Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Baywa in Insolvenzgefahr Ernte 2024 Afrikanische Schweinepest

topplus Ausbildung ist Teamarbeit

Wenn sich Betriebe einen Lehrling teilen und gemeinsam ausbilden

Schließen sich Landwirte zu einem Verbund zusammen, kann das die Ausbildung verbessern und den Betrieb für Bewerber attraktiver machen. Das Landgut Nemt in Sachsen zeigt, wie das gehen kann.

Lesezeit: 9 Minuten

„Im Jahr 2021 sind bei uns zeitgleich vier Leistungsträger in Rente gegangen. Für die Neubesetzung trudelten kaum Bewerbungen ein. Da merkte ich: Wir haben unsere langfristige Personalplanung schlichtweg versäumt“, gibt Christoph Döbelt zu. Daher entschied er sich dazu, künftig seine nächste Generation Fachkräfte selbst auszubilden.

Döbelt ist Leiter der Landgut Nemt-Gruppe in Wurzen (Sachsen) und Initiator der Verbundausbildung. Er sagt: „Ich hatte außerdem das Gefühl, wir kümmern uns im Betrieb nicht ausreichend gut um die Auszubildenden.“ So entstand die Idee für den „Muldentaler Ausbildungsverbund“, der sechs Agrarunternehmen in der Wurzener Region umfasst und insgesamt rund 15 Auszubildende koordiniert.

Ökologische Landwirtschaft auf 1.500 ha

Döbelts Vater übernahm 1992 eine landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) und stellte sie schrittweise auf Bio um. Heute umfasst die Landgut Nemt-Gruppe vier Betriebe: Den Bioackerbau mit 1.000 ha, einen Biomilchviehstall mit 730 Milchkühen und 500 ha Fläche, eine Hofmolkerei mit Direktvermarktung und eine Ökogasanlage mit 1 MW Leistung. Insgesamt beschäftigt die Gruppe 66 Festangestellte, 50 Saisonarbeitskräfte und fünf Auszubildende.

Die Idee: Mehr Austausch und ein gemeinsames Profil

Wie funktioniert nun so ein Verbund, wie viel Aufwand steckt dahinter und welche Vorteile bringt er mit? Ganz neu ist die Idee der Verbundausbildung nicht. Bereits das Berufsbildungsgesetz sieht vor, dass eine Zusammenarbeit mit anderen Betrieben stattfinden kann. Damit will der Gesetzgeber vor allem Auszubildende in kleineren oder hoch spezialisierten Betrieben eine breit gefächerte Lehre bieten. Und für Auszubildende in der Landwirtschaft gilt laut Gesetz: Jeder Azubi muss in den Stall und auf den Acker.

Die Ausbildung im Verbund geht einen Schritt weiter und bietet mehr Wechsel zwischen den Höfen, betriebsübergreifende Lehrveranstaltungen und eine gemeinsame Recruiting-Strategie der Betriebe an. Für beide Seiten hat das Vorteile: Die Betriebe werden zu attraktiveren Arbeitgebern. Und für die jungen Erwachsenen erweitern sich neben den fachlichen auch die sozialen Fähigkeiten. Sie lernen, mit verschiedenen Ausbildern und Kollegen zu arbeiten und sich auf neue Aufgaben einzulassen.

Schnell gelesen

  • Der Muldentaler Ausbildungsverbund umfasst sechs Betriebe und rund 15 ­Azubis.

  • Das Ziel: Mehr Bewerbungen erhalten und bessere Fachkräfte ausbilden.

  • Azubis erhalten einen strukturierten Plan, der vorgibt, wann sie auf welchem Betrieb sind.

  • Der Verbund organisiert Lehrveranstaltungen, das gemeinsame Recruiting und Weiterbildungen.

  • Für den zusätzlichen Zeitaufwand können Landwirte eine Förderung beantragen.

