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Pflanzen-Biostimulanzien: Wo stehen wir heute?

Ist der Hype um Biostimulanzien schon vorbei oder haben sie sich fest etabliert? Wir haben für Sie Einschätzungen aus der Praxis, der Beratung und der Industrie zusammengetragen.

Lesezeit: 9 Minuten

In den letzten Jahren ist rund um die Pflanzen-Biostimulanzien viel passiert. Die Zahl der am Markt verfügbaren Mittel ist stark gestiegen, genau wie die der Anbieter, die sie vertreiben. Aber auch rechtlich hat sich einiges getan: Seit 2022 stellen Pflanzen-Biostimulanzien eine eigenständige Produktgruppe in der EU-Düngeprodukte-Verordnung dar und unterliegen damit einer CE-Kennzeichnung, die wiederum mit einer Nachweispflicht zur Wirkung einhergeht.

Doch reicht diese Entwicklung? Spielen Pflanzen-Biostimulanzien in den Ackerbaustrategien auf den Höfen bereits eine Rolle? Oder ist es nach wie vor was für Spezialisten mit besonderen Rahmenbedingungen? Um den Status quo abschätzen zu können, haben wir zwei Anwender von Biostimulanzien sowie einen Vertreter aus der forschenden Industrie und einen Berater um eine Einschätzung gebeten.

Schnell gelesen

  • Etabliert sich eine neue Produktgruppe wie die Biostimulanzien, muss sich auch das Versuchswesen und die Beratung darauf einstellen.

  • Landwirt Martin Siekerkotte denkt Ackerbau im System. Obwohl er Biostimulanzien keinen eindeutigen Effekt zuordnen kann, sieht er in ihnen eine Chance.

  • Für Hersteller wie Syngenta sind umfangreiche Wirkprüfungen ein zentrales Element.

  • Ökobauer Leo Rösel setzt vermehrt auf Biostimulanzien mit unterschiedlichen Wirkweisen.

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Prüfen und beraten: Offizielles Versuchs­wesen ist wichtig

Vereinfacht gesagt sollen Biostimulanzien Pflanzen widerstandsfähiger und stressstabiler machen oder helfen, sie mit Nährstoffen zu versorgen. Schaut man genauer hin, unterscheiden sich die Wirkweisen der Mittel in unzähligen Details. Genauso vielfältig sind die Grundsubstanzen der am Markt vorhandenen Produkte. Dazu zählen z. B. Mikroorganismen, Algen- und Pflanzenextrakte, Humin- und Fulvosäuren etc. Zusammenfassend kann man sagen, dass das Segment Pflanzen-Biostimulanzien höchst komplex ist.

Wegen dieser Komplexität in Kombination mit den alltäglichen Herausforderungen wie volatilen Preisverläufen bei Mineraldüngern, düngerechtlichen Restriktionen sowie zunehmenden klimatischen Extremen nimmt das offizielle Versuchswesen und die Offizialberatung im Segment der Biostimulanzien eine entscheidende Rolle ein.

Derweil prüfen mehrere Bundesländer im Rahmen einer dreijährigen Versuchsreihe die Wirksamkeit von verschiedenen Biostimulanzien in ackerbaulichen Kulturen. Denn bislang gibt es kaum unabhängige, belastbare Daten zur Wirkung auf Ertrag und Qualität von relevanten Marktfrüchten.

In Rheinland-Pfalz haben wir z. B. folgende Versuche angelegt: An verschiedenen Standorten wurde die Wirkung ausgewählter Biostimulanzien aus verschiedenen Produktgruppen auf den Kornertrag und die Qualitätseigenschaften von Winterweizen exemplarisch näher untersucht. Als Referenz diente eine mehrstufige N-Steigerung, einschließlich einer unbehandelten Kon­­trolle. Um die Wirkungspotenziale der verschiedenen Produkte herauszuarbeiten, wurden diese unter suboptimalen Bedingungen getestet, das heißt bei einer um 20 % bzw. mindestens 30 kg N/ha reduzierten N-Düngung.

