in Monozyten und Makrophagen, den Fresszellen der weißen Blutkörperchen, vorhanden ist.

SUS: Wie genau läuft das ab?

Pantoja: Unter normalen Bedingungen haben Monozyten und Makrophagen die Aufgabe, Viren einzufangen, sie in einer Vakuole, einer Art Hohlraum, einzuschließen und zu zerstören. Diesen Vorgang nennt man Phagozytose, also das „Auffressen“ der Viren.

Wenn nun ein PRRS-Virus auf Monozyten oder Makrophagen trifft, heftet es sich an den Rezeptor CD163 an, genauer gesagt an dessen fünfte Domäne. Dadurch blockiert es die Phagozytose. Doch damit nicht genug: Gleichzeitig platziert es auch sein eigenes genetisches RNA-Material im Zellinnern der Monozyten oder Makrophagen und kann sich so vermehren.

SUS: Wie nutzen Sie dieses Wissen?

Pantoja: Forschern aus Schottland ist es gelungen, das sogenannte siebte „Exon“, das für die Bildung der fünften Domäne des CD163-Rezeptors verantwortlich ist, zu entfernen. Dadurch kann das PRRS-Virus nicht mehr andocken und sich nicht mehr vermehren – das Schwein ist resistent gegen das PRRS-Virus.

SUS: Sie haben also per Genome Editing das Erbgut verändert. Ist die Resistenz vererbbar?

Pantoja: Ja, die Ausschaltung der fünften Domäne von CD163 ist vererbbar – allerdings rezessiv. Für eine Resistenz müssen die Schweine homozygot für das entsprechende Gen sein. Das bedeutet, dass weder im mütterlichen noch im väterlichen Genom ein siebtes „Exon“ vorhanden sein darf.

Übrigens: Bei Tieren, die die Genomveränderung geerbt haben, stellt der CD163-Rezeptor eine kürzere Version des unveränderten Rezeptors dar. Der Unterschied besteht in einer einzigen veränderten Aminosäure.

Die PRRS-Resistenz ist vererbbar.

SUS: Hat die Veränderung negative Auswirkungen, z.B. auf Leistung oder Verhalten?

Pantoja: Nach unseren internen Untersuchungen verhalten sich Schweine ohne die CD163-Domäne 5 in Bezug auf Produktion, Reproduktion und Fleischqualität wie herkömmliche Schweine. Wir haben 20 Merkmale verglichen, darunter das Geburtsgewicht, das Gewicht nach 140 Tagen, das Schlachtkörpergewicht, die Sterblichkeit und die Gesundheitsparameter bei der Schlachtung.

Auch die Fruchtbarkeit wurde verglichen, darunter die Gesamtzahl der geborenen, der lebend geborenen und der tot geborenen Ferkel usw. Darüber hinaus haben wir mehr als 97 Merkmale der Fleischqualität und -zusammensetzung analysiert. Die Ergebnisse zeigten keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass PRRS-resistente gentechnisch veränderte Schweine und konventionelle Schweine sehr ähnlich sind – mit der Ausnahme, dass die gentechnisch veränderten Schweine gegen PRRS resistent sind.

SUS: Bestehen Risiken für die menschliche Gesundheit durch den Verzehr von Schweinefleisch von resistenten Schweinen?

Pantoja: Genau dieser Frage geht die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) im Rahmen des aktuellen Zulassungsverfahrens nach. Wir haben dafür Studien über die Zusammensetzung von essbarem Gewebe eingereicht. Wichtig zu wissen ist übrigens auch, dass das Schweinefleisch nicht von Schweinen stammt, die direkt editiert wurden, sondern von den Nachkommen Genom-editierter Schweine; die editierten Tiere sind mehrere Generationen alt. Zudem ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass gen-editierte Schweine nicht als gen-modifizierte Organismen (GMO) definiert sind, da kein fremdes genomisches Material eingeführt wurde.

SUS: Es gibt verschiedene PRRS-Virustypen. Wie wirksam ist die Resistenz?

Pantoja: Derzeit gibt es zwei Typen von PRRS-Viren (Typ 1 und 2), und neue Klassifizierungen unterteilen das Virus weiter in verschiedene Linien (L1-L9) und Unterlinien. Wir haben die Resistenz getestet, indem wir die Schweine den Typen 1 und 2 sowie mehreren Linien ausgesetzt haben.

Unsere bisherigen Studien umfassten repräsentative Isolate von mehr als 90% der dominanten und aktuellen PRRS-Linien und Sublinien, die in den USA diagnostiziert wurden. Das älteste Isolat stammt von Schweinen aus dem Jahr 1997 und die jüngsten Isolate stammen aus dem Jahr 2022. Bei homozygot resistenten Schweinen konnten wir bis zu 21 Tage nach der Infektion mit dem PCR-Test weder genomisches PRRS-Virusmaterial noch mit dem ELISA-Antikörpertest eine Immunantwort gegen das Virus nachweisen. Diese Tiere sind resistent. Im Gegensatz dazu konnten wir bei Schweinen, die nur eine oder keine Version des editierten Gens tragen, PRRS-Virusmaterial und eine Immunreaktion nachweisen – diese Tiere sind anfällig.

