Ist das die Zukunft? 200 PS aus nur vier statt der bisher üblichen sechs Töpfen? Nach den Konzernschwestern Valtra und Massey Ferguson folgt nun auch Fendt dem Trend, in der „mittleren Liga“ bis rund 200 PS Motorleistung einen Vierzylinder anzubieten.
Mit dem 600er schließt Fendt die Lücke zwischen dem 500er- und 700er-Vario. Was spricht für einen Vierzylinder, der immerhin in der Größenklasse des damaligen 820ers spielt? Wir konnten uns ein Bild vom neuen Schlepper beim Schwaden mit dem Vierkreisel sowie bei der Ernte mit einem 38 m³ großen Kurzschnittladewagen machen.
Schnell gelesen
Mit dem 600er-Vario ist Fendt erstmals mit einem Vierzylinder über 200 PS Motorleistung unterwegs.
Das Triebwerk stammt aus dem eigenen Konzern und hat 5,0 l Hubraum.
Beim Getriebe setzen die Marktoberdorfer auf den stufenlosen Fahrantrieb VarioDrive, der ohne die bisher bekannten zwei Fahrstufen auskommt.
Die Nutzlast des 600ers ist enorm. So sind bei einem Eigengewicht von 7,7 t und einer zulässigen Gesamtmasse von 13,5 t satte 5,8 t Zuladung möglich.
Aus dem eigenen Haus
Beim 600er-Vario gibt es die Auswahl zwischen vier Modellen von 110 kW/149 PS (614 Vario) bis 154 kW/209 PS (620 Vario). Mit Dynamic Performance (DP) legen die Triebwerke nochmals bis zu 15 PS obendrauf – auch im Stand. Das System stellt die Mehrleistung dabei nicht nur für Zapfwellen- oder Transportarbeiten zur Verfügung, sondern auch „dynamisch“, wenn Nebenverbraucher wie der Kühler, die Klimaanlage oder die Hydraulikpumpe dem Motor mehr abverlangen.
Unter der Haube werkelt der konzerneigene AgcoPower Core50-Motor mit 5,0 l Hubraum. Dieser ist bisher nur beim 600er im Einsatz. Der Vier zylinder des 620 Vario soll laut technischer Daten auf ein maximales Drehmoment von 950 Nm zwischen 1.200 und 1.600 Motorumdrehungen kommen.
Auf der Straße, aber auch beim Feldeinsatz zeigte sich der Vierzylinder spritzig. Die Nenndrehzahl haben die Ingenieure beim Core50 auf 1.900 U/min eingestellt, um Kraftstoff zu sparen.
Zur Abgasnachbehandlung ist der Vierzylinder mit einem Dieseloxidationskatalysator (DOC), einem Dieselpartikelfilter (DPF) sowie der selektiven katalytischen Reduktion (SCR) ausgestattet. Eine Abgasrückführung braucht es dabei für die Abgasstufe V nicht.
Ohne Stufe
Beim 600er setzt Fendt auf den stufenlosen Antrieb VarioDrive TA150. Das Getriebe hat nur einen Fahrbereich, man muss also nicht mehr stehen bleiben und schalten – schön, gerade für den häufigen Wechsel zwischen Feld und Straße. Die Vorderachse wird separat über einen Hydromotor angetrieben. Die Leistung des Dieselmotors verteilt sich dabei automatisch auf beide Achsen. Bei Straßenfahrten koppelt sich der Hydromotor der Vorderachse ab 25 km/h aus, die Antriebsleistung landet ausschließlich auf der Hinterachse.
Vergebens sucht man beim VarioDrive den Allradknopf. Ein intelligentes Längsdifferential schließt und öffnet je nach Druck im Getriebe eine mechanische Verbindung zwischen Vorder- und Hinterachse und soll damit bei schwerer Ackerarbeit Kraftstoff sparen.
