Die Diskussion um eine umfassende Herkunftskennzeichnung für Lebensmittel hat in Österreich deutlich an Schärfe gewonnen. Auslöser dafür war der Gastronomie-Spartenobmann der Wirtschaftskammer, Mario Pulker. Er sprach sich erneut klar gegen eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung in der heimischen Gastronomie aus und argumentierte, dass die Branche durch die Coronavirus-Pandemie bereits genug in Mitleidenschaft gezogen worden sei.
„Es wird der Sau relativ wurscht sein, ob sie in Österreich oder Ungarn auf einem Spaltenboden steht“, spitzte Pulker seine Position zu. Es müsse weiterhin möglich sein, Fleisch aus dem Ausland zu kaufen, unabhängig davon, was auf der Speisekarte stehe. Zudem warnte der Vertreter der Wirtschaftskammer, dass bei Einführung einer Herkunftskennzeichnung die Versorgungssicherheit in Österreich auf dem Spiel stehe.
VÖS: "Verhöhnung der österreichischen Landwirtschaft"
Die Aussagen von Pulker sorgten beim Verband Österreichischer Schweinebauern (VÖS) für Empörung. „Die ablehnende Haltung und die Drohgebärden von Pulker sind skandalös“, so Geschäftsführer Michael Klaffenböck. Die Haltung des Spartenobmanns sei „eine Verhöhnung der österreichischen Landwirtschaft“ und gehe gegen den allgemeinen Trend zu mehr Nachhaltigkeit und Regionalität.
Der Geschäftsführer wies drauf hin, dass Schweine in Österreich auf Familienbetrieben gehalten würden, wo das Futter überwiegend vom hofeigenen Acker komme. Auch die Zucht sei in bäuerlicher Hand. „Das ist in den meisten europäischen Ländern gänzlich anders“, so Klaffenböck. Der Geschäftsführer der Österreichischen Schweinebörse, Johann Schlederer, versicherte, dass der heimischen Gastronomie ausreichend hochwertiges österreichisches Schweinefleisch zur Verfügung stehe. Fleisch dürfe natürlich weiterhin importiert werden, aber das „Unterjubeln von anonymer ausländischer Ware im Wirtshaus“ müsse ein Ende haben.
Fachverbandes der Lebensmittelindustrie lehnt nationale Kennzeichnung ab
Zuvor hatte die Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie, Katharina Koßdorff, Kritik an der möglichen Einführung einer Herkunftskennzeichnung bei verpackten Lebensmitteln geübt. Das Wiener Landwirtschaftsministerium lasse in der öffentlichen Debatte über die nationale Herkunftskennzeichnung regelmäßig unter den Tisch fallen, dass die Angabe der Herkunft bei verpackten Lebensmitteln bereits umfassend von der Europäischen Union geregelt sei und in der Praxis deklariert werde, monierte Koßdorf.
Unerwähnt bleibe auch, dass Brüssel bereits in wenigen Monaten zusätzliche Vorschriften zur Herkunftskennzeichnung vorlegen werde. „Daher lehnen wir das Vorhaben der Bundesregierung einer rein nationalen Herkunftskennzeichnung weiterhin ab“, stellte Koßdorf klar. Als nationaler Alleingang würde dies ausschließlich die heimischen Hersteller treffen und einen Mehraufwand verursachen. Ausländische Produzenten sparten sich diesen, konkurrierten aber im Supermarktregal - im In- und Ausland - unmittelbar mit den österreichischen Produkten.
Moosbrugger: EU-Kennzeichnung bietet zu viele Schlupflöcher
Die Aussagen von Koßdorff ließ der Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger, nicht unbeantwortet. „Wenn ohnehin schon eine so umfassende Herkunftskennzeichnung in der EU beziehungsweise in Österreich besteht, dann fragen wir uns schon, warum sich die Lebensmittelindustrie dann so vehement gegen die Regierungspläne zur verpflichtenden Herkunftskennzeichnung wehrt“, so der Kammerpräsident. Er wies darauf hin, dass die von Koßdorff erwähnte EU-Primärzutaten-Verordnung gravierende Schlupflöcher aufweise. Habe beispielsweise ein Wursthersteller Österreich-Fahne oder -Slogan im Markennamen oder -logo müsse er die Herkunft der Primärzutat Fleisch nicht angeben.
„Gegen solche Trittbrettfahrer wehren wir uns massiv. Wo Österreich draufsteht, muss auch österreichischer Rohstoff drin sein“, betonte Moosbrugger. Das wäre durch eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der tierischen Primärzutaten Milch, Fleisch, Eier gemäß den Regierungsplänen klar geregelt. Deswegen setze sich der landwirtschaftliche Berufsstand mit Nachdruck für eine solche Regelung ein, primär bei Verarbeitungsprodukten und in der Gemeinschaftsverpflegung.