Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bundestagswahl 2025 Maul- und Klauenseuche Gülle und Wirtschaftsdünger

topplus Ungerich­tete Sequenzierung

Neue Nachweismethode entlarvt Erreger von Saugferkeldurchfall

In einem Sauenbetrieb litten immer wieder Saugferkel unter Durchfall. Alle Behandlungs- und Impfversuche blieben erfolglos – bis ein neues Nachweisverfahren den wahren Auslöser entlarvte.

Lesezeit: 7 Minuten

Rita  und Erwin Münker (Name geändert) haben eigentlich wenig Grund zum Klagen. Ihre Ferkelerzeugung inklusive Aufzucht läuft rund. Die 450er-Sauenherde, die sie im Wochenrhythmus managen, ist gesundheitlich stabil. Im vergangenen Jahr konnten sie bei 26-tägiger Säugezeit pro Sau und Jahr 32 Ferkel absetzen. Nach langer finanzieller Durststrecke erzielen die Ferkel endlich wieder gute Preise. Und von den zwei Mästern, die seit zweieinhalb Jahren ihre Ferkel abnehmen, hören sie keine Beschwerden.

Schnell gelesen

  • Saugferkeldurchfall, der in Wellen ­auftrat, bereitete in einem 450er-Sauenbetrieb immer wieder große Probleme.

  • Erregernachweise per PCR deuteten mal auf Viren und mal auf Bakterien als Verursacher des Durchfalls hin.

  • Antibiotische Behandlungen und ­Impfungen mit verschiedenen Vakzinen brachten nicht den gewünschten Erfolg.

  • Die Vollgenom-Sequenzierung entlarvte schließlich einen bisher unauffälligen Rotavirusstamm als Übeltäter.

Durchfall tritt in Wellen auf

„Wenn nur nicht immer wieder die Saugferkeldurchfälle wären“, berichtet Erwin Münker. Die Durchfälle treten schon seit längerer Zeit in Wellen auf, immer in den ersten Lebenstagen. Häufig beginnt es bei den Jungsauenwürfen, breitet sich dann aber auch auf Altsauenwürfe aus. In den erkrankten Würfen weist ungefähr ein Drittel der Ferkel starke Symptome auf: hellgelber bis wässriger Durchfall und Erbrechen. Durch die Kombination aus Wasser-, Elektrolyt- und Nährstoffmangel sind die betroffenen Tiere in einem schlechten Allgemeinzustand.

Die behandelnde Tierärztin, Dr. Sonja von Berg aus Essen in Oldenburg, hat bereits mehrfach Kotproben von den erkrankten Ferkeln genommen und im Labor untersuchen lassen. „Die Ergebnisse deuteten zunächst auf ein virusbedingtes Durchfallgeschehen hin“, schildert die Tierärztin. In den Proben wurden Rotaviren A und C nachgewiesen, aber auch bakterielle Durchfallkeime. In Folgeuntersuchungen, die später durchgeführt wurden, konnten dann nur noch die bakteriellen Erreger bestätigt werden. Im Stall durchgeführte Schnelltests hingegen reagierten weiterhin schwach positiv auf Rotaviren – obwohl die PCR-Untersuchung  auf Rotaviren A und C negativ ausfiel. Es ließ sich also kein genetisches Material der genannten Rotavirusstämme in den Proben nachweisen.

„Wir entschieden uns deshalb für eine antibiotische Therapie. Wir ließen einen Resistenztest durchführen und behandelten die Ferkel daraufhin mit Enrofloxacin bzw. Amoxicillin“, schildert die Tierärztin. Das Durchfall­geschehen und Erbrechen der Saug­ferkel besserte sich dadurch aber nur geringfügig. Selbst der Einsatz eines stallspezifischen Mutterschutzimpfstoffes, der die relevanten Erreger abdeckte, brachte keine dauerhafte Besserung.

