Unser Autor: Prof. (i. R.) Dr. Klaus Schlüter, vormals FH Kiel/FB Agrarwirtschaft
Bevor ein neuer Pflanzenschutzmittelwirkstoff in den Markt eingeführt wird, prüfen Hersteller mittels umfangreicher Tests die mittlere Sensitivität der Population. Damit will man eine Wirkstoffkonzentration in der vorschriftsgemäß dosierten Spritzbrühe festlegen, die sicher gegen die Population von Schaderregern wirkt. Diese Konzentration ist die Felddosis. Auf Basis der Felddosis wird die Produkt-Aufwandmenge (Liter oder Gramm pro Hektar) für die Zulassung festgelegt.
Hält man in der Praxis nun die vorgeschriebenen Aufwandmengen eines Fungizids ein, ist sichergestellt, dass eine ausreichend hohe Wirkstoffkonzentration ausgebracht wird. Unterschreitet man hingegen die Aufwandmengen, steigt der Anteil der gering sensitiven Individuen, die eine resistente Population aufbauen können.
Selektion ist unvermeidbar
Wird gegen Schadpilze in einem großen Anbaugebiet über viele Jahre immer die gleiche Wirkstoffgruppe eingesetzt, verändert sich die Pilzpopulation zwangsläufig durch den anhaltend hohen Selektionsdruck. Grund dafür ist, dass die gering sensitiven Pilze auch höhere Wirkstoffkonzentrationen überleben und sich immer schneller vermehren können. Je nach genetischen Eigenschaften der Resistenz verläuft der Prozess dann mit unterschiedlicher Geschwindigkeit.
Verringerte Aufwandmengen begünstigten Resistenzen
In der Praxis wird die vorgeschriebene Aufwandmenge – insbesondere bei Fungiziden – aus Kostengründen oft bewusst verringert. Damit sinkt aber die Wirkstoffkonzentration in der Spritzbrühe. In der ersten Zeit nach Zulassung eines neuen Wirkstoffes geht das scheinbar gut. Aber: Durch die verringerte Aufwandmenge kann ein viel größerer Teil der gering sensitiven Schadpilze überleben. Und dieser Anteil bestimmt maßgeblich die Geschwindigkeit der Resistenzbildung in der Population.
Auch wenn die Mechanismen der Resistenzauslösung immer gleich sind, so zeigen sich die Wirkungsverluste in der Praxis sehr unterschiedlich. Im Extremfall hat es oft nur zwei Jahre gedauert, bis ein enormes Resistenzpotenzial vorhanden war. Das gilt z. B. für Strobilurine oder Chinoline, die gegen Echten Mehltau im Weizen zum Einsatz kamen. Die Resistenzen waren so stark ausgeprägt, dass eine absolute Wirkungslosigkeit eintrat.
Bei vielen anderen Pilzkrankheiten hat es hingegen oft sehr lange, manchmal weit über ein Jahrzehnt gedauert, bis sich Minderwirkungen bemerkbar machten. Das betrifft vor allem die Triazol-Fungizide, die auch heute noch weltweit die Basis vieler Fungizidstrategien bilden. Informationen über die Resistenztypen und zur Resistenzvermeidung gibt es von der internationalen Arbeitsgruppe FRAC (Fungicide Resistance Action Committee)
Verschiedene Resistenztypen
Bei Schadorganismen führen die folgenden zwei Mechanismen dazu, dass Wirkstoffe versagen und Resistenzen auftreten:
- Ein Wirkort ist meist ein komplexes Protein, z. B. ein Enzym (Biokatalysator, siehe auch Teil 23 der Serie). Genetisch bedingt können komplexe Proteine einen minimal veränderten Aufbau aufweisen. Dies verhindert, dass sich Pflanzenschutzmittelwirkstoffe anlagern können – die Wirkung bleibt aus. Diese Wirkortresistenz wird international als Target-site- oder auch Knock-down-Resistenz bezeichnet bzw. als qualitative Resistenz.
- Eine metabolische Resistenz liegt vor, wenn der Schadorganismus den Wirkstoff so schnell abbaut, dass dieser den Wirkort nicht mehr angreifen kann. Diese Art der Resistenz wird auch als quantitative Resistenz bzw. Shifting bezeichnet.
Wichtig bei den Resistenzen gegen Pflanzenschutzmittel sind zudem weitere Begriffe: Eine Kreuzresistenz liegt vor, wenn ein Schadorganismus gegen zwei oder mehr Wirkstoffe aufgrund des gleichen Mechanismus resistent ist. Weist ein Schadorganismus zwei oder mehr verschiedene Resistenzmechanismen auf, handelt es sich um eine multiple Resistenz .
Um die Stärke einer Resistenz einzuordnen, wird der Resistenzfaktor (RF) genutzt. Dieser beschreibt die abnehmende Sensitivität gegen einen Wirkstoff im Laufe der Zeit. Liegt der Resistenzfaktor z. B. bei 32, dann verträgt die aktuelle Pilzpopulation die 32-fache Wirkstoffkonzentration gegenüber der Ausgangspopulation bei Markteinführung des Wirkstoffes.
Dieser Text stamm aus einem Beitrag der Serie „Fachwissen Pflanzenbau“. Die Autoren der Serie stellen Zusammenhänge im Pflanzenbau kurz und knackig (wieder) her. Themen sind „Boden“, „Bodeneingriff“, „Pflanzenphysiologie“, „Fruchtfolge, Zwischenfrüchte und Kulturen“ sowie „Pflanzenschutz und Wachstumsregler“. Alle Beiträge sammeln wir für unsere Leserinnen und Leser online unter www.topagrar.com/wissen-pflanzenbau