Betriebe müssen den Rahmen abstecken

Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit im Verbund eine lockere Form, für die es keine Vorschriften gibt – konkrete rechtliche Regelungen sind den Beteiligten überlassen. Trotzdem müssen sich die Betriebsleiter im Vorfeld absprechen. Das betrifft vor allem die Lohn-, Sach- und Organisationskosten sowie Haftungsfragen.

Die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen unterscheidet zwischen fünf Modellen, wie die Zusammenarbeit zwischen den Betrieben aussehen kann (siehe Infokasten). Der Muldentaler Ausbildungsverbund hat sich für das Modell „Leitbetrieb mit Partnerbetrieben“ entschieden. Und das sieht so aus: Der Azubi schließt einen Ausbildungsvertrag mit seinem Leitbetrieb ab. Dieser übernimmt alle Ausbildungskosten, die Haftung etc. und kümmert sich um den Aufenthalt in den Partnerbetrieben.

Fünf mögliche Modelle

Leitbetrieb mit Partnerbetrieb(en): Der Leitbetrieb ist für die Ausbildung insgesamt verantwortlich. Er schließt den Ausbildungsvertrag ab, zahlt die Ausbildungsvergütung und organisiert die zeitweilige Ausbildung in dem oder den Partnerbetrieb(en). Die Voraussetzung: Beide Partner müssen als Ausbildungsbetrieb anerkannt sein und über einen Ausbilder verfügen. Die volle Verantwortlichkeit für die Gesamtausbildung verbleibt beim Leitbetrieb.

Auftragsausbildung: Einzelne Ausbildungsabschnitte werden gegen Kostenerstattung an andere Betriebe oder Bildungsträger vergeben.

Ausbildungsverein: Betriebe, die nur bestimmte Teilbereiche der vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte vermitteln können, schließen sich auf vereinsrechtlicher Ebene zusammen. Der Verein übernimmt alle organisatorischen Aufgaben und tritt als Ausbildender auf, während die Mitgliedsfirmen die Ausbildung nach den Vorgaben des Vereins durchführen. In den Mitgliedsfirmen muss ein Ausbilder vorhanden sein. Grundlagen für die Anerkennung dieser Organisationsform sind das Gesamtkonzept und die Verhältnisse in den Mitgliedsbetrieben.

Konsortium: Mehrere Betriebe stellen jeweils Auszubildende ein und tauschen diese zu vereinbarten Phasen untereinander aus.

Koppelausbildung: Der vorab geplante Wechsel des Auszubildenden in mehrere Betriebe ist fester Bestandteil des Ausbildungsablaufes. Für eine Anerkennung als Ausbildungsbetrieb muss jeder Koppelbetrieb den überwiegenden Teil der Ausbildungsinhalte vermitteln können. Eine Koppelausbildung ist laut den Kammern nur sinnvoll, wenn mindestens ein Drittel der Gesamtausbildungszeit in einem Koppelbetrieb abgeleistet wird, ansonsten ist eine Ausbildung nach dem Modell „Leitbetrieb“ mit Partnerbetrieb(en) zu empfehlen. Es wird i. d. R. von zwei bis drei beteiligten Ausbildungsbetrieben ausgegangen, wobei der Auszubildende mit den beteiligten Ausbildungsbetrieben jeweils einen eigenen Vertrag abschließt.

Drei Jahre Förderung

Die einzelnen Bundesländer bieten Förderprogramme für die Verbundausbildung an, vor allem für die entstehenden Kosten durch den zusätzlichen Organisationsaufwand. Die Zahlungen sind als Anschubfinanzierung auf einen Zeitraum von drei Jahren limitiert.

Schlussendlich sollen die Betriebe die dauerhafte Verbundausbildung selbst stemmen können. Zum Teil geben die Förderrichtlinien der Bundesländer die Organisationsstruktur des Verbundes vor – hier sollten sich interessierte Betriebe bei den zuständigen Kammern bzw. Beratungsstellen informieren.

Das Land Sachsen bietet beispielsweise eine Pauschale von 150 € pro Ausbildungswoche im Verbundbetrieb an. In der Gründungsphase erhielt der Muldentaler Ausbildungsverbund zudem eine Projektförderung von der Fachkräfteallianz des Landkreis Leipzig.

