Das ist ein schwerer Schlag für alle Ackerbauern: Die Genehmigung für den Wirkstoff Flufenacet, der in vielen wichtigen Herbstherbiziden wie Herold SC, Cadou SC oder Malibu enthalten ist, wird in Europa voraussichtlich nicht erneuert. Das folgt aus der turnusmäßigen Neubewertung des Wirkstoffs durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). In dem Zuge wurde festgestellt, dass Flufenacet unter die Ausschlusskriterien der Zulassungsverordnung (EG) Nr. 1107/2009 fällt. Nun entscheidet ein Ausschuss auf EU-Ebene (ScoPAFF) darüber, ob der Wirkstoff noch eine Zukunft hat oder nicht.
Sollte das nicht der Fall sein, werden laut eines von der EU festgelegten Prozederes Abverkaufsfristen (sechs Monate) und Aufbrauchfristen (meist 18 Monate) festgesetzt. Das heißt: Würde der Wirkstoff nicht mehr genehmigt – mit einer Entscheidung ist frühestens im Dezember zu rechnen – ließe sich Flufenacet voraussichtlich noch bis Juli 2026 anwenden.
Deutsche Umwelthilfe fordert sofortiges Verbot
Der Verein „Deutsche Umwelthilfe“ hat nun allerdings das für Pflanzenschutzmittelzulassungen zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) dazu aufgefordert, die Zulassungen betroffener Produkte sofort aufzuheben. Notfalls will sie ein gerichtliches Eilverfahren einleiten, um das Verbot durchzuboxen.
Betroffen wären laut BVL 36 Mittel, die den Wirkstoff enthalten. Davon bestehen
13 Herbizide nur aus Flufenacet (Cadou SC, Fence, Vulcanus, Sunfire u. a.) und
23 Herbizide aus Flufenacet + mindestens einem oder zwei Partnern (Herold SC, Battle Delta, Malibu, Pontos u. a.)
Genehmigt ist der Wirkstoff in Wintergetreide, Mais (Aspect), Kartoffeln (Artist) und Soja (Artist).
Sollte die Behörde die Zulassungen von Amts wegen tatsächlich widerrufen, dürften deutsche Landwirte diese Produkte direkt nicht mehr anwenden.
Welche Folgen hätte ein Wegfall?
„Ohne den Wirkstoff fällt die ganze Basis an Bodenherbiziden im Getreide weg“, so Dr. Dirk Wolber von der LWK Niedersachsen. Er skizziert die Auswirkungen wie folgt:
Bei einem Wegfall blieben gräserwirksame Herbizide mit den Wirkstoffen Pendimethalin, Prosulfocarb, Aclonifen und Chlortuloron übrig. Diese sind bei der EU-Genehmigung allerdings als sogenannte Substitutionskandidaten gelistet und könnten somit ebenfalls in den Jahren 2024 bis 2027 wegfallen. Weiterhin einsetzbar wären zwar die ALS- und ACCase-Hemmer, die aber stark resistenzgefährdet sind.
Wäre Flufenacet vom Markt, würden die Substitutionskandidaten in den künftigen Herbizidempfehlungen verstärkt zum Einsatz kommen – entweder in Kombinationen oder in Spritzfolgen. Voraussichtlich würden insbesondere Pendimethalin und Prosulfocarb stärker verwendet, wobei letzterer stark abdriftgefährdet ist.
Die Ungrasprobleme werden sich verschärfen
Welche Probleme sich ohne einen effektiven Bodenherbizideinsatz ergeben – so Wolber weiter – ließ sich erst im letzten Herbst feststellen. Vielerorts war ein Herbizideinsatz aufgrund heftiger Regenfälle nicht möglich. Die Folge war in diesem Sommer nicht zu übersehen: Vielfach überragte z. B. Ackerfuchsschwanz die betroffenen Flächen.
Wie häufig Unkraut- und Ungrasarten mittlerweile generell in Niedersachsen vorkommen, zeigt eine Auswertung der LWK Niedersachsen von 244 Herbizidversuchen der Jahre 2018 bis 2020. Es wurden nur Versuche erfasst, bei denen ein Unkrautdeckungsgrad der einzelnen Arten von über 5 % in den Kontrollen vorlag.
Die Ergebnisse: Insgesamt ließen sich 39 Arten erfassen. Unter den Top 10 befinden sich Ackerfuchsschwanz, Stiefmütterchen, Windhalm, Echte Kamille, Vogelmiere, Klettenlabkraut, Vergissmeinnicht, Klatschmohn, Wiesenkerbel und Kornblume.
Auffällig ist, dass Weidelgras im Jahr 2020 noch kaum festzustellen war – das hat sich nun geändert. Deutsches und Welsches Weidelgras werden bundesweit zunehmend gefunden und weisen bereits starke Resistenzen gegenüber ACCase- und ALS-Hemmern auf.
Zwischenfazit: Die Beobachtungen der letzten Saison und der Versuch zeigen, dass insbesondere die Ungrasprobleme schon jetzt enorm sind. Würde nun noch Flufenacet wegfallen, wären die Probleme kaum oder gar nicht mehr händelbar.
Thüringen: Kaum Erfahrungen ohne Flufenacet
Welche Folgen ein Verbot hätte, stellte auch Katrin Ewert vom Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) kürzlich vor:
Gegen die in Deutschland bedeutendsten Ungräser Ackerfuchsschwanz, Windhalm und Weidelgras wirken Alternativen zu Flufenacet schlechter – das zeigen Versuchsergebnisse des TLLLR (siehe Übersicht 1). Zudem sind teils verschärfte Anwendungsbestimmungen zu beachten.
