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topplus Landwirtschaft im Dialog

Klimabilanzen: "Wir brauchen eine Branchenlösung"

Um Klimabilanzen für landwirtschaftliche Betriebe zu erstellen, fehlen bislang einheitliche Verfahren. Über Lösungsansätze wurde im Rahmen der Veranstaltung „Landwirtschaft im Dialog“ diskutiert.

Lesezeit: 6 Minuten

Weil Deutschland im Jahr 2050 klimaneutral sein will, nimmt die Klimadebatte immer mehr Fahrt auf, besonders im Bereich der Lebensmittel. Denn ein großer Hebel zur CO2-Reduktion in der Wertschöpfungskette ist die Senkung der sogenannten Scope 3-Emissionen. Das sind THG-Emissionen, die bei Produktion und Verarbeitung der Nahrungsmittel entstehen.

Programmvielfalt kaum zu überblicken

Viele Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette legen zurzeit Programme auf, um ihre CO₂-Bilanz zu verbessern. Dabei rechnet in der Regel jedes Unternehmen mit eigenen Auswertungstools. Die Programme sind sehr vielschichtig und nicht direkt vergleichbar. Die Folge: Landwirtinnen und Landwirte, also die Adressaten der Programme, aber auch die Verbraucher verlieren den Überblick. Um mehr Transparenz zu schaffen, bedarf das System dringend einheitlicher Standards.

Warum es für die Unternehmen wichtig ist, zu einheitlichen Standards zu kommen und wie diese aussehen könnten, darüber diskutierte top agrar gestern in Berlin im Rahmen der Diskussionsveranstaltung „Landwirtschaft im Dialog (LiD)“. Zu Gast waren Vertreter der Politik, des LEH, der Industrie, des Verbraucherschutzes und Landwirte.

Mc Donalds: Wir brauchen die Landwirtschaft

Gleich zu Anfang erklärte Diana Wicht (Supply chain lead, Mc Donalds), warum es für das Unternehmen ein Anliegen ist, die Emissionen zu senken. „Für unsere weltweit über 40.000 Restaurants benötigen wir u.a. eine resiliente, zukunftsfähige Lieferkette mit geringem CO2-Fußabdruck – das ist die Grundlage unseres Business“, betonte sie.

Deshalb habe sich das Unternehmen ein weltweites Klimaziel gesetzt, das CO2-Reduktionen in allen relevanten Scopes vorsieht. „Weil ein Großteil der Emissionen aber aus der Herstellung der Patties, Burger usw. kommt, sind die Minderungen im Bereich Scope 3 besonders wichtig“, sagte sie. „Um diese umzusetzen, brauchen wir die Landwirtschaft.“

Paetow fordert Anreizsysteme

Generell – so DLG-Präsident Hubertus Paetow – sind CO2-Minderungen in der landwirtschaftlichen Produktion möglich, sie kosten aber Geld. Nach seiner Meinung muss es finanzielle Anreizsysteme geben, die den Betrieben eine Umstellung der Wirtschaftsweise bzw. die Wiedervernässung von Mooren schmackhaft machen.

Unterstützung bekommt er dabei von Norbert Lins, stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung im Europaparlament. „Auch ich bin ein Verfechter von Anreizsystemen“, erklärt er. Von der Idee, eine CO2-Steuer für die Landwirtschaft einzuführen, wie es Dänemark plant, hält er nichts.

foodwatch wirft der Landwirtschaft Verweigerungshaltung vor

Dass es bei den derzeitigen Klimaanstrengungen im Bereich Landwirtschaft insgesamt viel zu langsam geht, gibt Annemarie Botzki von foodwatch zu bedenken. Auf EU-Ebene und in Deutschland seien die Ambitionen zu mager. Das 1,5 °C-Klimaziel sei nur zu erreichen, wenn die Landwirtschaft von einer Emissonsquelle zu einer -senke werden würde.

Bei den großen Hebeln, wie der Wiedervernässung von Mooren, spricht sie von einer Verweigerungshaltung des Landwirtschaftssektors. Dem widerspricht Norbert Lins, die EU habe es nach neusten Zahlen im Vergleich zum Jahr 1990 bereits geschafft, 37 % der Emissionen zu senken. „Im weltweiten Vergleich sind wir auf einem sehr guten Weg“, erklärte Lins.

Es fehlt ein einheitlicher Berechnungsstandard

Für landwirtschaftliche Betriebe, die CO2 reduzieren wollen, gibt es derzeit noch zwei Probleme: Zum einen fehlt ein einheitlich erhobener Status quo. Wir wissen oft gar nicht, welche Emissionen tatsächlich aus der Landwirtschaft stammen. Zum anderen gibt es keine anerkannten Standards, nach denen man die Emissionen messen und dokumentieren kann. „Die an der Wertschöpfungskette beteiligten Unternehmen und die Politik müssen sich dringend an einen Tisch setzen, um sich klar auf ein Verfahren zu verständigen“, fordert Diana Wicht.

