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Biomethan: Clusterprojekte stark im Kommen

Immer mehr Biogasanlagenbetreiber schließen sich mit Berufskollegen zusammen, um gemeinsam Biomethan zu erzeugen. Ein Biomethanexperte erklärt, welche Perspektiven das bietet.

Lesezeit: 7 Minuten

Der Markt für Biomethan ist nach einem Hoch im Fahrwasser der Gaskrise aus dem Jahr 2022 merklich abgekühlt. Bei vielen Betreibern hat der Absturz der Preise für Treibhausminderungsquoten (THG-Quoten) aufgrund des massenhaft importierten chinesischen Biodiesels aus Palmöl für Ernüchterung gesorgt. Doch auch die Stromerzeugung bietet für viele Betreiber aufgrund der geringen Ausschreibungsmengen und der sinkenden EEG-Vergütung keine Perspektive. Darum gibt es aktuell einen starken Trend zu sogenannten Clusterprojekten, bei denen sich fünf bis sechs Anlagen zusammenschließen und gemeinsam Biomethan erzeugen. Welche Perspektiven der Markt bietet und worauf sich Anlagenbetreiber einstellen sollten, schildert im top agrar-Interview Biomethanexperte Henning Dicks vom Dienstleister agriportance aus Münster.

Mit dem Absturz der Preise für THG-Quoten fehlt Betreibern von Biomethananlagen ein wichtiger Zusatzerlös, um rentabel Biomethan produzieren zu können. Das wäre gerade bei den stark gesunkenen Preisen für fossiles Erdgas wichtig. Welche Auswirkungen hat das auf den Biomethanmarkt allgemein?

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Dicks: In der Tat ist bei einigen Betreibern, die noch vor 1,5 Jahren in der Biomethanproduktion die Rettung gesehen haben, Ernüchterung eingetreten. Aber auch LNG- oder Biomethanhändler haben mit den veränderten Preisen teilweise stark zu kämpfen.  Denn sie haben Abnahmeverträge mit höheren Preisen abgeschlossen und können das Gas jetzt nur zu niedrigen Preisen abgeben. Dennoch ist der Biomethanmarkt nicht tot, im Gegenteil: Allein in unserem Unternehmen stellen wir pro Monat im Schnitt zwei neue Biomethananlagen in Deutschland fest. Denn wegen des geringen Ausschreibungsvolumens erhalten viele Betreiber nach dem EEG-Ende keine Anschlussvergütung. Und wenn sie einen Zuschlag erhalten, ist die Vergütung zu niedrig für einen wirtschaftlichen Betrieb. Als Lösung gilt zwar der Wärmeverkauf. Aber auch hier wachsen mit aktuellen Preisen von 4 bis 6 ct/kWh die Erlöse nicht in den Himmel. Gleichzeitig hat die Ankündigung der EU von Strafzöllen auf chinesischen Biodiesel den Quotenpreis stabilisiert bzw. leicht ansteigen lassen. Wir gehen daher davon aus, dass der deutsche Biomethanmarkt im nächsten Jahr um mindestens 10 % wachsen wird. 

Was sind das für Projekte?

Dicks: Es gibt eine starke Tendenz zu Cluster- bzw. Sammelprojekten, bei denen sich fünf bis sechs bestehende Biogasanlagen zusammenschließen, ihr Rohgas zu einer gemeinsamen Aufbereitung leiten und Biomethan erzeugen. Auf der Biogasmesse in Nürnberg 2023 nach dem Ausschreibungstermin für die Anschluss-EEG-Vergütung konnte man einen ersten Schub feststellen, jetzt nimmt das Thema langsam Fahrt auf.

Wo liegen die Anlagen? Gibt es regionale Schwerpunkte?

Dicks: Ja, vor allem da, wo die Biogasanlagendichte hoch ist. Sehr viel passiert aktuell im Münsterland, aber auch im Raum Cloppenburg/Vechta oder in den biogasstarken Landkreisen Emsland und Rotenburg/Wümme. Wenig hört man dagegen aus Süddeutschland oder Schleswig-Holstein. Hier gibt es zwar auch viele Biogasanlagen, aber die Anlagen liegen weiter auseinander.

Die von Ihnen genannten Regionen sind alles viehstarke Landkreise. Streben die zusammengeschlossenen Anlagen demnach die Vergärung von Wirtschaftsdünger an, um Biomethan für den Kraftstoffmarkt zu produzieren?

Dicks: Ja, der hohe THG-Minderungswert von -100 g CO₂/MJ aus der europäischen Richtlinie RED II bzw. der RED III ist da der Treiber. Die Anlagen wollen das erzeugte Biomethan meist ins Netz einspeisen, während es dann spezialisierte Biomethanhändler vermarkten oder Abnehmer direkt abnehmen. Hier erleben wir eine deutliche Verschiebung im Biomethanmarkt: Während Gas aus Abfällen und Reststoffen früher fast ausschließlich in dem Kraftstoffsektor vermarktet wurde, kommt dafür jetzt nur Gas aus Basis von Wirtschafsdüngern infrage. Aber neben dem Kraftstoffmarkt spielt weiterhin das EEG mit den Fassungen der Jahre 2009, 2012 oder 2021/23 eine Rolle. Neue Perspektiven bieten dagegen das Gebäudeenergiegesetz und die kommunale Wärmeplanung. 

Inwiefern?

