Das Landpachtverkehrsgesetz (LPachtVG) regelt die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland. Es soll die Struktur der Landwirtschaft stärken, die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen sichern und überhöhte Pachtpreise sowie Spekulation verhindern. Seit 2006 liegt die Gesetzgebungskompetenz nicht mehr beim Bund, sondern bei den Ländern. Die Länder können somit eigenständig über eine Anpassung oder Abschaffung des Gesetzes entscheiden.
Grund: Bürokratieabbau
Bayern hat kürzlich als erstes Bundesland beschlossen, das Gesetz abzuschaffen. Agrarministerin Michaela Kaniber begründete den Schritt mit dem Ziel, Bürokratie abzubauen. Das Gesetz habe keinen Einfluss auf die steigenden Pachtpreise, erklärte sie:
„Ein Ansteigen der Pachtpreise kann sicherlich nicht mit Bergen von Papier in Form angezeigter Pachtverträge auf Behördenschreibtischen verhindert werden. Hierfür müssen wir vielmehr unseren Bayerischen Weg in der Agrarpolitik konsequent weiterverfolgen."
Dem Bayerischen Staatsministerium zufolge waren mehr als eine Million Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen, darunter über 100.000 Landwirte dazu angehalten, Pachtverträge zu landwirtschaftlichen Flächen anzuzeigen. Dies habe jedoch keine positive Wirkung auf die Agrarstruktur nach sich gezogen. Insbesondere das erhoffte Dämpfen des Pachtpreisanstiegs habe sich nicht eingestellt, teilte eine Pressesprecherin mit.
Was der Bayerische Bauernverband kritisiert
Doch es gibt Gegenstimmen. Der Bayerische Bauernverband äußerte bereits im Vorfeld der Abschaffung Kritik und lehnte die Entscheidung klar ab. In einer Stellungnahme heißt es:
„Das Landpachtverkehrsgesetz spielt, wie das Grundstücksverkehrsgesetz als Parallelgesetz, eine bedeutende Rolle im Agrarrecht. Beide Gesetze dienen dazu, dass Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung nicht verloren gehen. Bei einer solchen nichtlandwirtschaftlichen Nutzung verpachteter Flächen besteht die Gefahr, diese Flächen nicht mehr in die landwirtschaftliche Kultur zurückbringen zu können."
Weiter heißt es, dass die einzige Datengrundlage zur Feststellung ortsüblicher Pachtpreise wegfalle. Der Verband befürchtet außerdem die Abschaffung des Grundstücksverkehrsgesetzes. „Dann gäbe es überhaupt keinen Schutz mehr vor dem Ausverkauf land- und forstwirtschaftlicher Flächen“, so die Befürchtung des Bauernverbands.
Der Pachtmarkt ist der wichtigste Markt für die Verteilung von Flächen in Deutschland. Die aktiven Betriebe werden im Regen stehen gelassen."
Kritik eines Bodenmarktexperten
Jobst Jungehülsing, der von 2018 bis 2023 das Referat Bodenmarkt im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geleitet hat, äußert scharfe Kritik:
„Der Pachtmarkt ist der wichtigste Markt für die Verteilung von Flächen in Deutschland. In Bayern wirtschaften die Haupterwerbsbetriebe zu 58 Prozent auf Pachtflächen. Diese Landwirte stehen jetzt noch stärker in Konkurrenz z.B. zu Projektierern von PV-Anlagen. Das ist eine Bankrotterklärung der bayerischen Agrarpolitik. Die aktiven Betriebe werden im Regen stehen gelassen." Er warnt vor weiteren Pachtpreissteigerungen durch den Wegfall des Gesetzes, die aus der Grundrente nicht generiert werden könnten.
Das sagt der Bundesverband der Landgesellschaften
Udo Hemmerling, Geschäftsführer des Bundesverbands der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG), verweist auf das Beispiel Baden-Württemberg. Dort gibt es seit 2010 ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz, das zu einem moderateren Anstieg der Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen geführt hat als in anderen westdeutschen Bundesländern. Er erklärt:
„Die Frage des Schutzes der Landwirtschaft vor unangemessen hohen Kauf- und Pachtpreisen bleibt auf der Agenda. Bei einer Novelle eines Agrarstrukturgesetzes in Bayern wird die Abwehr solcher Fehlentwicklungen erneut zu diskutieren sein. Baden-Württemberg hat in seinem Agrarstrukturverbesserungsgesetz 2010 entschieden, die Anzeige- und Genehmigungspflicht für Landpachtverträge fortzuführen. Dort sind die Kauf- und Pachtpreise deutlich langsamer angestiegen als in Bayern. Das sollte in der Debatte in Bayern und anderen Bundesländern berücksichtigt werden."
Die Sicht eines Fachanwalts
John Booth, Fachanwalt für Agrarrecht, verweist auf die fehlende Anwendung durch die Verwaltung: „Das Landpachtverkehrsgesetz spielt in der Verwaltungspraxis tatsächlich keine nennenswerte Rolle, so dass die Abschaffung auf den ersten Blick als sinnvoller Beitrag zum Bürokratieabbau erscheint. Diese Analyse und die Begründung des Bayerischen Gesetzgebers für die Abschaffung sind aber auf den zweiten Blick fragwürdig. Das LPachtVG leidet vor allem an einem Vollzugsproblem. Es hält sehr wohl – im Grunde wie das Grundstückverkehrsgesetz – das Instrumentarium für eine wirksame Überprüfung von Pachtpreisen und sogar deren Herabsetzung bereit (§ 4 LPachtVG). Die Verwaltungen wenden diese aber schlicht nicht an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mit den hier vorgebrachten Argumenten könnte man auch das Grundstückverkehrsgesetz abschaffen“.
Im Ergebnis sei es aber richtig, ein Gesetz abzuschaffen, das Eingriffsmöglichkeiten des Staates in die Privatautonomie vorsehe, das aber offensichtlich nicht angewendet werde und dessen Anwendung auch nicht von denen verlangt werde, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, so der Jurist.