Wichtig sei dabei, dass die Methode eine einfache Erhebung der Emissionsdaten der landwirtschaftlichen Betriebe erlaubt, betonte sie. Jetzt müsse man noch jemanden finden, der den Hut auf hat und alles koordiniert. Norbert Lins ergänzt, dass es auch wichtig sei, dass die Finanzierungen von Projekten zur CO2-Minderung langfristig gesichert sind. „Entscheidet sich ein Landwirt für ein CO2-Minderungsverfahren, muss er auch noch nach 5 Jahren Geld dafür erhalten.“   

 Momentan gibt es viele Insellösungen

Weil noch keine Branchenlösung in Sicht ist, bieten viele Unternehmen eigene Klimaprojekte an. „Bei Mc Donalds haben wir im Rahmen unseres Best Beef-Programms ein Pilotprojekt gestartet. Dabei erhalten Landwirte einen Bonus von 2 ct/kg Schlachtgewicht, wenn sie ihre Klimadaten erheben“, sagt Diana Wicht. Auch der Konzern BASF bietet mit dem Programm „KlimaPartner Landwirtschaft“ ein eigenes Projekt an. „Wir übernehmen als global arbeitendes Unternehmen Verantwortung und haben uns deshalb strenge Klimaziele gesetzt“, sagt Markus Röser, Leiter Kommunikation, Public Affairs und Nachhaltigkeit bei BASF.

„Unser Ziel im Ackerbau ist es, 30 % CO2 pro Tonne Erntegut einzusparen.“ Wer als Landwirt an diesem Klimaziel mitarbeitet, soll – so Röser weiter – dafür auch entlohnt werden. Im Projekt gehe es darum, klimafreundlich zu wirtschaften, Humus aufzubauen und Biodiversität zu steigern. Die Betriebe bekommen dafür dann ein Zertifikat, für das sie Geld erhalten. Die Laufzeit ist auf mindestens 5 Jahre angelegt. Laut Röser nehmen zurzeit 33 Betriebe mit insgesamt 16.000 ha am Projekt „KlimaPartner Landwirtschaft“ teil, in der kommenden Saison sollen 100.000 ha Winterweizen CO2-reduziert angebaut werden.

Rohlfing: Mit Fruchtfolge und Bodenbearbeitung CO2 speichern

Ein Teilnehmer des Projekts ist Biolandwirt Christian Rohlfing. „Wir wollen mithilfe des Programms CO2 einsparen und mit den Zertifikaten auch arbeiten “, erklärt er. Bei ihm wurde anhand von Bodenproben, die auch den Humusgehalt zeigen, zunächst ein Status quo ermittelt.

Mithilfe eines Maßnahmenkatalogs will er nun den Humusgehalt steigern, um so CO2 im Boden zu speichern. „Wir optimieren dazu z.B. die Fruchtfolge, die Bodenbearbeitung und haben Zwischenfrüchte integriert“, so der Landwirt.

Bösl: 23 % besser als der Durchschnitt

An einem Klimaprojekt der Molkerei Zott nimmt dagegen Familie Bösl teil. „Voraussetzung dafür ist, dass wir den CO2-Fußabdruck unseres Betriebes ermitteln“, so Josef Bösl. Der Aufwand dafür sei aus seiner Sicht schon hoch gewesen. Für die Aufwendungen inkl. der Aktivitäten in puncto Tierwohl erhält der Betrieb 3 ct/l verkaufter Milch mehr.

Der CO2-Fußabdruck lag bei Bösls im Jahr 2022 nach einem Berechnungstool der LfL Bayern bei 0,91 kg CO2e je kg erzeugter Milch bei einer Milchleistung von 10.800 kg. Damit – so Bösl weiter – sind wir 23 % besser als der Durchschnitt.

CO2-Fußabdruck von Weizen errechnen

Einen Ansatz,  wie man den CO2-Fußabdruck eines Betriebes einheitlich ohne großen Aufwand ermitteln könnte, brachte Hubertus Paetow ins Spiel: „Ich stelle mir vor, dass die Betriebe ihren Agrarantrag in eine Cloud laden, die den CO2-Fußabdruck z.B. von Weizen automatisch errechnet. Das wäre seiner Ansicht nach schon mal eine gute Brancheninitiative.

Um von Insellösungen zu einheitlichen Berechnungstools zu kommen, arbeitet auch das Unternehmen QS an diesem Thema. „Firmen aus der Fleischwirtschaft und Futtermittelindustrie haben uns gefragt, ob wir ein Tool entwickeln können, mit dem Betriebe CO2-Emissionen einheitlich erfassen und berechnen können“, sagt Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer von QS zum Ende der Veranstaltung. „Weil die Zeit drängt, arbeiten wir gerade intensiv daran.“

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