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Kaputte Straßen: Ist Schotter der bessere Weg?

Lesezeit: 10 Minuten

Marode Asphaltstraßen und leere Kassen: Durch Fräsen lassen sich marode Schwarzdecken auch in günstige Schotterwege umwandeln. Was bringt das Verfahren und wo sind die Grenzen?


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Das Problem wächst: Zwischen den 60er- und frühen 80er-Jahren sind meist im Zuge von Flurbereinigungen in den Feldmarken viele Asphaltstraßen gebaut worden. Heute fehlt das Geld, die immer schlechteren Wege wieder auf Vordermann zu bringen. Schlaglöcher, abgesackte Banketten, tiefe Risse. Viele Gemeinden oder Wegebauverbände wissen nicht, wo sie zuerst beginnen sollen. Meist bleibt es bei eher kosmetischen Maßnahmen. Entweder rückt der Bauhof mit einer Fuhre Kaltasphalt aus und stopft die Schlaglöcher. Spätestens nach dem nächsten Winter geht es wieder von vorne los. Oder es stehen nur Mittel für ein kurzes Teilstück zur Verfügung, das dann sehr aufwendig saniert wird: auskoffern, neuer Unterbau, neue Gräben usw. Das sieht dann toll aus, doch für andere Stellen fehlt dann komplett das Geld.


Gibt es Alternativen? Muss man wirklich das hinterste Flurstück über eine Asphaltdecke mit Autobahnqualität erreichen? Oder ist es vielleicht sogar sinnvoller, manche Straßen in Schotterwege umzuwandeln, die sich dann leichter und vor allem günstiger pflegen lassen?


Asphalt zu Schotter:

Wir haben uns mit zwei Lohnunternehmern getroffen, die eine recht neue Form des Wegebaus im Angebot haben. Anders als beim klassischen Straßenbau fräsen sie die Straßendecke mit dem Schlepper an Ort und Stelle und bauen den Weg so neu auf.


Holger Trautwein aus Steinheim, Baden-Württemberg, beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Thema Wegebau. Nachdem er zunächst eine Fräse aus Italien einsetzte, gründete er zusammen mit dem Unternehmer Helmut Nafzger die HEN-AG. Dort bauen ca. 16 Mitarbeiter heute die Spezialmaschinen für Wegebau und Pflege, die Holger Trautwein mittlerweile einsetzt. Zusammen mit Helmut und Peter Nafzger hat uns Trautwein die Grundsätze und Schwierigkeiten bei der Wegepflege erläutert.


Mit ähnlicher Technik ist auch Lohnunternehmer Hermann Kestermann aus dem münsterländischen Emsdetten unterwegs. Auch er hatte bereits Aufträge von Kommunen, Asphaltstraßen in Schotterwege umzuwandeln. Er hat festgestellt: Das Interesse von Gemeinden bzw. Wegebauverbänden steigt. Holger Trautwein hat in Bayern mittlerweile auch für die dort zuständigen Jagdgenossenschaften gearbeitet.


Risse, Wasser und Löcher:

Dass die Straßen nicht mehr halten, sieht man mittlerweile an vielen Stellen. Die Ursachen für die Schäden sind vielschichtig. Tragfähigkeit und Breite der Straßen sind begrenzt. Beim Bau wurde damals meist nur die oberste Schicht Mutterboden abgeschoben. Auf 10 cm Schotterschicht kamen anschließend 10 cm Asphalt. Die Decken sind meist 3 m breit und je nach Region schließen sich direkt seitliche Gräben an.


Vor allem in den letzten zehn bis zwanzig Jahren sind die Belastungen der Straßen deutlich gestiegen. In vielen Regionen werden die Felder intensiver bewirtschaftet und größere Mengen transportiert – ein Trend, der nicht zuletzt durch Biogas und intensivere Tierhaltung beschleunigt wird. Die Fahrzeuge werden schwerer. Wenn die Bereifung stimmt, muss sich das nicht zwangsläufig auf den Weg auswirken. Doch vor allem durch breite (Ernte-)Maschinen steigt die Belastung an den Rändern der Decke. Die Banketten halten nicht, teils verschiebt sich das Material Richtung Graben. Risse entstehen.


Der zunehmende Einsatz von Lkw mit härteren Straßenreifen und höheren Geschwindigkeiten führt zu Schäden in den Fahrspuren. Lkw und ihre Auflieger verursachen in Kurven Verschiebungen. Auch durch Abbremsen an Kreuzungen verschiebt sich Material, es entsteht häufig eine Waschbrett-Struktur.


Durch Risse dringt Wasser in die Decke ein. Vor allem wenn die Banketten nicht gepflegt sind, läuft das Wasser nicht mehr schnell genug in die Gräben ab. Es hat Zeit, den kompletten Wegekörper zu durchfeuchten und sich dort zu sammeln. Bei vielen älteren Straßen fehlt eine Frostschutzschicht, das Wasser läuft nur langsam weiter nach unten ab. Frost vergrößert die Risse.