Der Aufbau des Ausbildungsverbundes im Jahr 2021 erfolgte durch die vorherige Herdenmanagerin des Milchguts Michaela Richter. Sie konnte sich aufgrund der Förderung nun voll auf die Organisation des Verbundes konzentrieren. Das war laut Döbelt auch gut so: „Die Betriebsleiter haben oft alle Hände voll mit dem operativen Geschäft und der Bürokratie zu tun.. Die Ausbildung kommt daher oft zu kurz.“

Vertrauen ist die Basis

Informiert haben sich Döbelt und Richter zunächst bei anderen Ausbildungsverbünden und dem Landesbauernverband. Ihnen gefiel die Idee, dass die Azubis von verschiedenen Betriebsleitern lernen. „Jeder hat andere Herangehensweisen. Allein sowohl die konventionelle als auch die ökologische Wirtschaftsweise zu kennen, halte ich für sehr wichtig. In der Schule stehen in der Regel die konventionellen Ansätze im Vordergrund“, sagt Döbelt.

In ihrem Umfeld suchten sie also andere Betriebsleiter, die Lust auf eine enge Zusammenarbeit haben und wurden mit William Paulsen von der Paulsen GmbH schnell fündig. Die Familien Paulsen und Döbelt arbeiten bereits seit Jahrzehnten zusammen, teilen das Getreidelager und die Gemüsevermarktung – ein eingespieltes Team.

Eine Voraussetzung für einen funktionierenden Verbund sei also das Engagement und Vertrauen der Betriebsleiter untereinander. „Wenn ich das Gefühl hätte, Paulsen wird mir meine Mitarbeiter oder Azubis abwerben, würde das nicht funktionieren“, sagt Döbelt. Außerdem sollten die Hofstellen für den betriebsübergreifenden Austausch nicht zu weit weg voneinander liegen.

Nicht für alle Betriebe ist die Verbundausbildung geeignet. Das mussten auch die Muldentaler feststellen. Im Laufe der Zeit stieg ein Ausbilder aus. . Knackpunkt: Er schickte selten Azubis zu den gemeinsamen Lehrveranstaltungen oder auf andere Höfe. „Andere Dinge waren immer wichtiger – das hat nicht funktioniert“, sagt Döbelt. Daher lösten sie die Zusammenarbeit mit ihm wieder auf.

„Der Schüler von heute ist der Azubi von morgen, wenn wir uns im Praktikum bemühen.“
Christoph Döbelt

Um mehr junge Leute von der Verbundausbildung zu begeistern, warben die Ausbildungsbetriebe in den Sozialen Medien für das Konzept. Das bracht aber nicht den gewünschten Effekt. Michaela Richter besuchte daher die umliegenden Schulen und Jobmessen – mit Erfolg.

Döbelt weiß: „Der Schüler von heute ist der Azubi von morgen, wenn wir uns im Praktikum bemühen. Die investierte Zeit erhöht die Chance, dass er sich für die Lehre bei uns entscheidet.“ Der Landwirt hat einen weiteren Tipp: Für das Ende des Praktikums bzw. der Ausbildung hat der Verbund einen Feedbackbogen entwickelt, den der Betriebsleiter ausfüllt und einen weiteren, in dem der Mitarbeiter seine Ausbildung bewerten kann. So können sich beide Seiten verbessern.

Ein individueller Plan für jeden Lehrling

Entscheidet sich ein angehender Landwirt für einen der Mitgliedsbetriebe, wird ein je nach Interessen, Saison und vorhandenem Führerschein angepasster Ausbildungsplan erstellt. Der 20-Jährige Cedric Scheidig, Azubi im dritten Lehrjahr auf dem Ackerbaubetrieb Nemt, wechselte z. B. in regelmäßigen Abständen zwischen dem Ackerbau und der Milchproduktion. Zusätzlich konnte er in die Partnerbetriebe, wie in den Biohof Paulsen reinschnuppern. Dort arbeitete er insgesamt sechs Wochen.

