Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bundestagswahl 2025 Maul- und Klauenseuche Gülle und Wirtschaftsdünger

topplus Gegenstimmen

Bayern erntet scharfe Kritik für die Abschaffung des Landpachtverkehrsgesetzes

Bayern hat als erstes Bundesland die bisherige Anzeigepflicht für Landpachtverträge abgeschafft – und stößt damit zum Teil auf heftige Kritik.

Lesezeit: 4 Minuten

Das Landpachtverkehrsgesetz (LPachtVG) regelt die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen in Deutschland. Es soll die Struktur der Landwirtschaft stärken, die landwirtschaftliche Nutzung von Flächen sichern und überhöhte Pachtpreise sowie Spekulation verhindern. Seit 2006 liegt die Gesetzgebungskompetenz nicht mehr beim Bund, sondern bei den Ländern. Die Länder können somit eigenständig über eine Anpassung oder Abschaffung des Gesetzes entscheiden.

Grund: Bürokratieabbau

Bayern hat kürzlich als erstes Bundesland beschlossen, das Gesetz abzuschaffen. Agrarministerin Michaela Kaniber begründete den Schritt mit dem Ziel, Bürokratie abzubauen. Das Gesetz habe keinen Einfluss auf die steigenden Pachtpreise, erklärte sie:
„Ein Ansteigen der Pachtpreise kann sicherlich nicht mit Bergen von Papier in Form angezeigter Pachtverträge auf Behördenschreibtischen verhindert werden. Hierfür müssen wir vielmehr unseren Bayerischen Weg in der Agrarpolitik konsequent weiterverfolgen."

Dem Bayerischen Staatsministerium zufolge waren mehr als eine Million Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen, darunter über 100.000 Landwirte dazu angehalten, Pachtverträge zu landwirtschaftlichen Flächen anzuzeigen. Dies habe jedoch keine positive Wirkung auf die Agrarstruktur nach sich gezogen. Insbesondere das erhoffte Dämpfen des Pachtpreisanstiegs habe sich nicht eingestellt, teilte eine Pressesprecherin mit.

Was der Bayerische Bauernverband kritisiert

Doch es gibt Gegenstimmen. Der Bayerische Bauernverband äußerte bereits im Vorfeld der Abschaffung Kritik und lehnte die Entscheidung klar ab. In einer Stellungnahme heißt es:
„Das Landpachtverkehrsgesetz spielt, wie das Grundstücksverkehrsgesetz als Parallelgesetz, eine bedeutende Rolle im Agrarrecht. Beide Gesetze dienen dazu, dass Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung nicht verloren gehen. Bei einer solchen nichtlandwirtschaftlichen Nutzung verpachteter Flächen besteht die Gefahr, diese Flächen nicht mehr in die landwirtschaftliche Kultur zurückbringen zu können."

Weiter heißt es, dass die einzige Datengrundlage zur Feststellung ortsüblicher Pachtpreise wegfalle. Der Verband befürchtet außerdem die Abschaffung des Grundstücksverkehrsgesetzes. „Dann gäbe es überhaupt keinen Schutz mehr vor dem Ausverkauf land- und forstwirtschaftlicher Flächen“, so die Befürchtung des Bauernverbands.

Der Pachtmarkt ist der wichtigste Markt für die Verteilung von Flächen in Deutschland. Die aktiven Betriebe werden im Regen stehen gelassen."
Jobst Jungehülsing

Kritik eines Bodenmarktexperten

Jobst Jungehülsing, der von 2018 bis 2023 das Referat Bodenmarkt im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geleitet hat, äußert scharfe Kritik:
„Der Pachtmarkt ist der wichtigste Markt für die Verteilung von Flächen in Deutschland. In Bayern wirtschaften die Haupterwerbsbetriebe zu 58 Prozent auf Pachtflächen. Diese Landwirte stehen jetzt noch stärker in Konkurrenz z.B. zu Projektierern von PV-Anlagen. Das ist eine Bankrotterklärung der bayerischen Agrarpolitik. Die aktiven Betriebe werden im Regen stehen gelassen." Er warnt vor weiteren Pachtpreissteigerungen durch den Wegfall des Gesetzes, die aus der Grundrente nicht generiert werden könnten. 

Das sagt der Bundesverband der Landgesellschaften

Udo Hemmerling, Geschäftsführer des Bundesverbands der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG), verweist auf das Beispiel Baden-Württemberg. Dort gibt es seit 2010 ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz, das zu einem moderateren Anstieg der Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen geführt hat als in anderen westdeutschen Bundesländern. Er erklärt:
„Die Frage des Schutzes der Landwirtschaft vor unangemessen hohen Kauf- und Pachtpreisen bleibt auf der Agenda. Bei einer Novelle eines Agrarstrukturgesetzes in Bayern wird die Abwehr solcher Fehlentwicklungen erneut zu diskutieren sein. Baden-Württemberg hat in seinem Agrarstrukturverbesserungsgesetz 2010 entschieden, die Anzeige- und Genehmigungspflicht für Landpachtverträge fortzuführen. Dort sind die Kauf- und Pachtpreise deutlich langsamer angestiegen als in Bayern. Das sollte in der Debatte in Bayern und anderen Bundesländern berücksichtigt werden."

Die Sicht eines Fachanwalts

John Booth, Fachanwalt für Agrarrecht, verweist auf die fehlende Anwendung durch die Verwaltung: „Das Landpachtverkehrsgesetz spielt in der Verwaltungspraxis tatsächlich keine nennenswerte Rolle, so dass die Abschaffung auf den ersten Blick als sinnvoller Beitrag zum Bürokratieabbau erscheint. Diese Analyse und die Begründung des Bayerischen Gesetzgebers für die Abschaffung sind aber auf den zweiten Blick fragwürdig. Das LPachtVG leidet vor allem an einem Vollzugsproblem. Es hält sehr wohl – im Grunde wie das Grundstückverkehrsgesetz – das Instrumentarium für eine wirksame Überprüfung von Pachtpreisen und sogar deren Herabsetzung bereit (§ 4 LPachtVG). Die Verwaltungen wenden diese aber schlicht nicht an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mit den hier vorgebrachten Argumenten könnte man auch das Grundstückverkehrsgesetz abschaffen“.

Im Ergebnis sei es aber richtig, ein Gesetz abzuschaffen, das Eingriffsmöglichkeiten des Staates in die Privatautonomie vorsehe, das aber offensichtlich nicht angewendet werde und dessen Anwendung auch nicht von denen verlangt werde, die durch das Gesetz geschützt werden sollen, so der Jurist.

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Wissen, was zählt.

Voller Zugriff auf alle Beiträge, aktuelle Nachrichten, Preis- und Marktdaten - auch in der App.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.