Ein besonderes Augenmerk richtete sich auf die Blattapplikation von N2-fixierenden Mikroorganismen in Winterweizen, Sommergerste, Winterraps und Mais bei jeweils 50 bzw. 100 % der nach der Düngeverordnung zulässigen N-Obergrenze im Vergleich zur nicht gedüngten Kontrolle.

Um unerwünschte Wechselwirkungen auszuschließen, wurden die verschiedenen Produkte unter standardisierten Bedingungen in dem vom Vertreiber empfohlenen Anwendungs­zeitfenster separat und in zeitlichem Abstand von den begleitenden Pflanzenschutzmaßnahmen appliziert. Die Versuche werden aktuell ausgewertet, die Ergebnisse lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor.

Ausblick: Der Biostimulanzien-Markt ließ in der Vergangenheit ein relativ dynamisches Angebot erkennen. Günstige Erlösrelationen veranlassten viele Betriebe, eigene Erfahrungen mit verschiedenen Produkten zu sammeln. Letztlich ist zu erwarten, dass die geplante Metaanalyse der in den Bundesländern erarbeiteten Ergebnisse aus Exaktversuchen als belastbare Datengrundlage den praktischen Einsatz von Biostimulanzien stärker beeinflussen wird.

Dr. Stefan Weimar, DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück; Daniel Dabbelt

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Der Ausprobierer: Ins System integriert

Die Bodenbiologie verbessern, den Einsatz chemischer Mittel senken und die Effektivität von Düngegaben erhöhen – auf diese und weitere Ziele hat Landwirt Martin Siekerkotte seine Ackerbaustrategie ausgerichtet, in der Pflanzen-Biostimulanzien eine Rolle spielen. Zusammen mit seiner Familie bewirtschaftet er in NRW einen Ackerbaubetrieb. Auf san­digen Lehmen und Parabraunerden bauen Siekerkottes Raps, Winterweizen, -gerste, Ackerbohnen und Rüben an.

Ein gutes Anbausystem steht an erster Stelle

„Der größte Hebel, um meine Ziele zu erreichen, ist ein ausgeklügeltes Anbausystem, Maßnahmen wie der Einsatz von Pflanzen-Biostimulanzien wirken eher flankierend“, sagt der Landwirt. Zu seinem System gehört u. a. eine weite Fruchtfolge mit dem Anbau von Zwischenfrüchten. Zudem setzt er seit Jahren beim Düngen auf das Cultan-Verfahren, mit dem er N-Auswaschungen vermeiden will. Mit der regelmäßigen Zufuhr von organischen Düngern fördert er obendrein das Bodenleben. Auch mit Direktsaat möchte er das Bodenleben bzw. die -biologie verbessern.

„Die Maßnahmen zeigen, dass ich gern viel ausprobiere und bei mir der Boden im Fokus steht“, so Siekerkotte. „Deshalb habe ich auch im Jahr 2019 an einem Bodenkurs von Sonja Dreymann teilgenommen, bei dem mir die Idee kam, Pflanzen-Biostimulanzien einmal auszuprobieren.“

Welche Effekte?

Die Biostimulanzien Agro Ligno Max und Agro Vital sollen u. a. die Pflanzen stärken und Stress abbauen. Siekerkotte wendet sie mittlerweile seit fünf Jahren in allen Kulturen an. Der Einsatz erfolgt bei ihm immer kombiniert – meist in Mischung mit Spurenelementen.

Seine Beobachtungen: Die Effekte lassen sich bei Martin Siekerkotte nicht einzelnen Maßnahmen, wie dem Einsatz der Biostimulanzien zuordnen. Insgesamt haben alle Maßnahmen zusammen bei ihm zu einer stabilen Bodenstruktur geführt. Auch lassen sich nach seinen Angaben auf seinen Schlägen mehr Regenwürmer finden als auf Vergleichsflächen. „Wegen der guten N-Freisetzung aus dem Boden spare ich zudem im Vergleich zu früher nun durchschnittlich 20 kg/ha N in den Kul­­turen ein, dem gegenüber steht aber das Invest in den Boden“, sagt er.

