Unser Autor: Wilfried Brede, Serviceteam Alsfeld, Hessen
Die Initiative Tierwohl (ITW) startet im Januar 2021 in die dritte Programmphase. Neu wird sein, dass die Teilnehmer ihren Schweinen künftig 10 % mehr Platz und Raufutter anbieten müssen. Dafür zahlt die ITW den Schweinemästern 5,28 € pro Tier und dem Ferkelaufzüchter 3,07 € je Schwein. Laufen die Ferkelerzeugung und die Ferkelaufzucht getrennt, muss der Aufzüchter 1,80 € an den Sauenhalter durchreichen.
Boni nicht festgeschrieben
Die Boni sind jedoch nicht in Stein gemeißelt. ITW-Chef Dr. Alexander Hinrichs hat bereits im Januar 2020 erklärt, dass die Beträge regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Aktuelle Berechnungen zeigen, dass die „Öffnungsklausel“ wichtiger ist denn je. Denn insbesondere in der Ferkelerzeugung besteht Nachbesserungsbedarf. Wie groß die finanzielle Lücke ist, lässt sich anhand verschiedener Betriebsbeispiele gut darstellen.
In der Ist-Situation hat der Beispielbetrieb 252 Sauen und 1 500 Aufzuchtplätze. Der Sauenhalter nimmt nicht an der ITW teil und legt auch kein Raufutter vor. Der Betriebsleiter hat seine Schweineställe mit AFP-Fördermitteln gebaut und stellt seinen Tieren daher 20 % mehr Platz zur Verfügung als gesetzlich vorgeschrieben.
Variante 1 entspricht dem Betrieb in der Ist-Situation. Durch die AFP-Förderung erfüllt der Betriebsleiter die ITW-Vorgabe „10 % mehr Platz im Wartestall“ sicher. Der Betriebsleiter braucht seinen Sauenbestand deshalb nicht abzustocken. Allerdings investiert er knapp 75.000 € in eine automatische Raufuttervorlage für Heu bzw. Stroh sowie in eine Lagerhalle für das Raufutter. Das Heu ist in der Kalkulation mit 15 € pro dt angesetzt. Pro Tier und Tag sind 50 g Heu veranschlagt.
In Variante 2 stockt der Landwirt seine Herde von 252 auf 224 Sauen ab, um die Flächenvorgaben zu erfüllen. Auch hier werden 75.000 € in die Raufuttervorlage und -lagerung investiert.
Bei Variante 3 stockt der Landwirt ebenfalls auf 224 Sauen ab und investiert knapp 25.000 € in eine automatische Pelletvorlage und das Lager. Die Pellets werden mit einer 60er-Rohrkette gefördert. Für die Pellets wird ein Preis von 30 € pro dt unterstellt.
Unternehmergewinn schmilzt
Wie Übersicht 1 zeigt, erzielt der Betrieb in der Ist-Situation einen Unternehmergewinn von knapp 10.000 €. Zugrunde gelegt ist ein Ferkelpreis von 60 € netto inklusive Gewichts- und Qualitätszuschlägen. Der Ferkelpreis entspricht dem durchschnittlichen Preisniveau für Qualitätsferkel der letzten zehn Wirtschaftsjahre.
In Variante 1 rutscht das Ergebnis mit gut 14.000 € deutlich ins Minus. Ursache sind die hohen Investitionen in die Raufutterfördertechnik und -lagerung. Hinzu kommen steigende Lohnkosten, da der Arbeitsaufwand durch den Raufuttereinsatz um rund 1,5 Stunden pro Sau und Jahr steigt.
Noch härter trifft es den Landwirt in Variante 2. Er macht gut 22.000 € Verlust. Ursache dafür ist neben den Investitionskosten für die Raufuttervorlage und -lagerung sowie die Mehrarbeit die Bestandsabstockung. Dem Betrieb geht dadurch eine Direktkosten freie Leistung von über 4.400 € verloren.
Nicht viel besser sieht es in Variante 3 aus. Hier beläuft sich der Fehlbetrag auf über 15.500 €. Das Minus fällt gegenüber Variante 2 nur deshalb etwas kleiner aus, weil die Investitionskosten für die automatische Vorlage der Pellets über 30.000 € günstiger ist, weniger Lagerraum benötigt wird und „nur“ eine Stunde Mehrarbeit pro Sau und Jahr einkalkuliert werden müssen.
Bis zu 5,30 € pro Ferkel nötig
Wie stark sich die notwendigen Investitionsmaßnahmen bzw. die Bestandsabstockung auf den erforderlichen Mehrerlös je Ferkel auswirken, zeigt Übersicht 2. Bei Variante 1 benötigt der Landwirt zur Deckung der Tierwohl-Mehrkosten einen finanziellen Bonus von mindestens 3,53 €. Knapp 5,30 € sind es bei Variante 2, wenn der Sauenhalter ITW-Mitgliedsbetrieb werden will und den Sauenbestand dazu abstocken muss. In Variante 3 sind es 4,18 €.
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K O M M E N T A R
Faires Geld auch für Sauenhalter!
von Marcus Arden
Die ITW hat unter den Tierwohlprogrammen den höchsten Marktanteil, und genießt bei den Bauern bislang einen guten Ruf. Doch jetzt müssen die Verantwortlichen aufpassen, dass sie ihren Erfolg bei der Umstellung auf die Nämlichkeit nicht aufs Spiel setzen.
In der dritten Programmphase sollen erstmalig die Warenströme vom Landwirt bis zum Handel nachverfolgt werden können. So will es der LEH. Fraglich ist nur, ob das selbst gesteckte Ziel mit dem jetzt vorgelegten Bonusprogramm erreicht wird. Fakt ist, dass die Boni für die Sauenhalter zu knapp kalkuliert sind. Im Vergleich zu den ersten beiden Programmphasen erhalten die Ferkelerzeuger sogar weniger Geld.
Damit riskiert die ITW ihren bisherigen Erfolg und setzt ihre Zukunft aufs Spiel. Denn wenn das Projekt Nämlichkeit schief geht, wird der Handel früher oder später die Reißleine ziehen.