Der Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Kiel, Prof. Friedhelm Taube, rechtfertigt seinen Vorschlag, vorübergehend bundesweit 20 % unter Bedarf zu düngen. Der Wissenschaftler hält eine vorübergehende flächendeckende Ausweitung der bislang auf die Roten Gebiete beschränkten Regelung aufgrund rechtlicher Vorgaben und umweltpolitischer Notwendigkeiten für unerlässlich.
In einem Beitrag für Agra-Europe betont er zugleich, dass die Verknüpfung strengerer Düngevorgaben mit Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen in der Zweiten Säule Chancen für die Entwicklung innovativer Anbausysteme biete. Taube bescheinigt den Modellen der „schlaginternen Segregation“ sowie Hybridansätzen, die derzeit beide an der Universität Kiel erprobt werden, erhebliche Potentiale für einen zukunftsfähigen Ackerbau.
Im Rahmen sogenannter 90/10-Modelle einer schlaginternen Segregation zum kombinierten Gewässer- sowie Biodiversitätsschutz werden laut Taube 10 % eines Schlages im Erntejahr weder gedüngt noch mit chemischen Pflanzenschutz behandelt. Auf 90 % der Fläche würden 90 % des Nährstoffbedarfs ausgebracht. In der Summe führe dies dazu, dass auf der Gesamtfläche eines Betriebes 20 % des in der Düngeverordnung geregelten Bedarfs gedüngt würden.
Für Taube zeigen die vorliegenden Ergebnisse der 90/10-Modelle, „wie ausgehend von ambitionierten Vorgaben der guten fachlichen Praxis mit austarierten Maßnahmen des Insektenschutzes in der Zweiten Säule Lösungen im Sinne der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) gestaltet werden können.“ Ähnliches gelte für Hybridmodelle, bei denen zusätzlich zur schlaginternen Segregation der Einsatz von Ackerklee- und Luzernegrasmischungen vor allem auf Marktfruchtbetrieben gefördert werde.
Leitplanken müssen verpflichtend werden
Dem Wissenschaftler zufolge muss die Düngeverordnung mehr leisten als nur die Regulierung der Nährstoffversorgung der Pflanzen. Sie sei viel mehr das Regulativ für den Gewässerschutz und gemeinsam mit der Stoffstrombilanzverordnung in den nächsten zehn Jahren „die zentrale Leitplanke für eine erfolgreiche Implementierung der Farm-to-Fork-Strategie auf dem Weg der Transformation der deutschen Landwirtschaft hin zum klimaneutralen Deutschland bis 2045“.
Bei dieser Transformation müsse der Sektor angemessen unterstützt werden. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass Leitplanken wie die schlaginterne Segregation und die Hybridansätze nach kurzer Übergangszeit der Freiwilligkeit als obligatorisch gesetzt würden, so wie dies mit der obligatorischen Flächenstilllegung bis zum Jahr 2008 als Voraussetzung für die Ausschüttung von Direktzahlungen geschehen sei.