In einer Umfrage im Rahmen der DLG-Wintertagung in Münster gaben 61% der Anwesenden an, bereits mit wetterdatenbasierten Prognosemodellen zu arbeiten. Doch worum handelt es sich bei diesen Systemen? Juliane Schmitt von der Zentralstelle der Länder für EDV-gestützte Entscheidungshilfen und Programme im Pflanzenschutz (ZEPP) erklärte, dass es sich dabei um sogenannte Entscheidungshilfe-Systeme (EHS) handelt. Sie bestehen aus einem Algorithmus, der die Wetterdaten mit den günstigen Infektionsbedingungen für Pflanzenkrankheiten abgleicht. Davon ausgehend wird eine Behandlungsnotwendigkeit abgeleitet.
Problem: Weitmaschiges Messnetz
Rund 1.320 Wetterstationen erfassen die Daten für die Prognosen. Die Wetterstationen sind bundesweit verteilt und können bis zu 60 km voreinander entfernt sein. Problematisch ist dabei, dass die Ergebnisse durch das teils weitmaschige Messnetz nicht immer repräsentativ sind. Das versuchen die Meteorologen mittels Interpolation zu kompensieren: Dabei wird in einem Raster von 1 km2 ein virtuelles Wetterstationsnetz gesponnen. Dadurch können Wetterdaten wie Lufttemperatur, Niederschlag und Luftfeuchte genauer erfasst werden.
Das Prognosemodell ISIP (Informationssystem für die integrierte Pflanzenproduktion) berechnet auf Basis dieser Daten das Infektionsrisiko für Krankheiten wie Braunrost oder Septoria tritici. Dieses Wissen hilft dabei, Feldkontrollen und Mitteleinsatz besser zu planen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist allerdings Vorsicht geboten. Weder die Sorteneigenschaften, noch eine bereits erfolgte Behandlung werden dabei vom Programm berücksichtigt, gab Juliane Schmitt zu bedenken.
Das geschulte Auge entscheidet mit
Landwirt Niklas Jacob weiß, wie er mit dieser Prognose umzugehen hat: Wenn die Prognose bei der digitalen Anwendung ISIP ein hohes Risiko anzeigt, achtet der Landwirt aus Rheinhessen bei Feldkontrollen vermehrt auf den Schaderreger. Er betonte, dass eigene Erfahrungen zur Interpretation der EHS notwendig sind. „Blind“ mit der Pflanzenschutzspritze loszufahren, bringe keinen Mehrwert, berichtete er.
Mit der Sklerotinia-Prognose hat er gute Erfahrungen gesammelt, da diese häufig mit der Realität übereinstimmte. Ebenso wie die Cercospora-Prognose im Rübenanbau. Die Prognosen der ISIP nutzt der Landwirt als „Zusatzinfo bei der Entscheidungsfindung“.
Landwirt Renè Kolbe aus Thüringen nutzt das EHS ISABEL um langfristig Wirkstoffe einzusparen und schneller betriebliche Entscheidungen zu treffen. Dafür hat er rund um seinen Betrieb eigene Wetterstationen aufgestellt, um präzisere Wetterprognosen zu gewinnen. Damit hat der Landwirt gute Erfahrungen gesammelt, denn die Niederschlagshöhe ist je nach Station im Umkreis von 15 km sehr variabel. Allerdings kommt es hierbei auf konstante Pflege an. Eine regelmäßige Wartung ist notwendig um präzise Daten zu erhalten, bestätigte neben Renè Kolbe auch Falk Böttcher.
Klimawandel macht Prognosen schwieriger
Falk Böttcher, Agrarmeteorologe vom Deutschen Wetterdienst betonte, dass die Vorhersagegenauigkeit der Wettervorhersagen in den letzten Jahrzehnten angestiegen ist. Bei der Temperatur gibt es schon eine Trefferquote von 90 bis 95 %, erklärte der Meteorologe. Anders sieht es jedoch bei der Vorhersage von Niederschlag aus.
Besonders die Verteilung und Menge der Niederschläge sind schwer vorherzusagen, merkte Böttcher an. So ist nach vier Tagen keine genauere Prognose für den einstündigen Niederschlag mehr möglich. Das ist darauf zurückzuführen, dass die festen Wetterstationen nicht weiträumig genug verteilt sind. Dadurch lassen sich die komplexen Berechnungen der Prognosen nicht immer exakt durchführen.
Hinzu kommt der Klimawandel, welcher die innerjährliche Niederschlagsverteilung und die Prognosewahrscheinlichkeit durch die zunehmende Aktivität von Kaltfronten verändert. Der Anteil von Schauern im Vergleich zu Landregen nimmt immer mehr zu und liegt nun im Verhältnis von 80 : 20, erklärte Böttcher.
Durch den Klimawandel nimmt die Vorhersagewahrscheinlichkeit des Niederschlags ab.“
Anschließend fragte ein Landwirt, warum verschiedene Wettervorhersage-Apps unterschiedliche Prognosen anzeigen. Daraufhin erklärte Falk Böttcher, dass der meteorologische Input der verschiedenen Anbieter anders sei. Außerdem arbeitet jeder Anbieter mit eigenen Prognosemodellen, welche in ihrer Funktionsweise und Prognosegenauigkeit abweichen. Deswegen der Tipp des Meteorologen: Man sollte immer mindestens zwei Wettervorhersage-Programme vergleichen und die Schwankungsbreite der Vorhersagen miteinbeziehen.