Dicks: Ein Verkauf von Biomethan unter den Bedingungen des EEG bedeutet, dass die Abnehmer damit Strom und Wärme in BHKW erzeugen, also z.B. Stadtwerke an Standorten, wo vor allem die Wärme stark nachgefragt wird. Das bedeutet für den Biomethanerzeuger auch einen höheren Erlös für das Gas. Wer beispielsweise nach dem EEG 2012 Strom verkauft, erhält eine höhere Vergütung, wenn das Gas aus ökologisch besonders wertvollen Substraten nach der Einsatzstoffvergütungsklasse 2 erzeugt wurde. Bei den neue Wärmegesetzen dagegen spielt eine Rolle, dass – ganz einfach gesagt – Hausbesitzer oder Kommunen ihren Pflichtanteil an erneuerbaren Energien auch mit Biomethan erfüllen können. Darum gilt dieser Bereich – neben dem BHKW- und Kraftstoffmarkt – als dritter Absatzweg.

Heißt das, dass auch Biomethan auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen weiterhin eine Rolle spielen wird? Das wäre ja für Betriebe interessant, die keinen Zugriff auf Wirtschaftsdünger haben.

Dicks: Genau. Beim Gebäudeenergiegesetz muss das Biomethan zwar strenge Nachhaltigkeitsziele wie eine Treibhausminderung um 70 % gegenüber fossilem Erdgas einhalten. Aber das ist für die meisten bestehenden Anlagen möglich.

Im Verkehrssektor ist ja schon länger ein Schließen von CNG-Tankstellen zu beobachten. Von ehemals fast 1000 gibt es aktuell nur noch 700, Tendenz abnehmend. Ist der Kraftstoffmarkt wirklich eine Option?

Dicks: Auf jeden Fall. Es ist richtig, dass CNG-Tankstellen für Pkw schließen. Aber eine solche Tankstelle hatte im Schnitt pro Jahr einen Absatz von etwa 1 GWh CNG. Dagegen sind Tankstellen für Verteil-Lkw im Kommen. Diese setzen pro Jahren Mengen von 10 bis 15 GWh ab, also ein Vielfaches der Pkw-Tankstellen. Genauso sehen wir den Markt für Bio-LNG wachsen, der für Langstreckentransporte geeignet ist. Während der CNG-Absatz eher auf regionaler Ebene stattfindet – bis hin zu kleinen Hoftankstellen zur Versorgung von Traktoren und fünf bis zehn Lkw – gibt es bei Bio-LNG aufgrund der Verflüssigungskosten einen starken Trend zu sehr großen zentralen Anlagen, auch in den Häfen von Rotterdam oder Seebrügge. Unterm Strich lässt sich festhalten: Der Markt für Biomethan als Kraftstoff zeigt wachsende Tendenzen.

In welche Märkte fließt Biomethan aus Rest- und Abfallstoffen, wenn der Kraftstoffmarkt dafür nicht mehr attraktiv ist?

Dicks: Ein wachsender Absatz entwickelt sich in verschiedenen europäischen Ländern wie Skandinavien oder der Schweiz, die u.a. für den Anwendung im Wärmebereich relativ gute Preise zahlen. Unterm Strich kann man feststellen, dass der Markt immer vielseitiger und internationaler wird.

Sie haben die Clusterung von Anlagen angesprochen. Welchen Vorteil bietet der Zusammenschluss?

Dicks: Das liegt vor allem an den Investitionskosten für eine größere Aufbereitungsanlage sowie weitere Kosten für den Gasanschluss usw., die sich auf mehrere Anlagen verteilen.  Wenn sich beispielsweise fünf Anlagen zusammenschließen, liegen die Einsparung pro privilegierter Biogasanlage nicht selten bei 150.000 € und mehr pro Jahr. Damit die Gemeinschaft aber wirtschaftlich Biomethan erzeugen kann, sind weiterhin günstige Substratkosten erforderlich. Geflügelmist sollte nicht über 30 €/t kosten, Rindermist nicht mehr als 10 bis 15 €/t. Auch bei Reststoffen oder nachwachsenden Rohstoffen müssen die Kosten möglichst gering sein.

Wirtschaftlich Biomethan erzeugen wollen ja auch die neuen Großanlagen wie in Friesoythe, Rheine oder Velen. Sind die dezentralen Clusterprojekte gegen die Großanlagen überhaupt konkurrenzfähig?

Dicks: Auf jeden Fall. Die Großanlagen haben den Vorteil, dass sie aufgrund der geringen spezifischen Investitionskosten pro m3 Biomethan zwar günstig produzieren können. Dazu muss man sich die Dimension ansehen: Allein in der ersten Ausbaustufe will Nordfuel in Friesoythe pro Jahr 250 bis 270 GWh Biomethan erzeugen. Das entspricht der Menge von rund 20 Anlagen in der Größenordnung von je 500 kW. Allerdings sind sie überwiegend auf den Zukauf von Substraten mit weiten Transportdistanzen angewiesen. Tierhalter mit eigener Biogasanlage haben daher einen besseren Zugriff und eine günstigere Ausgangsposition beim Substratmanagment.

Die aktuelle Bundesregierung setzt stark auf Wasserstoff und will mit dem Ausbau des Wasserstoffkernnetzes sogar einen Teil des Erdgasnetzes umwidmen oder stilllegen. Inwiefern beeinflusst das die Planung von neuen Biomethananlagen?

Dicks: Natürlich spielt das auch eine Rolle. Aber wir führen auch Gespräche mit Netzbetreibern in verschiedenen Regionen. Dabei zeigt sich: Gerade in ländlichen Regionen, in denen ja auch viele Biogasanlagen stehen, wird es bis mindestens 2040 ausreichend viele Gasleitungen geben, um auch weiterhin Biomethan vermarkten zu können.

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