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Bodenpreise: Die Länder müssen handeln!

Die Bodenpreise werden sich nach heutigem Trend in zehn Jahren verdreifachen. Die Bundesländer könnten gegensteuern, tun es aber nicht. Bodenmarktexperte Jobst Jungehülsing erklärt die Hintergründe.

Lesezeit: 7 Minuten

Warum die Bodenpreise immer weiter in die Höhe schießen und die Bundesländer an wirksamen Lösungen scheitern, erläutert Jobst Jungehülsing, Diplom Agraringenieur und Ministerialrat a.D. Er zählt seit 2010 zu den führenden Bodenmarktexperten und hat von 2018 bis 2023 das Referat Bodenmarkt beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geleitet.

Herr Jungehülsing, die Preise für Boden gehen nach wie vor durch die Decke. Nicht zuletzt, weil die Nachfrage besonders bei außerlandwirtschaftlichen Investoren ungebrochen ist. Wie schätzen Sie diese Entwicklung in Zukunft ein?

Jungehülsing: Ja, tatsächlich sind seit 2005 die Kaufpreise für Boden um 274 % gestiegen. Die Entwicklung ist problematisch, weil es zwei wesentliche Preistreiber gibt: Die öffentliche Hand braucht Flächen für Wohnen und Infrastruktur. Die Finanzanleger kaufen, weil Boden nicht vermehrbar ist und sie sich überdurchschnittliche Renditen versprechen. Seit 2006 liegt die Rendite aus Wertsteigerung und Pachteinnahmen bei rund 10 % pro Jahr. Da die Preiskontrolle im Grundstückverkehrsgesetz nicht mehr funktioniert, werden spekulative Tendenzen begünstigt. Die Preise steigen weiter.

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Die Bodenpreise werden nach Ihrer Darstellung nicht durch die Ertragsentwicklung in der Landwirtschaft, sondern durch spekulative Faktoren bestimmt. Was können wir gegen die Spekulationen durch Investoren tun?

Jungehülsing: Da wir das Flächenangebot nicht erhöhen können, müssen wir die außerlandwirtschaftliche Nachfrage begrenzen. Baden-Württemberg hat 2009 mit dem Agrarstrukturverbesserungsgesetz gezeigt, dass es möglich ist, übermäßiges Interesse von Investoren, in diesem Fall aus der Schweiz, zu begrenzen. Danach greift das Land ein, wenn der Bodenpreis 20 % über dem ortsüblichen Preis liegt. Auch die übrigen Länder sollten wirksame Preiskontrollen einführen. Die Nachfrage von Vermögensverwaltern kann durch eine robuste Vorrangregelung für die Landwirtschaft in modernen Agrarstrukturgesetzen begrenzt werden.

Eine solche Vorrangregelung für Landwirte ist ja eigentlich im Grundstückverkehrsgesetz geregelt. Sie verfehlt jedoch ihr Ziel. Warum?

Jungehülsing: Dies liegt daran, dass Investoren dieses Gesetz durch sogenannte Share Deals umgehen können. Nach dem Grundstückverkehrsgesetz bedarf der Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen einer behördlichen Genehmigung. Wenn jedoch nur Anteilskäufe von landwirtschaftlichen Betrieben durch juristische Personen getätigt werden, greift das Gesetz nicht, da juristische Personen vom Gesetz nicht erfasst werden. Diese Regulierungslücke kann nur von den Ländern geschlossen werden. Sie sind nach dem Grundgesetz dafür zuständig. Somit ist das Grundstückverkehrsgesetz aktuell nicht einmal mehr ein stumpfes Schwert.  

Das Grundstückverkehrsgesetz ist aktuell nicht einmal mehr ein stumpfes Schwert."

In Frankreich müssen Share Deals seit April 2023 genehmigt werden. Wie funktioniert das im Detail und was hat das bislang bewirkt?