In der kommenden Saison will Siekerkotte die Ertragskartierung am Mähdrescher nutzen, um Effekte z. B. von Biostimulanzien offenzulegen. „Ich bin gespannt, was dabei herauskommt“, resümiert er.

Matthias Bröker

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Forschende Industrie: Teils hohe F & E-Ausgaben für Biostimulanzien

Neben anderen Firmen ist das Pflanzenschutz- und Saatgutunternehmen Syngenta seit mehreren Jahren im Bereich Pflanzen-Biostimulanzien aktiv. Für den Konzern ist die Entwicklung neuer Lösungen für gesundes Pflanzenwachstum ein strategischer Schwerpunkt. Hier ­einige Hintergrundinfos von Dr. Matthias Rott, Portfoliomanager Biostimulanzien bei Syngenta:

Pflanzen-Biostimulanzien werden bei uns für die wichtigsten Ackerbau- und Sonderkulturen entwickelt. Eine verlässliche Wirksamkeit und für den Praxiseinsatz optimierte Formulierungen stehen im Fokus von Forschung und Entwicklung. Mit der Integration von Valagro, Weltmarktführer bei Biostimulanzien, im Jahr 2020 und dem Ausbau des Forschungsstandorts am Schweizer Standort Stein bei Basel wollen wir künftig in dem Marktsegment eine führende Rolle in Europa einnehmen.

Versuche sind unerlässlich

Die Wirkungsprüfung ist für uns ein zentraler Baustein der Produktentwicklung und der konstanten Begleitung der bereits in den Markt eingeführten Produkte. Auf diese Weise stellen wir sicher, unseren Kunden die besten Empfehlungen zum gezielten Einsatz geben zu können. Pro Jahr werden in ganz Europa mehrere hundert Exaktversuche nach wissenschaftlichen Standards durchgeführt. Dazu kommen Großflächenversuche, die wir per Satellit, Drohne und anderer Messtechnik bonitieren.

Das Ergebnis dieser Vorgehensweise ist u. a. die CE-Zertifizierung von z. B. Nutribio N und Megafol als Biosti­mulans nach EU-Düngeprodukte-VO 2019/1009. Diese Zertifizierung erhält nur, wer bei einer staatlich anerkannten Konformitätsbewertungsstelle die Produktwirksamkeit nachweisen konnte.

Biostimulanzien steuern in der Pflan­ze – je nach Produktgruppe – höchst unterschiedliche Stoffwechselprozesse. Diese Prozesse werden zudem stark von der jeweiligen Umwelt beeinflusst. Dem richtigen Einsatzzeitpunkt kommt daher eine große Bedeutung zu, damit das „Biostimulans seine Wirkung ausspielen kann“. Unsere Erfahrungen zeigen, wie wichtig es ist, bei der Versuchsanstellung die unterschiedlichen Wirkungsweisen und Zusammensetzungen der jeweiligen Biostimulans zu berücksichtigen. Unterschiedlichste Biostimulanzien in einem gemeinsamen Versuch betrachten zu wollen, wäre wie „Äpfel mit Birnen zu vergleichen“.

Pflanzen resilienter machen

Moderne Kulturpflanzen sind genetisch zu viel höheren Erträgen in der Lage, als derzeit in der Praxis erreicht werden. Das biologische Potenzial der Pflanzen wird durch den Standort, die Witterung, Krankheiten und andere äußere Einflüsse beschnitten. Angesichts immer enger werdender Rahmenbedingungen für Düngung und Pflanzenschutz und des sich wandelnden Klimas werden große Anstrengungen unternommen, neue Produkte zu entwickeln, die diese Effekte abfedern.

Biostimulanzien enthalten eine Vielzahl an natürlichen Substanzen und Extrakten, die in der Pflanze unterschiedliche pflanzenphysiologische Prozesse beeinflussen. Das kann zum Beispiel eine stärkere Resilienz gegenüber abiotischem Stress wie Hitze-, Kälte- oder Trockenstress sein, oder auf eine Verbesserung der Fruchtqualität oder die Erhöhung der Nährstoffeffizienz abzielen.