Intensive Ferkelbetreuung

Nur dank der intensiven Fürsorge von Familie Münker überstanden viele Ferkel das Durchfallgeschehen und kamen wieder zu Kräften. Die neugeborenen Würfe wurden intensiv beobachtet und betroffene Ferkel dadurch früh erkannt. Die Münkers streuten ein Hygienepulver auf die verschmutzten Bereiche und versorgten die Ferkel mit einer Elektrolyttränke.

Das kostete jedoch viel Zeit und Geduld. Die bestandsbetreuende Tierärztin entschied deshalb, noch einmal eine umfangreiche Diagnostik durchführen zu lassen. Sie nahm erneut Kotproben von frisch erkrankten und antibiotisch nicht vorbehandelten Ferkeln. Außerdem wurden akut erkrankte Ferkel euthanasiert und mikrobiologisch, molekulargenetisch sowie histopathologisch untersucht. Die Proben schickte sie zum Veterinärlabor der SAN Group Biotech Germany in Höltinghausen. „Wir führten eine bakteriologische Untersuchung der Kotproben sowie verschiedene molekularbiologische Untersuchungen auf die häufigsten viralen Durchfallerreger durch“, schildert Labortierärztin Dr. Ines Spiekermeier.

Das Ergebnis: Als mögliche Auslöser des Durchfallgeschehens wurden die Bakterien Clostridium perfringens, Clostrioides difficile und E. coli identifiziert. Tierärztin von Berg blieb jedoch skeptisch, ob das wirklich die Lösung des Problems sein sollte. Schließlich wurde gegen diese Erreger bereits ein stallspezifischer Impfstoff eingesetzt. „Zudem sprachen die Ferkel nicht auf die bisher eingesetzte Antibiotikabehandlung an. Und das Erbrechen ist eigentlich ein typischer Hinweis auf virale Durchfallerreger“, begründet Dr. von Berg ihre Zweifel.

Sie nahm deshalb Kontakt mit dem Labor auf. Gemeinsam mit der Labortierärztin besprach sie die Ergebnisse. Nach einem längeren Gespräch waren sich beide einig: Die gefundenen Erreger werden in der Literatur zwar alle als Verursacher von Saugferkeldurchfällen beschrieben. So richtig gut passten die Laborbefunde aber weder zum klinischen Bild im Stall noch zur Hartnäckigkeit des Durchfallgeschehens.

Ungerichtete Sequenzierung

„Ich schlug deshalb vor, noch einmal Proben zu ziehen und in diesem speziellen Fall eine ungerichtete Sequenzierung durchzuführen“, so Dr. Spiekermeier. Das Verfahren ist nicht ganz neu, wurde aus Kostengründen aber bisher kaum in der Routinediagnostik angewendet. Durch Optimierungsmaßnahmen und einen höheren Durchsatz ist das Diagnostiktool inzwischen jedoch erschwinglicher geworden.

Der Vorteil: Während die Probe bei einer herkömmlichen PCR nach genetischem Material eines oder weniger ganz bestimmter Erreger durchforstet wird, erfasst man bei der ungerichteten Sequenzierung die gesamte in der Probe enthaltene Erbinformation und  wertet sie aus (siehe Hinweis zum Verfahren).

Gesagt, getan. Nach sieben Tagen lag schließlich das Ergebnis der weniger als 180 € kostenden Untersuchung vor. Es überraschte beide Tierärztinnen. „Neben den bisher bereits nachgewiesenen Keimen wurde in der Probe ein sehr großer Anteil Erbinformation von Rotavirus B nachgewiesen“, so Dr. Spiekermeier.

Auf diesen Erreger waren die bisherigen Proben nicht untersucht wurden, denn dafür gab es in der Routinediagnostik bisher keine PCR. Bei der Literaturrecherche stießen die beiden Ärztinnen jedoch auf Fallberichte, in denen der Erreger als Verursacher von Saugferkelverlusten beschrieben wird. „Und die dort erwähnten Symptome passten genau zu dem, was ich im Stall von Familie Münker beobachten konnte“, erinnert sich Dr. von Berg.

