Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) wird sich voraussichtlich dafür aussprechen, Kalkstickstoff als Düngemittel zu verbieten. Folgt die EU-Kommission dieser Empfehlung, könnte sich dies auch auf andere Stickstoffdünger auswirken.
Nach Ansicht der ECHA, die für die EU Chemikalien hinsichtlich ihres Gefährdungsgrades bewertet, beeinflusst die Anwendung von Kalkstickstoff Wasser- und Bodenorganismen negativ. Zunächst handelt es sich hierbei noch um eine vorläufige Einschätzung, die Ende des Jahres konkretisiert werden soll. Sollte die EU-Kommission allerdings ein Verbot beschließen, könnte dies fatale Folgen haben. „Denn mit dem kleinen, vermeintlich unbedeutenden Dünger Kalkstickstoff würde hier ein Präzedenzfall für die künftige Bewertung aller anderen Mineraldünger geschaffen. Dann würden die meisten anderen Düngemittel bei einer solchen Bewertung ebenso als Risiko für die Umwelt eingestuft werden und müssten nach dem Prinzip der Gleichbehandlung vom Markt genommen werden“, befürchtet Dr. Hans-Jürgen Klasse von AlzChem.
Hintergrund der Bewertung der ECHA ist unter anderem, dass eines der Abbauprodukte des Kalkstickstoffes Bodenorganismen hemmt. Dabei handelt es sich um Dicyandiamid (DCD). DCD ist ein zugelassener Nitrifikationshemmer. Dass dieser die Bodenorganismen hemmt, um den Ammoniumabbau zu Nitrat zu verlangsamen, ist bekanntermaßen erwünscht. Weil die Beurteilung der ECHA aber vorrangig darauf fußt, Veränderungen naturnaher Ökosysteme durch Chemikalien grundsätzlich zu verhindern, könnte dieser Ansatz weitreichende Konsequenzen für andere Düngemittel haben, da eine Düngung immer die biologischen Prozesse im Boden beeinflusst.
Kalkstickstoff ist ein langsam wirkender Stickstoffdünger mit zusätzlicher Kalkwirkung. Weil er vergrämend gegen Drahtwürmer wirkt, greifen häufig Kartoffel- und Spargelanbauer auf ihn zurück. Aufgrund solcher Nebenwirkungen stellt die ECHA auch den Düngemittelcharakter von Kalkstickstoff infrage und schlägt eine Einstufung als Pflanzenschutzmittel vor. Allerdings kommt er auch als Unterfußdünger im Ackerbau sowie breitflächig in vielen Gemüsekulturen zum Einsatz. Insgesamt verbrauchen europäische Landwirte jährlich 53000 t Kalkstickstoff. Der weitaus größere Teil geht u.a. in die Eisen- und Stahl- sowie die Pharmaindustrie.