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topplus Schnee kein Unwetterschaden?

Mehrgefahrenversicherung zahlt nicht bei Schneedruck - Landwirt sauer

Ende April walzte Schnee den Raps von Jörg Stolle platt. Der Landwirt ist gegen Unwetterschäden versichert – aber Schnee zählt nicht dazu. Kurz vor der Ernte kocht die Wut hoch.

Lesezeit: 4 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Jörg Stolle ist sauer auf seine Mehrgefahrenversicherung. Die Witterung hatte seinem Raps zugesetzt. „Ich schätze, dass ich einen Schaden von 10.000 € habe“, sagt der Ackerbauer.

Der 53-Jährige bewirtschaftet in Detmold im Kreis Lippe insgesamt 130 ha, davon 22 ha Raps. Ab 10. August will er ernten. Aber der Bestand sieht schlecht aus: Schwarz-braune Stängel vermengen sich mit grünen Pflanzen. ­Einige blühen. Die Schoten sind teils prall gefüllt, teils leer. Viele Pflanzen sind mit Erde beschmutzt. „Ein Trauerspiel“, sagt Stolle. Das Unkraut wuchert, Pilzkrankheiten breiten sich aus. Erträge von 40 dt/ha wie 2023 sind undenkbar.

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Schnee hat Raps geplättet

Was ist passiert? In der Nacht vom 20. auf den 21. April hatte eine rund 10 cm dicke Schneeschicht den blühenden Raps begraben. „Der komplette Bestand war platt, als ob jemand mit der Walze drübergefahren wäre“, erinnert sich der Landwirt. Er meldete das sofort der „Vereinigten Hagelversicherung“. Der Vertreter begutachtete den Bestand. Geld bekam der Landwirt nicht.

Wozu eine Versicherung?

Schneedruck zählt in der Regel nicht zu den Risiken einer Mehrgefahren- bzw. Hagelversicherung, bestätigt die Versicherung auf Anfrage des "Wochenblattes für Landwirtschaft und Landleben". (siehe Kasten).

Stolle fühlt sich betrogen. „Wozu brauche ich so eine teure Versicherung?“, sagt er empört. Seit 20 Jahren hat er die Hagelversicherung. Vor fünf Jahren sattelte er die Mehrgefahrenversicherung drauf. „Mir wurde das als ,Rundum-sorglos-Paket‘ angeboten“, erzählt der Landwirt. Er zahlt jährlich rund 2000 € an Prämien.

„Schneedruck als Gefahr spielte bisher keine Rolle“

Auf Anfrage des "Wochenblattes für Landwirtschaft und Landleben" bezieht die Vereinigte Hagelversicherung zu dem Fall Stellung:

„Schneedruck ist als Risiko für Ernteschäden in Deutschland zurzeit nicht versicherbar. Hierfür gibt es keine Deckung, sodass eine Police auch nicht greifen kann. Bislang gab es seitens der Landwirte keine Nachfrage. Schneedruck als Gefahr spielte bisher keine Rolle, wird aber tendenziell aufgrund des Klimawandels zunehmen. Das klingt auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, erklärt sich aber durch einen immer früheren Vegetationsstart mit einhergehender Gefahr von Kälteeinbrüchen, die mit Schneefall verbunden sein und je nach Intensität und Entwicklungsstand der Kulturen zu nennenswerten Ertragsverlusten führen können. In der Versicherungsprämie wird die Gefahr Schneedruck derzeit nicht berechnet und demzufolge keine Haftung für diese Gefahr seitens der Ver­sicherer übernommen. Sollte die Nachfrage nach einem entsprechenden Versicherungsprodukt wie beispielsweise in den Niederlanden oder im Baltikum bestehen, ist zu prüfen, zu welchen Bedingungen diese Gefahr auch hierzulande mit angeboten werden kann.“

Mehrgefahrenversicherungen: Wette auf ein einzelnes Ereignis

Bernhard Post, Geschäftsführer der Westfälisch-Lippischen Ver­sicherungs- und Unternehmensberatungsgesellschaft, Saerbeck, kann den Unmut verstehen. „Der Klimawandel lässt sich nicht mit einzelnen definierten Risiken abdecken“, kritisiert er. Der Versicherungsberater plädiert für eine betriebsbezogene „echte Klima-/ Wetterversicherung“, die punktuelle und regionale Schäden durch den Klimawandel abdeckt. „Für die Landwirtschaft bedarf es nicht einer Wette auf ein einzelnes Ereignis, wie es die Mehrgefahrenversicherungen vorsieht“, so Post.

Eine Ausnahme ist die reine Hagelversicherung. „Da ist der Schaden klar erkenn- und messbar und wird entschädigt“, unterstreicht der Versicherungsberater. Diese zahlt, wenn mindestens 8% des Bestandes geschädigt sind. Dabei müssen die Pflanzen durch die Hagelkörner angeschlagen, geschlitzt oder geknickt sein. Aber Stolles Bestand war lediglich geplättet. „Wie soll eine Pflanze brechen, wenn der Boden weich ist“, meint der Ackerbauer. Er hätte erwartet, dass die Versicherung sich zumindest etwas kulant zeigt. „Da liegen jetzt mehrere 1000 € im Dreck und die Versicherung rührt sich nicht.“ Der Ackerbauer sieht Ertrags­einbußen, Qualitätsabzüge sowie höhere Kosten für Trocknung und Lohnunternehmer auf sich zukommen. „Ob das überhaupt durch den Drescher geht“, fragt er sich beim Anblick des Rapsbestandes.

Ernte wird schwierig

Ferdinand Falke, Pflanzenbauberater der Landwirtschaftskammer NRW im Kreis Paderborn, sieht ähnliche Probleme: „Da die Haupttriebe weiterhin am Boden liegen, wird das Dreschen deutlich erschwert. Hinzukommt, dass sich die Bestände durch Bildung von Nebentrieben und lang anhaltender Blüte unterschiedlich ent­wickelt haben und sehr ungleichmäßig abreifen.“ Wie die Ernte ­unterm Strich ausfällt, bleibe abzuwarten, so der Berater.

Etwas anderes bleibt Jörg Stolle momentan nicht übrig. Allerdings hat der Ackerbauer bereits seine Konsequenzen gezogen und alle Verträge bei der Vereinigten Hagel gekündigt. Sein persönliches i-Tüpfel­chen waren die starken Regenfälle im Juni: Erst 70 mm und fünf Tage später 65 mm. Die setzten dem Raps erneut zu. Die Versicherung habe dem Landwirt jedoch mitgeteilt, „dass man nichts machen könne. Denn der Raps sei vorgeschädigt.“

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