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Gehen Sie gegen den Drahtwurm strategisch vor!

Um Drahtwürmer in Schach zu halten, sind ackerbauliche Maßnahmen wichtig. Wie groß das Problem in der Praxis ist, und welche Strategien zu empfehlen sind, sagt Berater Christian Landzettel.

Lesezeit: 6 Minuten

Herr Landzettel, die Drahtwurm­schäden nehmen zu. Wie hoch ist das Schadpotenzial?

Landzettel: Weil Drahtwürmer nicht nur wenige Kartoffeln befallen, sondern bei hoher Populationsdichte sehr viele, können die Schäden enorm sein. Problematisch wird ein Befall vor allem dann, wenn die Fraßschäden tiefer reichen und man sie durch oberflächliches Schälen nicht mehr beseitigen kann. Leider ist es sehr aufwendig bis unmöglich, wurmstichige Knollen am Verleseband zu erkennen und auszusortieren, besonders im ungewaschenen Zustand. Auch fotooptische Verlesesysteme stoßen hier an ihre Grenzen.

Was bedeutet das konkret für die ­Vermarktung?

Landzettel: Bei einem Befall von bis ca. 20 % ist es bei sorgfältiger Sortierung möglich, die Partie soweit zu sortieren, dass man die Kartoffeln noch als Speiseware vermarkten kann. Doch je höher der Befall ist, desto schwieriger wird die Aufbereitung und desto eher steht die Vermarktbarkeit der Partie generell infrage. Die Abpacker verweigern dann die Annahme, was zur Folge hat, dass die Partie gegebenenfalls in die Flockenindustrie wandert oder zur Stärkegewinnung verwendet wird. Sind die Knollen so stark geschädigt, dass sie auch hier die Qualitätsanforderungen nicht erfüllen, landen sie im schlimmsten Fall im Futtertrog oder in der Biogasanlage.

Um das Problem der Drahtwürmer in den Griff zu bekommen, muss man sicherlich ihren Entwicklungszyklus kennen. Wie sieht dieser aus?

Landzettel: Der Drahtwurm ist die Larve des Schnellkäfers. In Deutschland haben wir es zumeist mit den Arten Agriotes obscurus und Agriotes lineatus zu tun. Diese Käfer beginnen mit der Eiablage meist im Mai oder Juni. Sie legen ihre Eier wenige Zentimeter unter der Bodenoberfläche ab, bevorzugt in der Nähe der Wurzeln beliebter Pflanzen wie Gräser. Nach einigen Wochen schlüpfen die Junglarven, die zunächst relativ unbeweglich sind und sich in der obersten Bodenschicht aufhalten. Während der Sommermonate nehmen sie Nahrung auf und werden kräftiger und robuster, bevor sie in den ersten Winter gehen, den sie in tieferen Bodenschichten überdauern.

Vom ersten zum zweiten Jahr nimmt das Schadpotenzial des Drahtwurms bereits deutlich zu. Zudem kann er sich schneller zwischen den Bodenschichten hin und her bewegen, z. B. wenn ungünstige Bedingungen an der Bodenoberfläche herrschen. Der Zeitraum, in dem Drahtwürmer ihren wesentlichen Schaden anrichten können, liegt stets in den Sommermonaten und kann von ca. Mitte März bis Anfang Oktober reichen. Insgesamt bleiben diese Drahtwürmer vier bis fünf Jahre im Boden, bevor sie sich verpuppen und ihrerseits als neue Schnellkäfer ausfliegen.

Welche Rolle spielt die Art der ­Be­wirtschaftung – also ökologisch oder konventionell?

Landzettel: Im Biolandbau haben wir in der Regel ein Brachejahr in der Fruchtfolge. Die Bodenoberfläche einer Brache ist meist schattig, feucht, kühl und grasnarbenartig und bietet daher ideale Entwicklungsbedingungen für die Eiablage und den Drahtwurm. Zudem sind vor allem eineinhalb bis zwei Jahre stehende Kleegrasbestände für sie sehr attraktiv, da diese lediglich gemäht oder gemulcht werden und keine störenden Eingriffe in den Boden erfolgen. Aber: Es entscheidet weniger die Frage ob biologisch oder integriert – vielmehr geht es um die Gestaltung der Fruchtfolge und die Taktung der dazugehörigen Bodenbearbeitung.

Damit zielen Sie auf ackerbauliche Maßnahmen zur Eindämmung des Drahtwurms ab, richtig? Welche sind die wichtigsten?

Landzettel: Eine zentrale Rolle spielt die Bodenbearbeitung. Vor allem während der Sommermonate kann man durch Eingriffe die Eiablage, die Eireife oder das Wachstum der Junglarven erheblich stören. Die Bodenbearbeitung kann zudem dazu führen, dass auch schon länger im Boden befindliche Drahtwürmer in ihrer Entwicklung erheblich beeinträchtigt werden. Eine der Schlüsselstellen ist die Stoppelbearbeitung nach Getreide: Zur Drahtwurmprävention sollten wir Zwischenfrüchte nicht direkt nach der Ernte säen, sondern mehrere Bearbeitungsgänge über etwa drei Wochen einplanen und erst dann säen! Dabei reicht es aus, die obersten Zentimeter zu bearbeiten – trocknet der Boden hier aus, dezimiert das die Drahtwürmer.