Management optimieren!

„Die Ungewissheit, welcher Erreger für den hartnäckigen Saugferkeldurchfall verantwortlich ist, hatte nun endlich eine Ende“, stellt die Tierärztin fest. Leider gibt es keine kommerziellen Vakzine gegen Rotavirus B. Und wegen des anspruchsvollen Wachstums des Erregers kann auch noch kein stallspezifischer Impfstoff hergestellt werden, musste die bestandsbetreuende Tierärztin feststellen.

Deshalb sind die Managementmaßnahmen, die Familie Müncker bereits ergriffen hatte, in diesem Fall besonders wichtig. Dazu gehören eine gute  Jungsaueneingliederung mit möglichst viel Erregerkontakt aus der Abferkelung. Zudem sollte die Remontierungsrate möglichst unter 40 % liegen. Und es muss  eine sorgfältige Tierbeobachtung erfolgen, damit erkrankte Ferkel frühzeitig mit einer Elektrolytlösung versorgt werden können.

Bucht trocken halten 

Im Ferkelnest sollte zudem eine Temperatur von 35 °C herrschen und das Nest trocken gehalten werden. Neben dem Ferkelnest sollten auch die kotverschmutzten Buchtenecken mit einem trocknenden Hygienepulver abgestreut werden. Und bei schweren Verläufen  kann den betroffenen Ferkeln zusätzlich ein geeignetes Antibiotikum verabreicht werden, um die bakteriellen Begleitinfektionen in den Griff zu bekommen. Dafür sollte zuvor aber ein Resistenztest durchgeführt werden.

Vorteile der ungerich­teten Sequenzierung

Die bisher häufig verwendete Diagnostik per PCR (Polymerase-Ketten-Reaktion) liefert eine Ja-/Nein-Antwort, ob sich genetisches Material eines bestimmten Erregers in der Probe befindet. Es werden also genau die Erreger erkannt, nach denen man in der Probe auch gesucht hat. Erreger, die man nicht als Verursacher vermutet oder für die es bisher keine PCR gibt, bleiben leider unerkannt.

Im Gegensatz dazu ermöglicht die ungerichtete Sequenzierung das Erkennen aller in der Probe enthaltenen Viren und Bakterien. Die Erbinformation jedes Erregers wird ausgelesen und mit weltweiten Referenzdatenbanken verglichen. Auf diese Weise können sogar gänzlich unerkannte Erreger oder Keime, die man bisher nicht mit bestimmten Krankheitsbildern in Verbindung gebracht hat, identifiziert werden.

Mittlerweile hat sich die ungerichtete Sequenzierung zu einem einfach nutzbaren Tool entwickelt, das immer dann eingesetzt werden kann, wenn:

  • die Verdachtsdiagnose unklar ist,

  • das Problem trotz diverser Therapieversuche auch über einen längeren Zeitraum anhält,

  • man sich einen Überblick über die vorhandene Keimflora verschaffen will

  • oder wenn man sichergehen will, dass keine infektiöse Ursache vorliegt.

Allerdings kommt die ungerichtete Sequenzierung nicht ohne eine fachliche Beurteilung des Tierarztes aus. Denn auch im gesunden Darm gibt es eine Vielzahl von „guten“ Keimen, die man von den „schädlichen“ unterscheiden muss. Zudem sind die Ergebnisse immer hinsichtlich ihrer klinischen Relevanz zu beurteilen. Das heißt: Wie wahrscheinlich es ist, dass der labordiagnostisch nachgewiesene Erreger auch wirklich der Auslöser der im Bestand auftretenden Probleme ist?

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Wissen, was zählt.

Voller Zugriff auf alle Beiträge, aktuelle Nachrichten, Preis- und Marktdaten - auch in der App.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.