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„Kinder sind keine Beifahrer in Traktoren und Landmaschinen“

Das Mitnehmen von Kindern in Landmaschinen verstößt gegen eine Reihe von Sicherheitsvorschriften und ist dennoch Alltag. Landwirte bewegen sich in einer Grauzone.

Lesezeit: 6 Minuten

Kinder haben laut Vorschriftenlage nichts in Landmaschinen oder Traktoren verloren. Dennoch ist die Aufregung groß, wenn kleine Kinder auf große Landmaschinen treffen. Eltern, Nachbarn oder Bekannte nehmen Kinder gerne mit der eigenen Maschine mit. Das bringt nicht nur Spaß, sondern trägt auch dazu bei, dass sich Kinder langfristig für das Thema Landwirtschaft begeistern.

Doch was passiert, wenn was passiert? Und wie können Sie Kinder in Traktoren und Landmaschinen schützen? Die SVLFG als Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft (LBG) und der TÜV Nord erklären gegenüber top agrar, was es versicherungstechnisch zu beachten gibt und warum es erstmal keine professionellen Kindersitze für Landmaschinen geben kann.

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Praxisferne Regelungen

Grundsätzlich gibt die Vorschriftenlage vor, dass sich Kinder auf einem Arbeitsgerät, wie einem Traktor, nur mitfahren dürfen, wenn eine geeignete Sitzmöglichkeit vorhanden ist. Die gängigen Beifahrersitze in neueren Traktoren berücksichtigen die Sicherheitsvorschriften (Sitzpolsterung, Gurtsystem), sind jedoch nur für die Verwendung von erwachsenen Beifahrern ausgelegt. Entsprechende Kindersitze für Traktoren und Landmaschinen von namenhaften Landmaschinenherstellern sucht man vergeblich.

Dass sich diese Gesetzgebung nur schwer mit der Praxis vereinbaren lässt, liegt auf der Hand. Die Folge: Grundsätzlich können Kinder nicht sicher und gesund in Traktoren mitgenommen werden. Um Kinder bei der Feldarbeit mitzunehmen, müssen sich die Landwirte selbst helfen und ihre Kinder entsprechend absichern.

Aufsichtspflicht in der Zwickmühle

Das europäische Regelwerk ist für Traktoren und Landmaschinen unterschiedlich. Landmaschinen wie Mähdrescher, Feldhäcksler oder selbst fahrende Kartofferlroder fallen unter die EU Maschinenrichtlinie 2006/42 EG. Traktoren hingegen haben eine eigene EU Verordnung (VO 167/2013 EU) mit einigen Vorschriften bezüglich des Beifahrers.

Kinder sollten also aus juristischer Sicht von schweren landwirtschaftlichen Arbeitsgeräten ferngehalten werden. Doch so einfach ist das nicht, denn es gibt einen zentralen Unterschied: Als Baustellenmitarbeiter, Lagerlogist oder Stahlwerkmitarbeiter arbeitet man nicht auf dem eigenen Grundstück – ein Landwirt macht das schon. Während also in anderen handwerklichen Berufen keine alltägliche Möglichkeit besteht, Kinder mitzunehmen, steht ein Landwirt deutlich häufiger vor der Frage: Kinder mitfahren lassen – ja oder nein?

Abseits von einem grundsätzlichen Interesse, stellt sich im Arbeitsalltag außerdem die Frage einer vorausschauenden Kinderbetreuung. Die Sozialversicherung für Landwirtschaft Forsten und Gartenbau (SVLFG) benennt dazu im Gespräch mit top agrar ein wichtiges Entscheidungsbeispiel:

Es ist Erntezeit und die Maisernte steht an. Die ganze Familie ist auf den Beinen. Auf dem Hof fahren ständig Schlepper rauf und runter. Zusätzlich wird die Silage mit mehreren Traktoren plattgedrückt. Der Vater fährt den Schlepper und die Mutter regelt die Logistik oder hilft bei der Silage mit aus.

Jetzt ist die Frage: Wo sind die Kinder am sichersten? Auf dem Hofgelände, wo ständig die Gefahr besteht, vom Traktor angefahren zu werden? In der Fahrerkabine, wo der Vater oder die Mutter immer wissen, wo sich das Kind gerade aufhält? Oder sollten sich die Kinder überhaupt nicht auf dem Hofgelände aufhalten?

Wer zahlt im Schadensfall?

Obwohl Kinder in Landmaschinen nicht erlaubt sind, werden sie häufig bei Feldarbeiten und abseits befestigter Straßen mitgenommen. Doch was passiert, wenn was passiert? Die SVLFG betont dazu, dass Kinder nicht vom Versicherungsschutz der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften gedeckt sind. Wenn es also zum Schadensfall kommt, ist die LBG nicht der Kostenträger.