Jungehülsing: Ja, seit dem 1. April 2023 müssen in Frankreich alle Share Deals mit Agrarimmobilien zum Schutz der Agrarstruktur angezeigt und genehmigt werden. Damit soll die Flächenkonzentration begrenzt und der Generationswechsel unterstützt werden. Die Anzeige erfolgt papierlos über das Internet. Es gibt eine Hektarschwelle bewirtschafteter Fläche, ab der die Behörden den Share Deal prüfen müssen. Diese wird regional festgelegt: z.B. in der Normandie bei 148 ha, auf Korsika bei 86 ha. Liegt die zukünftige Betriebsgröße darüber, kann der Antrag genehmigt, mit Auflagen genehmigt oder abgelehnt werden. Die Hektarschwelle ist allerdings nur eine Prüfschwelle für die Verwaltung, aber keine absolute Obergrenze für die Betriebe.

In den ersten neun Monaten gab es rund 9.000 Anträge. Weit über 90 % der Share Deals sind agrarstrukturell unproblematisch. Das bedeutet, die Flächen bleiben entweder in landwirtschaftlichen Händen oder unterhalb der Hektargrenze und werden genehmigt. Fälle oberhalb der Prüfschwelle können mit Auflagen versehen werden, z.B. bei einer Betriebsvergrößerung von 100 ha eine Fläche von 20 ha an Junglandwirte abzugeben. Die Franzosen erhoffen sich außerdem, dass das Gesetz vor allem prohibitiv wirkt, und damit Käufe aus der Finanzbranche unterbleiben.   

Es werden fragwürdige Geschäftsmodelle einer Handvoll Steuerberater und Vermögensverwalter geschützt."

Warum klappt das in Deutschland nicht?

Jungehülsing: Bei uns gibt es keine Kontrolle von Anteilskäufen mit Agrarimmobilien, weil die Länder sie entgegen einer Empfehlung einer Arbeitsgruppe im Jahr 2015 bislang nicht eingeführt haben. Das liegt vor allem an der Intransparenz auf dem Bodenmarkt. Es gibt eine hohe Dunkelziffer, durch die das Ausmaß an Share Deals drastisch unterschätzt wird.

Einzelne Bundesländer wie Brandenburg oder Sachsen scheitern an der Modernisierung ihrer Agrarstrukturgesetze, weil sehr aktive Lobbyisten, die von den Regulierungslücken profitieren, erheblichen Einfluss auf die Agrarpolitik haben. Manche Agrarpolitiker erkennen den Handlungsbedarf schlichtweg nicht oder schaffen es nicht, gegen die Lobbyisten anzukommen.

Wichtig wäre, den Abfluss von Wertschöpfung aus den Dörfern zu begrenzen. Und die Entwicklungsmöglichkeiten ortsansässiger Betriebe und Existenzgründer müssten gestärkt werden. Stattdessen werden fragwürdige Geschäftsmodelle einer Handvoll Steuerberater und Vermögensverwalter geschützt.

Welche Instrumente sind darüber hinaus notwendig, damit die Landwirtschaft Vorrang auf dem Bodenmarkt hat?

Jungehülsing: Der Vorrang wird unterlaufen, weil regionale Landwirtinnen und Landwirte von den Share Deals nichts erfahren und mit den Geboten der Investoren nicht konkurrieren können. Share-Deal-Flächen sind zwar Teil des Bodenmarktes, aber die Angebote erfolgen über Makler unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nachbarbetriebe erfahren davon erst nach dem Verkauf. Um das zu ändern, müssten die Share Deals angezeigt werden und die Landgesellschaften müssten die Möglichkeit bekommen, Flächen ortsansässigen Betrieben anzubieten, wenn sich kein landwirtschaftlicher Interessent für den Gesamtbetrieb findet.

Und wie ließe sich die hohe Nachfrage durch Kommunen, Länder und Bund eindampfen?

Jungehülsing: Die Nachfrage von Kommunen, Ländern und Bund kann wohl nur durch eine Schutzklausel für Agrarflächen ähnlich dem Bundeswaldgesetz reduziert werden. Diese Klausel besagt, dass bei unvermeidbaren Eingriffen in den Wald, z.B. durch Straßenbau, die verloren gegangene Fläche mindestens zum gleichen Teil an anderer Stelle wieder durch Wald ausgeglichen werden muss. Dies wird auch für Agrarflächen diskutiert und wäre ein wirksames Instrument. Die Ausgleichsflächen könnten entstehen, indem man z.B. Industriebrachen wieder entsiegelt.

