Systemische Mängel in der Lebensmittelsicherheit offenbart nach Einschätzung der SPD die Verunreinigung von Ware der hessischen Fleisch- und Wurstwarenfabrik Wilke mit gesundheitsgefährdenden Listerien‑Keimen.
Die ernährungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Ursula Schulte, forderte in der vergangenen Woche Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zum Handeln auf. Die SPD-Politikerin erinnerte an den Koalitionsvertrag, in dem bereits notwendige Maßnahmen vereinbart seien. Sie nannte eine bessere Vernetzung der Kontrollinstanzen, eine sachgerechte Kontrolldichte, eine schnelle Reaktion im Krisenfall und eine Regelung zur verbraucherfreundlichen Information über Lebensmittelkontrollergebnisse. Dies müsse jetzt zügig umgesetzt werden.
Ihrer Auffassung nach sollte ein Hygienebarometer die Verbraucher direkt vor Ort, im Lebensmittelladen oder Restaurant informieren. Dringend erforderlich sei zudem eine gemeinsame Bund-Länder-Plattform „Lebensmittelkontrolle.de“. Ähnlich wie auf der Internetseite für gesundheitsgefährdende Produkte „lebensmittelwarnung.de“ sollten die Länder der Parlamentarierin zufolge in verbraucherfreundlicher Form auffällige Kontrollergebnisse ins Netz stellen. Schließlich fordert Schulte eine effektivere Vernetzung der Länderkontrollinstanzen mit dem Bund.
Hinz erstattet Bericht
Unterdessen hat Hessens Verbraucherschutzministerin Priska Hinz in einer Sitzung des Umweltausschusses im Landtag in der vergangenen Woche über den aktuellen Stand und die weitere Aufklärungsarbeit im Fall „Wilke-Wurst“ informiert.
„Die Zustände, die bisher im Betrieb Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren aufgedeckt wurden, sind schockierend. Dass wir den Betrieb geschlossen haben, war richtig und wurde vom Verwaltungsgericht Kassel am Montag bestätigt“, erklärte die Ministerin. Nach Rücksprache mit ihren Amtskollegen scheine der Rückruf der Waren bundesweit reibungslos zu verlaufen.
Die von Verbraucherschützern geforderte Veröffentlichung einer vollständigen Liste der betroffenen Handelswege und Einzelhandelsverkaufsstellen könne nicht erfolgen, da diese den Behörden nicht vorliege, erläuterte die Ministerin. Sie habe auch nicht zu spät reagiert, denn als Mitte September konkrete Hinweise vorgelegen hätten, dass von Wilke-Produkten eine Gefahr wegen Listerien ausgehen könne, sei umgehend mit dem Landkreis Waldeck-Frankenberg als zuständiger Überwachungs- und Kontrollbehörde das weitere Vorgehen besprochen worden. Als es trotz erneuter Reinigungen und Desinfektionsmaßnahmen nicht gelungen sei, die Lage in den Griff zu bekommen, sei der Landkreis am 1. Oktober zur Schließung des Betriebes gedrängt worden.
Hinz räumte auch „Unstimmigkeiten“ der Behörden ein. So habe das Ministerium erst im Nachgang von baulichen Mängeln bei Wilke erfahren, und eine gemeinsam geplante Betriebskontrolle des Regierungspräsidiums Kassel und des Landeslabors Hessen sei allein vom Landkreis durchgeführt worden. Diese Vorgänge würden nun aufgeklärt, versprach die Ressortchefin.
foodwatch fordert Reform des Lebensmittelrechts
Aus Sicht der Verbraucherschutzorganisation foodwatch greift es zu kurz, zur Bewertung des Listerien-Skandals allein auf ein Versagen der Kontrollen zu verweisen. foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker forderte Klöckner zu einer substanziellen Reform des Lebensmittelrechts auf. Denn der Wilke-Fall zeige, wie vergangene Skandale von Dioxin über Pferdefleisch bis Fipronil, dieselben Gesetzeslücken und Schwachstellen im Lebensmittelrecht auf. Diese bestünden beispielsweise in der unzureichenden, lückenlosen Rückverfolgbarkeit.
Nach Skandalen könnten die Behörden Lieferwege gar nicht oder nicht angemessen schnell genug nachvollziehen, um die Verbraucher zu warnen. Klöckner müsse deshalb Instrumente für die Zusammenarbeit von Behörden bei der Rückverfolgbarkeit entwickeln, was eine Bundesaufgabe sei. Zudem müssten die Behörden verpflichtet werden, die Öffentlichkeit über gesundheitsgefährdende Lebensmittel zu warnen - ohne zeitlichen Verzug, ohne Ermessensspielraum und mit allen nötigen Informationen wie Produkt-, Markennamen und Verkaufsstellen.
Drittens sollten der Handel und andere Abgabestellen verpflichtet werden, Lebensmittelwarnungen an ihre Kunden weiterzureichen. Bei Rückrufen seien vor allem die Hersteller in der Informationspflicht, nicht jedoch Abgabestellen mit Kunden wie Läden oder Kantinen. Diese sollten gesetzlich verpflichtet werden, Rückrufe von Lebensmitteln aus ihrem Sortiment auf allen verfügbaren Kanälen an ihre Kunden weiterzuleiten, um diese zu warnen, so Rücker.