Auf der Straße erreichte der Schlepper laut Anzeige maximal 54 km/h und das bei nur 1.300 Motorumdrehungen. 40 km/h sind bereits bei 1.100 U/min möglich. Auffällig war bei Fahrten mit vollem Wagen, dass die Steuerung etwas brauchte, um nach dem Beschleunigen die Motordrehzahl wieder auf 1.300 U/min herunterzuregeln. Diese Einstellung soll laut Fendt ein Aufschwingen des Motors verhindern.
Viel bewegen
Der 600er-Vario hat einen Radstand von 2,72 m. Auf diesen Abstand setzten die Marktoberdorfer bereits beim Sechszylinder 820 Vario. Trotzdem schafft es Fendt beim neuen Schlepper auf einen äußeren Spurkreisradius von nur 10,10 m bei Vorderrädern der Größe 540/65 R30.
Auf dem Feld merkt man deutlich, wie der Allradantrieb den Schlepper um die Kurve „zieht“. Gerade bei den Einsätzen mit dem Schwader konnten wir stark einschlagen, somit die Ecken sauber mitbearbeiten und das ohne Narbenschäden – top.
Das zulässige Gesamtgewicht des Schleppers liegt bei 13,5 t. Auf die Waage bringt die Maschine laut technischer Daten rund 7,7 t, was 5,8 t Nutzlast bringt. Auf der Hinterachse sind maximal 1,95 m hohe Reifen möglich, die voll integrierte Reifendruckregelanlage VarioGrip gibt es auf Wunsch ab Werk. Außerdem dürfen beim 600er-Vario auf der K80 maximal 4 t Stützlast liegen – das gab es bei einem Vierzylinder von Fendt so noch nicht.
Der Kraftheber stemmt laut Fendt 9,8 t hinten, vorne sind es rund 4,4 t. Das wird für eine schwere Drillkombination sicher reichen. Bei der Ölpumpe gibt es verschiedene Ausführungen. Standard ist eine 152 l-Axialkolbenpumpe, optional sind bis zu 205 l/min möglich. Bei einer entnehmbaren Ölmenge von 65 l sollten sich auch große Mulden noch kippen lassen – sehr gut.
Bekannter Arbeitsplatz
Der Aufstieg zur Kabine ist wie gewohnt gut. Auch der Fahrerstand ist bekannt. Die VisioPlus-Kabine bietet eine gute Sicht auch auf Frontlader-Arbeiten, was für den 600er sicherlich ein wichtiges Aufgabengebiet sein kann. Die FendtOne-Bedienung ist bekannt. Gut gefallen hat uns in diesem Zusammenhang die freie Belegung von Fahrhebel und 3L-Joystick für die Isobus-Funktionen des Fendt Former 14055 Pro-Schwaders. Mehr zu dieser Maschine lesen Sie demnächst in der top agrar.
Auffällig ist die schmale und vor allem stark nach vorne herabfallende Motorhaube. Das soll eine gute Sicht auf Frontgeräte bringen. Die Rundumsicht hat uns beim 620 gefallen. Vom Fahrerstand hat man die Hauptarbeitsbereiche gut in Sicht.
Die ersten Praxiseindrücke
In den zwei Testtagen überzeugte der 600er-Vario bei den Grünlandeinsätzen. Sicherlich ist die Arbeit mit dem Vierkreisel für einen Schlepper mit 200 PS keine Herausforderung – hier konnte er aber in Sachen Wendigkeit punkten.
Vor dem Jumbo-Ladewagen von Pöttinger hingegen musste der Schlepper zeigen, was in ihm steckt. Im schweren und nassen Herbstgras kam er mit den Bedingungen gut zurecht. Das Triebwerk hielt die Drehzahl beim Laden stabil, der Schlepper wurde bei hoher Belastung entsprechend langsamer.
In Grundausstattung kostet der Fendt 620 Vario rund 267.000 €. Ist die Maschine – wie unser Testschlepper – nahezu voll ausgestattet (ohne Frontladervorbereitung und Reifendruckregelanlage) sind es satte 302.000 €.
Bleibt die Frage, wie sich der 620 im Vergleich zum 700er schlägt. Das wollen wir im kommenden Jahr zusammen mit Fendt ausführlich unter die Lupe nehmen. Wir sind auf jeden Fall schon gespannt.