Müssen wir den Drahtwurmvermeiden, sollten wir den Boden jeden Sommer bearbeiten.
Landzettel

Welchen Einfluss hat die Fruchtfolge?

Landzettel: Insofern jede Kultur den Boden zu verschiedenen Zeiträumen unterschiedlich intensiv bedeckt und dabei eigene Ansprüche an die Bodenbearbeitung und kulturbegleitende Pflegemaßnahmen stellt, ist die Fruchtfolge ein weiteres wichtiges Mittel, um Drahtwurmbefall vorzubeugen. Kulturen, die den Boden lange offen und trocken halten, wie z. B. Mais, sind während dieser Zeit ganz natürlich weniger attraktiv zur Eiablage durch den Schnellkäfer. Grasnarbenartige und feuchte Bedingungen, wie sie im Frühjahr in jedem Getreide oder später in Zwischenfrüchten herrschen, fördern hingegen die Eiablage oder bieten den Larven optimale Entwicklungsbedingungen.

Über eine ausgeklügelte Fruchtfolge müssen wir zu einem zu Standort und Klimaraum passenden System von ­Bewuchs und Bodenbearbeitung kommen, das den Drahtwurm zu vermeiden hilft. Das zentrale Anliegen dabei: In jedem Jahr muss zwischen Mai bis September einmal eine intensive Störung der Drahtwurm-Populationsentwicklung herbeigeführt werden! Das kann durch die bereits erwähnte Phase intensiver Stoppelbearbeitung nach der Ernte erfolgen oder die Fläche ist durch eine im Frühjahr längere Zeit „offene“ Kultur wie Kartoffeln, Mais oder Soja nicht attraktiv zur Eiablage. Im Bioanbau verstärken wir dies noch durch die mechanische Unkrautregulierung. Bei allen Überlegungen zur Drahtwurmprävention mittels Bodenbearbeitung und Fruchtfolgetaktung müssen wir die behördlichen, förderrechtlichen Vorgaben beachten.

Sie haben verschiedene Arten ­erwähnt. Gibt es noch weitere, die Kartoffeln schädigen?

Landzettel: Leider ja –  das erschwert die Sache erheblich: Beschränken wir uns hier einmal auf die besonders erwähnenswerten Arten Agriotes ­ustulatus und vor allem Agriotes sordidus – die sich seit einigen Jahren ­zunehmend ausbreiten. Vor allem der wärmeliebende A. sordidus ist ein Profiteur des Klimawandels. Er entwickelt sich von Süd nach Nord zunehmend zur dominanten Art entlang des Rheins. Beide Vertreter haben eine kürzere Entwicklungszeit von oft nur zwei bis drei Jahren im Boden.

Unter günstigen Bedingungen führt dies zu einem im Vergleich zu A. obscurus oder A. lineatus schnelleren Populationsaufbau und einem entsprechend größeren Schadpotenzial. Da hier auch die Zeiträume für Käferflug, ­Eiablage und Larvenentwicklung etwas anders liegen, ist es gut zu wissen, mit welcher Art man es zu tun hat, um Fruchtfolge und Bearbeitung hieran anzupassen.

Gibt es bei Kartoffeln auch ­Sorten­unterschiede bezüglich der Drahtwurmanfälligkeit?

Landzettel: Ja, die gibt es, und sie sind zum Teil erheblich. Besonders anfällig sind z. B. die Sorte Allians und einige ihrer Nachkommen. Allerdings ist bis heute nicht eindeutig geklärt, was die Gründe für unterschiedliche Sortenattraktivitäten sind, es gibt jedoch eine Reihe möglicher Erklärungen dafür. Kartoffelerzeugern mit Drahtwurmproblemen empfehle ich daher, sich auch zu diesem Thema mit ihrem Berater oder den Züchterhäusern aus­zutauschen.

Welche Stellenwert räumen Sie Produkten wie Attracap oder Spintor GR für die direkte Bekämpfung ein?

Landzettel: Beide Produkte haben ihre Berechtigung. Aber um es gleich vorweg zu sagen: Mit diesen Mitteln allein ist der Drahtwurm nicht zu kontrollieren. Sie sind vielmehr das i-Tüpfelchen, das auf einer ausgeklügelten Fruchtfolge- und Bodenbearbeitungsstrategie aufsattelt.

Wenn auch die Wirkungsgrade meist nicht an die chemischer Wirkstoffe heranreichen, finde ich es höchst erfreulich, dass sich attract and kill-Verfahren auch mit rein biologischen Wirkstoffen durchaus wirksam gestalten lassen. Somit sind auch für den Biolandbau nutzbare Lösungen in diesem Bereich verfügbar.

Für die Zukunft bin ich optimistisch: Die bestehenden Lösungen werden weiterentwickelt und es dürften weitere auf den Markt kommen, denn Hersteller und Wissenschaftler forschen intensiv daran. Ich könnte mir auch vorstellen, dass die Produkte in Zukunft noch spezifischer auf die Drahtwurmarten abgestimmt werden.

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