Vielfach steckt unter dem Asphalt kein ordentlicher Schotter, sondern eher minderwertiges Material. Hier wandern größere Steine durch Frost und Wasser mit den Jahren nach oben und durchstoßen die Verschleißschicht. Jetzt dringt noch mehr Wasser ein. Die ersten Schlaglöcher bilden sich. Durch Wasser geht dort die Verzahnung des Materials verloren, das Feinmaterial wäscht aus, die Löcher werden immer größer.


Hier bringt es nichts mehr, die Löcher einfach zu stopfen. Denn das neu eingebrachte Material kann sich nicht mehr mit dem Weg verzahnen, die Füllung hält nicht.


Einfacher fräsen?

Zur Sanierung der Wege gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die radikale Methode ist der komplett neue Aufbau durch Auskoffern, eventuellen Einbau eines Gewebes (Geotextil) und Einbringen von neuem Material für Trag-, Frostschutz- sowie Deckschicht. Dazu fehlt oft das Geld. Außerdem gibt es ein weiteres, oft unerwartetes Problem: Enthält der alte Asphalt z. B. Teer oder der Unterbau Hochofenschlacken, muss das ausgekofferte Material als Sondermüll entsorgt werden, die Kosten steigen weiter.


Die Methode von Trautwein und Kestermann setzt auf das Recycling vor Ort per Fräse. Es fallen meist keine zusätzlichen Kosten für Transport oder Entsorgung an.


Es gibt verschiedene Hersteller und Typen von Fräsen – und teils auch unterschiedliche Philosophien. Die beiden Lohnunternehmer setzen Maschinen mit langsam laufenden Rotoren ein. Die Fräsen sind zwischen 1,80 m und 2,30 m breit. Der Leistungsbedarf liegt bei 120 bis 350 PS. Die Arbeitstiefe bewegt sich normalerweise zwischen 10 und 35 cm. Der HEN-Maschinenname „RBM“ fasst die Funktionen zusammen: Recyceln, Brechen, Mischen. Hermann Kestermann setzt die Maschine auch auf alten Feld- und Waldwegen ein, die vielfach aus Bauschutt gebaut wurden: Die oft groben Steine, die diese Wege schwer passierbar machen, lassen sich so komplett zerkleinern.


Beim Bearbeiten von Asphaltstraßen folgen im System auf die Überfahrt mit der Fräse noch zwei Durchgänge mit einem Pflegegerät, das für die Deckschicht und das passende Gefälle sorgt sowie den Weg verdichtet. Das Frässystem bietet unterschiedliche Möglichkeiten, die vom Zustand des Weges und vom Ziel des Auftraggebers abhängen:


  • Ist nur die Asphaltschicht beschädigt und der Unterbau noch tragfähig?
  • Reicht eine wassergebundene Deckschicht oder wird wieder asphaltiert?
  • Gehen die Schäden tiefer und muss der Unterbau stabilisiert werden?


Im günstigsten Fall ist der Unterbau noch tragfähig und der Weg soll in einen Schotterweg umgewandelt werden. Hier fräsen die Unternehmer nur bis auf Asphalttiefe. Der Unterbau wird nicht angetastet (ca. 10 cm). Durch die relativ niedrige Rotordrehzahl soll das Material nicht zu stark zerkleinert werden, Ziel ist eine 0/45er-Kornlinie, die sich später gut verzahnt. Ein Kamm hinter dem Rotor verhindert, dass größere Brocken durchrutschen. Das funktioniert auch mit anderen Materialien, wie z. B. HGT (Schotter-Zement) oder sogar Beton.


Pflege mit der Fräse:

Ist die Decke zerkleinert, folgen Überfahrten mit dem Pflegegerät. Hier sind die Meißel spiralförmig angeordnet. Sie sollen das Material nicht weiter zerkleinern, sondern etwas sortieren (Feines nach oben, Grobes nach unten) und 3 bis 5 % Gefälle zur Seite hin aufbauen. Den Abschluss macht der hydraulische Plattenverdichter hinter dem Rotor. So stellen die Unternehmer eine wassergebundene Deckschicht und ein Dach- bzw. Schrägprofil her, die das Eindringen von größeren Wassermengen verhindern.


Wichtig für die Haltbarkeit der neuen Deckschicht ist Feuchtigkeit. Wenn es sehr trocken ist, lässt sich der neue Weg erst nach einigen Taunächten voll belasten. Oder die Unternehmer bringen nach dem ersten Fräsen Wasser mit dem Güllefass auf den Weg und beschleunigen so das Abbinden.


