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Baywa in Insolvenzgefahr Ernte 2024 Afrikanische Schweinepest

topplus Rechtsanwältin erklärt

Getreidekontrakte mit der Baywa: So sichern Sie sich ab

Die Finanzkrise der Baywa AG treibt viele Landwirte um. Sie befürchten, dass ihre Ernte nicht mehr vergütet wird. Rechtsanwältin Carola Fischer erläutert, wie die Situation rechtlich einzuordnen ist.

Lesezeit: 5 Minuten

Mitte Juli gab die Baywa AG, der größte deutsche Agrarhändler, im Rahmen einer Pressemitteilung bekannt, ein Sanierungsguthaben in Auftrag gegeben zu haben, um die „angespannte Finanzierungslage“ zu verbessern. Dies führte bei vielen Landwirten, die Vorkontrakte mit der BayWa AG oder deren Tochtergesellschaften geschlossen haben, zu großer Sorge.

Betroffene Landwirte fragen sich, ob sie nun „sehenden Auges“ ihre Ernte liefern müssen, in der Gefahr, diese nicht bezahlt zu bekommen. Rechtsanwältin Carola Fischer von der in Rostock und Schwerin ansässigen Kanzlei Geiersberger Glas & Partner nimmt im Interview Stellung, wie die Lage rechtlich zu bewerten ist und wie Landwirte reagieren können.

Frau Fischer, was bedeutet es, wenn ein Unternehmen ein Sanierungsgutachten erstellen muss?

Carola Fischer: Ein Sanierungsguthaben wird beauftragt, wenn ein Unternehmen in der Krise ist. Dies geschieht in der Regel kurz vor der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung. Deshalb darf man ein Sanierungsgutachten nicht mit einem Insolvenzantrag gleichsetzen; dieser wird nach Eintreten der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt. Da die Baywa AG selbst von einer angespannten Finanzierungslage spricht, scheint es aber die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit zu geben.

Das Sanierungsgutachten soll aufzeigen, ob ein Unternehmen in einer Krisensituation nachhaltig und erfolgreich saniert werden kann. Es liefert den Kreditgebern Informationen darüber, ob das Unternehmen langfristig und erfolgreich am Markt bestehen kann. Banken vergeben nur dann weiter Kredite, wenn ein Sanierungsgutachten eine positive Fortführungsprognose aufweist.

Viele Landwirte haben mit der Baywa Vorkontrakte über den Verkauf ihrer Getreideernte abgeschlossen. Besteht die Lieferpflicht aus diesen Kontrakten trotz der Krisensituation der Baywa AG fort?

Fischer: Grundsätzlich ja. Verträge sind einzuhalten. Die finanzielle Krise der BayWa AG ändert nichts an bestehenden Verträgen mit ihr. Auch eine Beendigung des Vertrags ist nicht ohne Weiteres möglich. Besonders vereinbarte Rücktrittsreche, die dem Landwirt jetzt helfen, gibt es in der Praxis faktisch nicht. Das gesetzliche Rücktrittsrecht greift nur, wenn der Vertragspartner eine fällige Pflicht trotz Mahnung nicht erfüllt hat. In den meisten Fällen wird die BayWa AG mit der Zahlung des Kaufpreises nicht in Verzug sein, da die Vorkontrakte ihrer Natur nach eine Vorleistungspflicht der Landwirte vorsehen. Auch eine sog. Störung der Geschäftsgrundlage, die ebenfalls zum Rücktritt berechtigen könnte, liegt nicht bereits dann vor, wenn ein Vertragspartner in finanzielle Schwierigkeiten gerät.

Eine Kündigung der Verträge kommt von Vornherein nicht in Betracht, da dies ein Gestaltungsrecht lediglich im Rahmen von Dauerschuldverhältnissen wie Miet- oder Arbeitsverträgen ist. Eine Besonderheit kann sich aus den Einheitsbedingungen im Deutschen Getreidehandel ergeben. Sofern die BayWa AG die Zahlungen an einen Landwirt einstellt, erlöschen die Pflichten aus dem Vertrag; eine solche Situation ist aber noch nicht eingetreten.

