Vom 1. Oktober 2022 bis zum 31. März 2024 dürfen Energieversorger für Erdgas- und für Fernwärmelieferungen nur 7 % Umsatzsteuer verlangen. Mit dieser Entscheidung wollte die Bundesregierung im vergangenen Jahrein starkes Signal senden und die Verbraucher von den hohen Energiekosten entlasten. Nun stellt sich heraus: Einige Haushalte und Betriebe profitieren stärker von diesem Steuerbonus als andere. Darauf macht Rechtsanwalt und Steuerberater Dietrich Loll, Leiter der ETL SteuerRecht in Berlin, aufmerksam.
Die Ungleichheit rührt von den unterschiedlichen Methoden her, mit denen die Versorger die Verbräuche erfassen:
- Beim Stichtagsmodell erfassen Energieversorger den Verbrauch zu einem bestimmten Tag, in der Regel zum Jahresende. In der Abrechnung können die Unternehmen dann den Verbrauch mit dem zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen Umsatzsteuersatz verrechnen. Eine reguläre Ablesung zum Ende des Jahres 2022 würde also nur 7 % statt 19 % für das gesamte Jahr 2022 ergeben.
- Beim Zeitscheibenmodell wird das gelieferte Gas bzw. die gelieferte Fernwärme gedanklich in zwei Lieferungen aufgeteilt. Die Folge: Für einen Teil der Gas- bzw. Fernwärmelieferung gelten 19 % Umsatzsteuer (Anfang Januar 2022 bis Ende September 2022). Für den anderen der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 %.
Nur unter Vorbehalt zahlen
Die Ampelkoalition habe bei der Verabschiedung des Gesetzes vor allem das Stichtagsmodell vor Augen gehabt, um die Verbraucher zu entlasten, so Loll. „Dass sich nun ausgerechnet einige Versorger quer stellen, ist in der Tat ein Ärgernis“, resümiert Loll.
Die Versorger berufen sich auf die jeweilige Grundversorgungsverordnung (GVV), die eine Abrechnung nach dem Zeitscheibenmodell vorsieht. "Dass diese im Zuge der Umsatzsteuersatzänderungen bisher noch nicht vom Verordnungsgeber novelliert wurde, ist zwar etwas unverständlich, aber derzeit leider Fakt", fügt Loll hinzu. Um die Steuersatzermäßigung aber auch für das gesamte Jahr 2022 zu erhalten, sollten betroffene Verbraucher unbedingt ihren Versorger kontaktieren und darauf hinweisen, dass sie die Abrechnung nicht bzw. nur unter Vorbehalt akzeptieren.
Derzeit gebe es allerdings noch keine höchstrichterliche Entscheidung. Daher rät Loll eine einvernehmliche Lösung mit dem Versorger anzustreben.Verbraucher könnten sich dabei an die Verbraucherzentrale oder direkt an die Schlichtungsstelle Energiewenden. Letztere informiert beispielsweise auf ihrer Website in den FAQ allgemein über das mögliche Vorgehen.
Vermieter: keinen Ärger riskieren
Unternehmen, die nicht oder nur zum Teil vorsteuerabzugsberechtigt sind, sollten sich von einem Rechtsanwalt beraten lassen. Und auch Vermieter und Hausverwalter, die die Abrechnungen für ihre Mieter bzw. Kunden vornehmen, müssen aufpassen, dass sie am Ende nicht selbst auf einer zu hohen Abrechnung sitzen bleiben, wenn sich der Mieter oder Kunde weigert, die zu hohe Umsatzsteuerabrechnung zu bezahlen.