Für aktive Landwirte verbessert sich die Kreditwürdigkeit in Bezug auf ihr Flächeneigentum."

Ergeben sich auch Vorteile für Landwirte aus der hohen Nachfrage nach Boden?

Jungehülsing: Ja, Vorteile haben die Betriebsleiter, die demnächst aus der Landwirtschaft aussteigen wollen. Sie sind an hohen Boden- und Pachtpreisen interessiert. Für aktive Landwirte verbessert sich die Kreditwürdigkeit in Bezug auf ihr Flächeneigentum. Dies erkaufen sie aber durch steigende Pachten. Je höher ihr Pachtanteil, desto geringer ist der Nutzen steigender Bodenpreise für den Betrieb. Letztlich subventionieren sie die überhöhten Pachten aus der Grundrente ihrer Eigentumsflächen.

Den größten Vorteil haben die nichtlandwirtschaftlichen Eigentümer, denen 60 % der Flächen gehören. Ihre Vermögenswerte und ihre Pachteinnahmen steigen seit der Finanzkrise ununterbrochen.

Die Immobilienpreisblase ist 2023 geplatzt. Wie schätzen Sie das für Agrarimmobilien ein?

Jungehülsing: Die Blase ist nur bei Wohnimmobilien geplatzt. Die höheren Zinsen sind für Agrarimmobilien nicht relevant, da Investoren in der Regel mit Eigenkapital kaufen und deren Rendite von Agrarflächen noch doppelt so hoch ist, wie das Zinsniveau. Auch steigende Baukosten sind irrelevant. Die außerlandwirtschaftliche Nachfrage und die fehlende Preiskontrolle sorgen dafür, dass die Preise für Acker- und Grünland weiter steigen werden. Ein massiver Treiber ist aktuell die Privilegierung von Photovoltaikanlagen auf landwirtschaftlichen Flächen.

Was müsste passieren, damit auch die Agrarimmobilien-Blase platzt?

Jungehülsing: Da sehr wenig Agrarflächenkäufe in Deutschland kreditfinanziert sind, würde sich aus meiner Sicht die Entwicklung auf dem Bodenmarkt erst ändern, wenn wir dauerhaft ein Zinsniveau von 10 % und mehr hätten. Aber solche extremen wirtschaftlichen Entwicklungen halte ich in der EU für ausgeschlossen.

Wie sieht die Situation am deutschen Bodenmarkt unter den heutigen Bedingungen in zehn Jahren aus?

Jungehülsing : In zehn Jahren werden deutlich mehr Flächen durch juristische Personen bewirtschaftet, aber das muss kein Nachteil sein.

In zehn Jahren werden wir wahrscheinlich Verluste von 330 ha pro Tag haben."

Ohne gesetzliche Änderungen werden die Verluste an Agrarflächen einer Studie des Thünen-Instituts zufolge von heute 55 ha pro Tag stark zunehmen. Unter Berücksichtigung von Bebauung, Aufforstung, erneuerbaren Energien, Ausgleichsmaßnahmen und Moorrenaturierung bin ich noch pessimistischer als die Studie. Wir werden wahrscheinlich Verluste von 330 ha pro Tag haben, das sind 1,4 Mio. ha in zehn Jahren. Damit würden wir die Agrarflächen von 31 statistischen Durchschnitts-Landkreisen endgültig aus der Produktion nehmen. Das gefährdet unsere Nahrungsmittelversorgung in Krisenzeiten und treibt die Bodenpreise in die Höhe.  

Welche Folgen hätte das für den Bodenmarkt?

Jungehülsing: Bei Fortsetzung des aktuellen Trends werden sich die Kaufpreise bis 2034 verdreifachen. Falls sich spekulative Tendenzen noch verstärken, können sie sich auch vervierfachen. Da die Bodeneigentümer eine Pachtrendite von mindestens 1 % anstreben, werden die Pachten parallel zu den Kaufpreisen steigen.

Wenn die Bundesländer ihre Verantwortung für die Agrarstruktur wahrnehmen würden, könnte man dieser Entwicklung entgegenwirken und die Position aktiver Landwirte am Bodenmarkt stärken.

Vielen Dank für das Gespräch!

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