Eine lukrative Stromvermarktung ist für viele Biogasanlagenbetreiber essentiell: Die Festvergütung nach dem EEG reicht heute häufig nicht aus, um die ständig steigenden Kosten für Rohstoffe, Technik oder Investitionen, die durch nachträglich auferlegte Auflagen nötig werden, zu decken.
Das musste auch die Riedl Unterahrain Unternehmensgruppe aus dem bayerischen Essenbach feststellen, die zwei Anlagen mit je 560 kW in Bayern und Brandenburg betreibt. „Ein Ausweg sind höhere Erlöse. Aber der Strommarkt selbst reicht dafür nicht aus“, erklärt Firmeninhaber Michael Riedl. Zudem suchte er für die eine Anlage, die Bioenergie Unterahrain (BEU), eine Weiterbetriebsoption. Denn sie kommt 2031 ans Ende der 20-jährigen EEG-Förderung. All das war die Motivation, sich im Jahr 2023 mit dem Thema Stromtankstellen zu beschäftigen.
Die Technik
Die Tankstelle ist 100 m von der Biogasanlage entfernt und wird über ein eigenes Stromkabel versorgt. Das hat den Vorteil, dass er keine Stromsteuer bezahlen muss. Die BHKW laufen fast komplett durch. „Wir wollen sie aber künftig mithilfe des Direktvermarkters fahrplanoptimiert betreiben“, sagt er.
Während die Genehmigung für die E-Tankstelle laut Bayerischer Bauordnung genehmigungsfrei ist, war das der Parkplatz nicht. Zudem benötigte die BEU eine Zulassung vom Hauptzollamt als „eingeschränkter Versorger nach dem Stromsteuergesetz“.
Der gepflasterte Parkplatz ist beleuchtet und öffentlich ausgeschildert.
Der Betrieb
Die Anlaufphase war laut Riedl sehr mühsam. „Anfangs kamen nur sehr wenige Kunden.“ Denn die Tankstelle war zunächst nicht in Portalen von E-Tankstellen aufgeführt. Das ist aber für die E-Auto-Fahrer essentiell. Denn darin kann ein Fahrer auch sehen, ob die Ladesäulen belegt sind oder nicht. Daher hat er die Anmeldung schnell nachgeholt, wodurch die Besuchszahlen stiegen. Zudem gab es einige Störungen aufgrund falscher Einstellungen im Ladeportal, die sich aber schnell lösen ließen.
Die Anlage muss einmal im Jahr von einem Servicetechniker überprüft werden. „Ansonsten macht sie kaum Arbeit, vieles der geringen Wartungsarbeiten kann man auch selbst machen“, sagt Riedl. Aufwändiger ist dagegen die Verwaltung vom Büro aus.
Die Wirtschaftlichkeit
Die Investitionskosten von rund bei 100.000 € konnte er damals noch mit der Förderung zur Elektromobilität vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu 80 % decken. „Das Programm ist aber inzwischen ausgelaufen. Jetzt gibt es nur noch ein bayerisches Förderprogramm, das 40 % der Kosten übernimmt“, erklärt er.
Riedl kalkuliert mit einem Verkauf von 180.000 kWh/Jahr, das wären 500 kWh pro Tag. Bei zwei Ladesäulen mit je 50 kW Ladeleistung wäre das eine Auslastung pro Ladesäule von 1,2 Stunden am Tag, also 5 % der Tagesstunden. „Ab etwa 1 Stunde Auslastung pro Ladepunkt kann sich die Tankstelle rechnen“, hat er festgestellt.
180.000 kWh bedeuten Einnahmen von 70.000 €/Jahr (bei einem Erlös von 40 ct/kWh). „Wir sind mit 40 ct etwa 4 bis 5 ct günstiger als sonst üblich, womit wir einen attraktiven Ladepreis bieten“, erklärt er.