Keine Frage, ein Schotterweg hat einige Nachteile. Der Freizeitwert nimmt ab, die Straße ist z. B. für Inliner nicht mehr nutzbar (was Landwirte nur bedingt bedauern dürften). Bei trockener Witterung ist die Staubentwicklung deutlich höher, das stört vor allem Anwohner. Außerdem geht durch schnelle Fahrzeuge Feinmaterial verloren, das für die Verzahnung in der Deckschicht wichtig ist. Damit das Ausstauben nicht überhandnimmt, sollte auf solchen Straßen ein (freiwilliges) Geschwindigkeitslimit gelten. Starke Verschmutzungen, z. B. nach der Maisernte, lassen sich schlechter entfernen. Der restliche Schmutz bleibt und fährt sich fest.


Weil die Deckschicht nur durch Feinanteil und Feuchtigkeit bindet, muss sie regelmäßig gepflegt werden. Allerdings ist die Pflege relativ einfach. Hier setzen die beiden Unternehmer auf das Pflegegerät mit Rotor und nicht etwa auf einen Gräder. Nach Erfahrungen von Holger Trautwein und Hermann Kestermann ist der Grädereinsatz zwar einfach und günstig. Doch Schlaglöcher werden nur zugeschoben. Das Material verzahnt sich dann kaum mit dem ausgewaschenen Boden der Löcher. Außerdem kann das Wasser in den verdichteten Löchern nicht nach unten weg. Dann wird die Füllung bei Regen fast flüssig und die Pflegemaßnahme wirkt nur kurz.


Erheblich besser ist es, das Material wieder neu zu durchmischen und dann so zu sortieren, dass die feine Fraktion oben liegt (Umkehrfräse). Dabei darf es nicht weiter zerkleinert werden.


Trautwein hat einen weiteren Nachteil bei häufigerem Grädereinsatz ausgemacht: Weil das Material vor dem Schild her rollt, werden die Kanten der Partikel nach und nach runder, die Fähigkeit zur Verzahnung nimmt ab.


Bei jeder Wegepflege muss auch die Bankette kontrolliert werden: Hat das Wasser freie Bahn in den Graben? Dickere Grünstreifen in der Fahrbahnmitte müssen vorher per Bagger abgezogen werden.


Asphalt auf Wunsch:

Das Fräsverfahren ermöglicht auch den Einsatz anderer Materialien als Deckschicht. Wenn das Budget vorhanden ist, kann eine neue Schwarzdecke aufgebracht werden. Das ist heute meist ein Kombimaterial (0/16), der klassische Aufbau von getrennten Trag- und Verschleißschichten ist meist zu teuer.


In Landschaftsschutzgebieten sind neue Schwarzdecken heute oft tabu. Eine Alternative zu wassergebundenen Deckschichten und Asphaltdecken können hier aufgespritzte Bitumendecken (2 bis 3 cm) mit einer Splittschicht aus örtlichem Gestein sein. Das sieht dann wie ein Schotterweg aus, ist aber haltbarer.


Häufig ist der Unterbau nicht mehr tragfähig. Das bedeutet entweder komplettes Auskoffern des Weges oder den Einsatz von zusätzlichen Stabilisatoren auf Kalk- oder Zementbasis im Fräsverfahren. Die Grundlage dafür kann auch ein geologisches Gutachten sein.


Das Material wird nach dem ersten Fräsdurchgang aufgebracht und dann auf gleicher Tiefe mit der Fräse eingearbeitet. Falls erforderlich, kann auch zusätzlicher Schotter eingebracht werden. Trautwein und Kestermann haben Schotter z. B. auch am Rand zum Stabilisieren der Banketten eingefräst.


In vielen Fällen machen bei aufwendiger stabilisierten Wegen festere Deckschichten (Asphalt oder Bitumen) den Abschluss. Das ist nicht unbedingt notwendig, allerdings kann sich auf wassergebundenen Decken eines stabilisierten Weges bei Regen eventuell eine Schmierschicht bilden.


Wie hoch sind die Kosten?

Die Kosten richten sich stark nach dem Zustand der Straße, dem Aufwand und der Art der nachfolgenden Deckschicht. Lohnunternehmer Trautwein hat uns ein paar Eckwerte für eine Straße mit intaktem Unterbau genannt. Das erste, tiefere Durchfräsen kostet bis maximal 3 000 € pro Kilometer Standardstraße. Der anschließende Einsatz des Pflegegeräts, also der Aufbau von Profil und Deckschicht, kostet rund 1 000 € pro km fertige Straße, je nach Aufwand.


Auch die Leistung des Verfahrens richtet sich nach den örtlichen Bedingungen. Bei der Pflege schaffen die Unternehmer rund 2 bis 3 km am Tag. Soll der Weg komplett neu aufgebaut werden, sind 1 000 m pro Tag das Limit.


Nach der Recherche für diesen Beitrag haben wir uns bei Gemeinden in NRW umgehört: Die Kosten für die klassische, dann allerdings komplette Sanierung von asphaltierten Wirtschaftswegen liegen dort zwischen 40 000 und 50 000 € pro Kilometer.

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