Das Herzstück sind die Lehrveranstaltungen: Schnacken, Grillen, Lernen

Neben den Betriebswechseln bietet der Verbund regelmäßige Lehrveranstaltungen. Die bilden sozusagen das Herz der Ausbildung. Im August startet die Gruppe mit einem gemeinsamen Grillen, um das Eis zu brechen. „Gerade bei Betrieben mit mehreren Dutzend Mitarbeitern ist es gut, wenn die Neuen schon ein paar Gesichter kennen“, so Paulsen.

„Das ist nicht mehr nur Ausbildung zwischen Tür und Angel.“
Cedric Scheidig

Anschließend treffen sich die Azubis alle vier Wochen und diskutieren mit den Betriebsleitern über ein Thema, sei es das Hacken oder der Pflanzenschutz. Die Gruppe misst Liegeboxen oder übt im Weizenfeld die Pflanzenbonitur. Am Abend findet der gemeinsame Ausklang bei Pizza und Getränken statt. Cedric Scheidig ist überzeugt: „So haben wir viel mehr Raum um Fragen zu stellen. Das ist nicht mehr nur Ausbildung zwischen Tür und Angel.“

Scheidig sieht einen weiteren Vorteil: Denn die jungen Lehrlinge tauschen sich häufiger aus, klären einfache Fragen schnell untereinander, statt die Facharbeiter zu fragen. „Ich weiß ja, welche Technik auf dem Partnerbetrieb ist, weil ich selbst schon dort war. Deshalb kann ich meinem Kollegen helfen oder er mir und wir entlasten die Chefs.“

Die Organisation und die enge Betreuung kosten viel Zeit. Und hier liege laut Paulsen das größte Risiko. Er sagt: „Man ärgert sich, wenn mal jemand nicht kommt oder doch aussteigt aus der Lehre. Aber die Lebensumstände einer so jungen Person können sich immer noch einmal ändern.“ Im besten Fall lohnt sich jedoch die Investition und nach drei Jahren steigen die Azubis als fähige Arbeitskraft in den Betrieb ein.

Auch nach dem Ausbildungsende organisiert der Verbund interne und externe Fortbildungen, mit dem Ziel, dass sich alle Mitarbeiter permanent weiterentwickeln. Seien es Besamungs-, Klauenpflege- oder Schweißkurse oder der Kettensegenschein.

Wichtiges für den Einstieg

Ist das Konzept nun auf andere übertragbar? Je mehr junge Mitarbeiter ein Betrieb hat, desto sinnvoller ist der Zusammenschluss mit Berufskollegen, findet Döbelt. Vor allem Betriebe, die ihre Azubis übernehmen wollen, sollten die Ausbildung nicht nur nebenher laufen lassen, sondern sollten sich intensiv mit ihnen beschäftigen. „Und es braucht immer jemanden, der Lust auf die Lehrveranstaltungen hat“, ergänzt er. Ansonsten sei der Einstieg sehr niederschwellig. Er würde es beim nächsten Mal sogar ohne die Förderung versuchen. Denn, obwohl der Landwirt ohne die Förderung kaum freie Kapazitäten gehabt hätte, sei ihm der ganze Antrag „viel zu bürokratisch“.

„Für uns sind die monatlichen Lehrtreffen und die gemeinsamen Abende der Schlüssel zu einer besseren Ausbildung.“
Christoph Döbelt

Ansonsten müsse man überlegen, welche Betriebe im Umkreis infrage kommen, mit deren Leitern die „Spielregeln definieren“ und z. B. einen Kooperationsvertrag aufsetzen und schlussendlich brainstormen: Was bringt die Azubis weiter? „Für uns sind die monatlichen Lehrtreffen und die gemeinsamen Abende der Schlüssel zu einer besseren Ausbildung“, fasst Döbelt zusammen.

Mehr zu dem Thema

top + Ernte 2024: Alle aktuellen Infos und Praxistipps

Wetter, Technik, Getreidemärkte - Das müssen Sie jetzt wissen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.