Zu diesen Einnahmen kommen 10.000 € als Einnahmen vom Verkauf der Treibhausminderungsquote (THG-Quote). Hier rechnet er im Schnitt mit 5 ct/kWh, wobei die Spanne in den letzten Jahren zwischen 3,5 und 10 ct/kWh lag. „Der Preisverfall hat sich mit den Betrugsfällen aus China ergeben, den auch wir zu spüren bekommen haben“, sagt er. Damit summieren sich die Einnahmen auf 80.000 €/kWh.
Die Biogasanlage liefert Strom für 19,5 ct/kWh. Das wären 35.000 € Ausgaben für die E-Tankstelle. Riedl rechnet zusätzlich 5 % Lade- bzw. Leitungsverluste (zusammen 10.000 €) und 5000 € für sonstige Ausgaben, also in Summe 50.000 €. „Zieht man diese Ausgaben von den 80.000 € Einnahmen ab, bleiben jedes Jahr 30.000 € zur Deckung der Investitionskosten“, rechnet Riedl vor.
Der Ausblick
Riedl plant inzwischen sieben Ladeparks mit 400 kW-Ladesäulen, wofür er Förderanträge gestellt hat. Der Strom soll bilanziell von den beiden Biogasanalgen aus Brandenburg und Bayern zu den Ladeparks kommen. Bei dieser Stromvermarktung helfen Direktvermarkter wie z.B. Energy2market (e2m) oder Trianel. „Das ist aber ein sehr komplexes Thema mit wenig Erfahrung und ohne bestehendes Beispiel“, warnt Riedl.
Das Resümee
Nach über ein Jahr Erfahrung nennt er folgende Vor- und Nachteile:
Pro: Die Stromtankstelle ermöglicht einen einfachen Betrieb mit wenig laufenden Arbeiten und Arbeitsstunden vor Ort. Es lässt sich auch gut in das Biogaskonzept integrieren. Zudem bietet es eine höhere Wertschöpfung aus der Stromvermarktung.
Kontra: Riedl hält nicht jede Region für geeignet, da die Kunden eine gewisse Finanzstärke benötigen. Zudem ist viel Organisation im Büro für Verhandlungen mit demd Zoll, en Netzbetreibern sowie für Bilanzkreis, Förderprogramme, Ladekartenabrechnungen usw. nötig.
Erfolgsfaktoren für eine Stromtankstelle
Riedl hält folgende Voraussetzungen für den erfolgreichen Betrieb einer Stromtankstelle für wichtig:
Die Entfernung zwischen BHKW und Tankstelle sollte möglichst kurz sein, um die Baukosten für die Direktleitung zu begrenzen.
Um die Bedürfnisse der Kunden richtig erfassen zu können, sollte jeder Ladesäulenbetreiber selbst ein E-Auto fahren und das ganze System damit verstehen lernen.
Die Ladesäule muss verkehrstechnisch günstig liegen, damit man auch zufällig Vorbeifahrende als Kunden gewinnen kann.
Der Parkplatz muss barrierefrei zu erreichen sein. Auch ist eine öffentliche Ausschilderung wichtig.
Das Umfeld sollte ansprechend gestaltet sein, um die Wartezeit zu verkürzen. Dazu gehören wie bei einer normalen Tankstelle das Angebot von Snacks und Getränken, die Möglichkeit zur Autoreinigung, eine Sitzbank sowie eine Bepflanzung, um das Umfeld schön zu gestalten. „Wir haben einen Automaten mit Produkten aus unserem Hofladen aufgestellt“, sagt der Landwirt.
Mit einer eigenen Ladekarte und Vorzugspreisen kann man Kunden binden.
Riedl rät, darauf zu achten, dass der Standort erweiterbar ist. Auch sollte die Ladeleistung mindestens 150 kW betragen. Eine höhere Ladeleistung (gleich kürzere Ladedauer) erhöht die Zahlungsbereitschaft.
Ab 10 % Auslastung einer Ladesäule sollte besser eine zweite errichtet werden, um die Kunden nicht durch lange Wartezeiten zu verlieren.