SUS: Funktioniert die Resistenz auch bei neuen Virustypen, die durch Mutationen oder Rekombinationen entstehen?

Pantoja: Wie andere RNA-Viren sind auch PRRS-Viren dafür bekannt, sich ständig zu verändern. Daher müssen wir wachsam sein und die Resistenz im Laufe der Zeit gut beobachten. Stand jetzt wissen wir, dass die Resistenz gegen verschiedene Isolate wirksam war, die sich über 25 Jahre hinweg entwickelt haben.

SUS: Wie lange dauert es, eine Sauenherde von einer konventionellen in eine PRRS-resistente umzustellen?

Pantoja: Wenn man heute damit beginnen würde, einen Sauenbetrieb ausschließlich mit Sperma von homozygot resistenten Ebern und mit branchenüblichen Austauschraten zu beliefern, würde man theoretisch am Ende des dritten Jahres 25% resistente Schweine in der Herde haben und am Ende des siebten Jahres 70% resistente Schweine. Dieser Zeitplan könnte beschleunigt werden, indem nicht nur Sperma von resistenten Ebern verwendet wird, sondern auch Sauen besamt werden, die mindestens eine Version des günstigen Gens tragen.

In Kolumbien und Brasilien gibt es eine Zulassung.

SUS: Wann erwarten Sie die Genehmigung der FDA für den Verkauf von PRRS-resistenten Schweinen in den USA?

Pantoja: Wir erwarten eine Entscheidung der FDA in 2025. Zudem bemühen wir uns um behördliche Genehmigungen und Regierungsbeschlüsse in mehreren anderen Ländern, z.B. Kanada, China, Japan und Mexiko. Ende 2023 hat Kolumbien als erstes Land weltweit das Inverkehrbringen von Genom-editierten Schweinen erlaubt. Brasilien hat ebenfalls entschieden, unsere Schweine als „normale“ Schweine einzustufen und nicht als gentechnisch veränderte Organismen.

Doch selbst bei einer FDA-Zulassung hängen Einführung und Vermarktung der PRRS-resistenten Schweine von zahlreichen weiteren Faktoren ab, beispielsweise der Zulassung in wichtigen Exportmärkten.

SUS: Das klingt nach künftigen Wettbewerbsvorteilen.

Pantoja: Absolut. Das PRRS-resistente Schwein ist definitiv ein Alleinstellungsmerkmal der PIC. Es gibt keine Nachweise, weder veröffentlicht noch anderweitig, dass ein solches Schwein außerhalb unserer Gen-Editierungsarbeit existiert.

SUS: Wie positioniert sich die EU zu Ihren resistenten Schweinen?

Pantoja: Die europäischen Vorschriften zum Genome Editing bei Pflanzen und Tieren entwickeln sich rasch weiter. Großbritannien hat im März 2023 den Genetic Technology (Precision Breeding) Act für Pflanzen und Tiere verabschiedet, der den Einsatz von Gen-Editing-Technologien erlaubt. Im selben Jahr erkannte die Europäische Kommission das Potenzial neuer Genomtechniken wie das Gene Editing an, um das Pflanzenwachstum zu verbessern und zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen beizutragen. Klimatische Herausforderungen und geringere Erträge aufgrund von Ernteausfällen haben deutlich gemacht, dass die globalen Nahrungsmittelsysteme anfällig sind und mehr Widerstandskraft benötigen.

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) wird voraussichtlich 2025 ein wissenschaftliches Gutachten über neue Genomtechniken bei Tieren vorlegen, was ein wichtiger Schritt zur Angleichung der Vorschriften für Pflanzen und Tiere ist. Die Zuchtunternehmen, darunter auch PIC, sind aktiv an der Weiterentwicklung der neuen europäischen Vorschriften beteiligt.

SUS: Ist das Genome Editing auch eine Lösung gegen andere Viren?

Pantoja: Angesichts der wachsenden Nachfrage nach tierischem Eiweiß könnte das Genome Editing von Nutztieren eine Lösung sein, um Gesundheit und Produktivität zu steigern. Die Erforschung neuer Technologien ist wichtig für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten, insbesondere wenn die derzeitigen Mittel nur begrenzt erfolgreich sind. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich mehrere Beispiele für Gen-Editierung in der Tierzucht, darunter hornlose Rinder, Rinder mit glattem Haarkleid, die hitzetoleranter sind, Hühner, die resistenter gegen Grippe sind usw.

SUS: Und beim Menschen?

Pantoja: Beim Menschen sind die Vorteile ebenso groß. Nach Angaben der WHO birgt das Genome Editing ein enormes Potenzial für die Behandlung und Vorbeugung menschlicher Krankheiten, darunter HIV, Sichelzellenanämie und eine Reihe von Krebsarten. Derzeit werden mehr als 3.500 Gentherapien für die Humanmedizin entwickelt, die Hälfte für Krebs.

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