Wichtigstes Produkt bei Syngenta ist zum Einsatz in Getreide, Raps und Mais das Nutribio N, ein Bakterienpräparat, das über Blatt, Wurzel und Rhizosphäre wirkt und der Pflanze Luftstickstoff in nutzbarer Form zur Verfügung stellt. Insbesondere jetzt im Herbst öffnet dies neue Möglichkeiten, den Nährstoffbedarf der Kulturen selbst und gegebenenfalls zusätzlich der Strohrotte sicherzustellen. Nutribio N stellt den Stickstoff dabei ohne Umweg über den Boden der Pflanze direkt bereit, und damit ohne Auswaschungsgefahr. Ein weiteres breites Feld sind Biostimulanzien, die abiotischen Stress abfedern können. Schon am Markt sind z. B. Quantis und Megafol.

Dr. Matthias Rott, Portfoliomanager Biostimulanzien, Syngenta Agro; Daniel Dabbelt

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Einsatz im Ökolandbau: Die Mischung machts

Biostimulanzien gehören für Leo Rösel im Ackerbau dazu. Der Landwirt aus dem bayerischen Neukirchen bewirtschaftet einen Betrieb mit 150 ha Ackerbau, Grünland und Biogasproduktion, der seit 2021 Naturland-zertifiziert ist. Auf seinen Feldern stehen unter anderem Silomais, Dinkel, Hafer, Getreidegemenge, Kleegras und Körnererbsen. Seit 2018 probiert er immer wieder verschiedene Biostimulanzien im Ackerbau aus. Da seine Optionen bei Pflanzenschutz und Düngung seit der Umstellung auf den Ökolandbau eingeschränkter sind als bei seinen konventionellen Kollegen, sieht er in den Hilfsstoffen eine gute Möglichkeit, seine Bestände zusätzlich zu fördern. Doch nicht alle Mittel, die Rösel bereits ausprobiert hat, zeigen auch eine zufriedenstellende Wirkung. Deshalb legt er bei neuen Hilfsstoffen immer auch Nullparzellen an, um den optischen Vergleich zu haben.

Am Anfang setzte er auf Mittel mit nur einem Wirkmechanismus (z. B. effektive Mikroorganismen oder Huminsäurepräparate). Doch mittlerweile ist Rösel zu Mitteln übergegangen, die mehrere verschiedene Wirkmechanismen enthalten: „Bei einer Mischung aus verschiedenen Komponenten ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass mindestens ein Element wirkt“, sagt er. Generell beobachtet er, dass in extrem trockenen oder nassen Jahren die Effekte deutlicher sichtbar sind. „In guten Jahren braucht die Pflanze diese zusätzliche Unterstützung vielleicht nicht so sehr.“

Seit vier Jahren setzt der Ökobauer  Mais- und Getreidebeizen  des Herstellers SeedForward ein, vor einem Jahr kam eine entsprechende Leguminosenbeize für die Erbsen dazu. Nach Angaben des Herstellers enthalten sie neben verschiedenen Spurenelementen wie Silizium, Magnesium oder Mangan spezielle Wachstumsstimulanzien, die die Stresstoleranz der Keimlinge verbessern sollen. Rösel hat beobachtet, dass die Pflanzen durch die Beizen zwar mehr Wurzelmasse bilden und schneller wachsen, sich dies aber nicht in höheren Erträgen widerspiegelt. Der Effekt des Wetters sei hier zu groß.

Um die Nährstoffaufnahme in seinen Kulturen zu verbessern, setzt er im Getreide einen  Blattdünger  des österreichischen Herstellers AKRA ein, der N-fixierende Bakterien und zudem Spurenelemente enthält. Er bringt das Mittel zum Schossen und auf das Fahnenblatt aus, um so die Nährstoffaneignung des Getreides zu verbessern „Ich kann keine Fungizide ausbringen, deshalb will ich die Pflanzen stärken und so länger gesund halten“, sagt er.

Zudem unterstützt er nach der Ernte die  Strohrotte  mit einem Mittel, dass mit Mikronährstoffen und effektiven Mikroorganismen (EM) das Rottemilieu verbessern soll. An dem Einsatz solcher Biostimulanzien, die bei ihm gute Effekte gezeigt haben, will Rösel künftig festhalten.

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