Kinder verrichten in der Regel keine betriebsdienliche und damit keine versicherte Tätigkeit, sie stehen daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
SVLFG

Der Beifahrersitz sei ausschließlich für den Transport einer erwachsenen Person bestimmt, so die SVLFG. Vor allem die geringe Körpergröße ist ein Problem, denn sowohl die Lehne als auch der Beckengurt und der Fuß-Boden-Kontakt sind bei kleinen Menschen oder Kindern nicht passend angelegt, um einen entsprechenden Sicherheitsschutz zu gewährleisten.

Doch auch der SVLFG ist bewusst, dass trotzdem Kinder in Landmaschinen und Traktoren mitgenommen werden. Es sei eine „Grauzone“ so die SVLFG. Aus diesem Grund betont die Sozialversicherung die richtige Prävention und Vorbeugung von Verletzungen.

Wenn Kinder mitgenommen werden, muss sich der Fahrer seiner besonderen Sorgfaltspflicht bewusst sein und entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen.
SVLFG

Rechtliche Vorschriften blockieren das Sicherheitsangebot

Im Rahmen der Beitragsrecherche wurden alle namhaften Landmaschinenhersteller zu einer zukünftigen Verfügungsstellung von entsprechenden Kindersitzen in Landmaschinen und Traktoren angeschrieben. CASE IH, Deutz, Fendt, Valtra und Massey Ferguson gaben an, dass derzeit keine entsprechenden Kindersitze, genormt für die eigenen Modelle, in Planung sind. Die Hersteller und der TÜV Nord geben auf Nachfrage an, warum das so ist.

Es ergibt sich eine Zwickmühle zwischen Prävention und rechtlicher Absicherung. Das hat auch versicherungstechnische Auswirkungen. Ein Bespiel:  

Fendt bringt einen Kindersitz raus. Ein Landwirt bringt diesen an einem Claas-Beifahrersitz an. Es passiert ein Unfall. Nun stellt sich die Frage: Wer haftet für die anfallenden Kosten?

Fendt, weil sie das Mitfahren von Kindern provoziert haben? Claas, weil sie keinen Schutz anbieten und der Fendt Sitz nicht passgenau auf den Claas-Beifahrersitz befestigt werden kann? Oder der Landwirt, weil er das Sicherheitsrisiko falsch abgeschätzt hat?

Es erscheint aus Sicht der Landmaschinenhersteller verständlich, dass ein Angebot an Kindersitzen für das Unternehmen schnell zur juristischen Falle werden kann. Doch gleichermaßen sollte abgewogen werden, ob ein Angebot wirklich dazu führt, dass mehr Kinder mitgenommen werden Oder ob es wichtiger ist, die Kinder, die sowieso mitfahren, besser abzusichern? 

Der TÜV Nord gibt in diesem Zusammenhang an, dass das Angebot an solchen speziellen Vorrichtungen erst dann zunehmen kann, wenn die entsprechenden Gesetze angepasst werden. Dir Vorschriften seien je nach Fahrzeugklasse streng geregelt.

Für Fahrzeuge der Klasse M und N gibt es ganz klare Vorschriften für Kindersitze.
TÜV Nord

Doch der TÜV Nord verweist ebenfalls darauf, dass das Mitfahren eher zu Demonstrationszwecken dient und Kinder entsprechend abzusichern sind. Ebenfalls nennt der TÜV Nord die marktwirtschaftliche Nachfrage, aus der sich ein Angebot an Kindersitzen entwickeln könne, welche aber derzeit selten nachgefragt werden.

Einheitlich und teuer – Standardlösungen für alle Traktormodelle

Auch wenn die namhaften Landmaschinenhersteller keine entsprechenden Lösungen anbieten, stößt man im Internet schnell auf entsprechende Angebote. Egal ob Amazon, der Agrar-Profi24 Shop oder die BayWa AG, das Angebot ist groß, der Preis noch größer. Angefangen bei 230 € können sich Eltern entsprechend der Gesetzgebung ausrüsten.

Anders als ein normaler Beifahrersitz mit Beckengurt erhält man hier einen Sitz in entsprechender Größe mit Haltevorrichtung, 5-Punkt-Gurt und Kopfstütze. Jedoch können diese Sitze nicht einfach am Beifahrersitz befestigt werden, sondern müssen an eine entsprechende Plattform, wie z.B, einen Kotflügel angeschraubt werden. Dass diese Befestigungsmöglichkeit vor allem in modernen Fahrerkabinen nicht gegeben ist, stellt ein weiteres Problem bei der Prävention von Verletzungen dar.

Im Zweifel muss man selbst ran

Wer nicht in teure Kindersitze aus dem Internet investieren möchte, kann sich auch auf YouTube kreativ inspirieren lassen. YouTube-Kanäle wie Mr.Moto oder selber g´macht zeigten, wie man aus Bierkästen oder Plastik-Kindersitzen entsprechende Vorrichtungen zusammenschweißt.

Aber: Die LBG rät von selbstgebauten Sitzen dringlich ab. Hier muss beachtet werden, dass es sich nicht um baumustergeprüfte Kindersitze handelt und im Schadensfall Sie als Landwirt zur Rechenschaft gezogen werden können.

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