Die gesamte Empfehlung der Offizialberatung der Bundesländer Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, um Ackerfuchsschwanz im Herbst in Getreide zu bekämpfen, basiert zurzeit auf Flufenacet. Von der TLLLR geprüfte Alternativen wirken gegen das Problemungras Nr. 1 schlechter, wie Übersicht 2 zeigt.
Auch die Strategien gegen Weidelgras , das sich in Thüringen und in anderen Regionen wie Sachsen und Hessen zunehmend ausbreitet, fußen auf den Wirkstoff.
Gegen Windhalm würde ein Verbot die Palette an Möglichkeiten ausdünnen. Dass es gegen dieses Ungras aber Alternativen gibt, zeigen Ringversuche der Länder Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Zwischenfazit: Die Ergebnisse aus Thüringen verdeutlichen, dass die Wirkungsgrade vor allem gegen Ackerfuchsschwanz und Weidelgras bei einem Verbot von Flufenacet sinken werden. Weil verbleibende Wirkstoffe neu kombiniert und in Spritzfolgen ausgebracht werden müssten, würden laut Katrin Ewert auch die Kosten steigen. Insgesamt gebe es noch zu wenig Erfahrungen mit flufenacetfreien Varianten.
Verbot würde Erträge senken und Resistenzen befeuern
Dass vor allem ein kurzfristiger Wegfall von Flufenacet Landwirte auf Standorten mit Ackerfuchsschwanz und Weidelgras hart treffen würde, davon ist auch Günter Klingenhagen von der LWK Nordrhein-Westfalen überzeugt. „Kombinationen aus Mateno Duo plus Jura oder Boxer sind gegen Fuchsschwanz zwar möglich, allerdings ist unseren Versuchsergebnissen zufolge die Kulturverträglichkeit schlechter“, so der Berater. „In Wintergerste können solche alternativen Mischungen die Erträge durchaus um 10 % reduzieren, in Winterweizen um ca. 5 %. Daher empfehlen wir den Einsatz solcher Kombinationen in Wintergerste nicht.“
Hinzu kommen – so Klingenhagen weiter – noch zwei weitere Aspekte:
Sollte Flufenacet nicht mehr verfügbar sein, wird ein funktionierendes Resistenzmanagement in der Ungraskontrolle nicht mehr möglich sein.
Bei den Alternativen wird ein Vielfaches an Wirkstoffmengen/ha benötigt. Das gilt auch für Windhalmstandorte. Ein Beispiel: 0,4 l/ha Herold SC enthalten 240 g/ha Wirkstoff, die Alternative Jura bei 3,0 l/ha dagegen 2.043 g/ha.
Steht der Wintergetreideanbau auf dem Spiel?
Von erheblichen Auswirkungen eines Flufenacet-Verbots spricht auch Prof. Dr. Friedrich Kerkhof von der FH Südwestfalen. „Fällt der wichtige Bodenwirkstoff weg, könnte die Verungrasung insbesondere mit Ackerfuchsschwanz und Weidelgras weiter stark zunehmen“, warnt der Wissenschaftler. Denn: Sinkt der Bekämpfungserfolg unter 97 %, baut sich Samenpotenzial im Boden auf. Geschieht dies öfter, nimmt der Ackerfuchsschwanzdruck auf der Fläche über die Zeit extrem zu. Das kann laut Kerkhof dazu führen, dass der Anbau von Wintergetreide auf Problemstandorten bald nicht mehr möglich ist.
Weil es vor allem in Wintergerste zurzeit kaum wirkungsvolle und verträgliche Alternativen zu Flufenacet gibt, würde der Anbau auf vielen Standorten auf der Kippe stehen. Zudem – so Kerkhof weiter – wird bei einem Verbot die Wirtschaftlichkeit des Winterweizenanbaus sinken, weil erweiterte Spritzfolgen schnell zusätzliche Kosten von über 100 €/ha verursachen können. „Viele Landwirte werden dann zudem ökonomisch schwächere Kulturen in ihre Fruchtfolgen integrieren müssen“, so der Wissenschaftler. Das hätte erhebliche wirtschaftliche Folgen für die Betriebe.
Das sieht auch Landwirt Hartmut Kümmerle so. „Flufenacet ist für uns ein äußerst wichtiger Baustein bei der Ungraskontrolle in Getreide und unverzichtbar für ein funktionierendes Resistenzmanagement“, sagt er. „Ohne Flufenacet steht unsere Ertragsgrundlage auf dem Spiel“. Auf unserem Betrieb – so der Landwirt weiter – setzen wir bereits viele Maßnahmen des Integrierten Pflanzenschutzes bei der Ungraskontrolle um, wie z. B. mechanische Verfahren (Striegel) oder späte Saattermine. „Doch das allein reicht gegen die Ungräser und Unkräuter nicht aus“, sagt er. Daher muss nach seiner Meinung die Nutzung von wirkungsvollen Bodenherbizidwirkstoffen wie Flufenacet im Rahmen des Integrierten Pflanzenschutzes möglich bleiben.
Ausblick
Die Versuchsergebnisse und Erfahrungen aus der Praxis zeigen, wie zentral die Rolle von Flufenacet in den Herbizidstrategien vor allem von Getreide zurzeit ist. Wichtig ist nun – und da sind sich die Beratung, Wissenschaft und die Landwirte einig – dass die Flufenacet-Bewertung dem „normalen“ EU-Prozedere folgt. Das heißt, dass im Falle einer Nicht-Genehmigung die entsprechenden Abverkaufs- und Aufbrauchfristen gelten.
Das BVL sollte dann Flufenacet-Alternativen (z. B. Luximo) zügig zulassen. Denn eins zeigen die Ausführungen deutlich: Auch eine Lücke an wirksamen Bodenherbiziden von nur einem Jahr hätte gravierende Folgen.