Welche Möglichkeiten haben die Landwirte dann?

Fischer: In berechtigten Fällen können Landwirte aber von einem Leistungsverweigerungsrecht der Vorleistungsverpflichtung, der sogenannten Unsicherheitseinrede, Gebrauch machen (§ 321 BGB). Das ist aber nur möglich, wenn aufgrund der mangelnden Leistungsfähigkeit des Vorleistungsberechtigten, in diesem Fall der Baywa AG, die Gefahr besteht, dass der Anspruch des Vorleistungspflichtigen, also des Landwirts, auf Zahlung gefährdet wird. Dieses Leistungsverweigerungsrecht besteht so lange, bis die Gegenleistung bewirkt oder für sie Sicherheit geleistet ist. Unter bestimmten Voraussetzungen ist sogar ein Rücktritt vom Vertrag möglich.

Das in Auftrag gegebene Sanierungsgutachten zeigt, dass sich die Baywa AG in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten befindet und die Landwirte damit zu Recht in Sorge um die Bezahlung ihrer Ernte sind. Mit der Unsicherheitseinrede haben Landwirte jedoch das Recht, die Ernte zunächst einmal zurückzubehalten, bis die Baywa AG den Kaufpreis zahlt oder eine Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Diese Vorgehensweise böte – sollte es zu einer Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommen – zudem Schutz vor einer Insolvenzanfechtung, da es sich um ein Bargeschäft nach § 142 Insolvenzordnung handelt, wenn der Austausch von Leistung und Gegenleistung (hier Erntelieferung und Bezahlung) unmittelbar erfolgt.

Dennoch dürfte eine solche Handhabe viele Landwirte vor das praktische Problem der fehlenden eigenen Lagerkapazitäten stellen. Ferner bedeutet die Ausübung des Leistungsverweigerungsrecht nicht, dass die Landwirte die Ernte anderweitig veräußern dürfen, da der Vorkontrakt mit der Baywa AG unverändert fortbesteht. Für die Landwirte dürfte daher vor allem die Möglichkeit des Rücktritts von Interesse sein. Dies erfordert jedoch zunächst eine Fristsetzung, innerhalb welcher die Baywa AG im Austausch gegen die Ernte („Zug-um-Zug“) diese bezahlen oder eine entsprechende Sicherheit stellen muss.

Was würden Sie Landwirten empfehlen? 

Fischer: Zunächst sollte die eigene Vertragssituation – gegebenenfalls mit anwaltlicher Hilfe – geprüft werden. Mit den Ansprechpartnern der Baywa AG vor Ort sollte ein offenes Gespräch zur Situation geführt werden. Der Inhalt des Gesprächs sollte dokumentiert werden. Die Situation kann sich kurzfristig ändern. Es ist sowohl möglich, dass alle Erntekontrakte unproblematisch abgewickelt werden, als auch das Ausbleiben der Vergütung. Optimal bei bestehenden Vorkontrakten wäre die Vereinbarung von Sicherheiten oder von Vorkasse. Eine solche Vertragsanpassung muss rechtssicher dokumentiert werden.

Bei neuen Verträgen mit der Baywa AG ist das jetzige Risiko zu beachten und zu prüfen, ob gegebenenfalls andere Landhändler als Geschäftspartner in Betracht kommen. Ungesicherte Vorleistungen durch den Landwirt sollten vermieden werden. Sollten diese unvermeidbar sein, sind ausreichende Sicherheiten zu vereinbaren. Mindestens sollte die Lieferung von Ernteprodukten mit kurzfristigen Zahlungszielen und unter Vereinbarung eines verlängerten und erweiterten Eigentumsvorbehalts an der Ernte erfolgen.

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