Heute früh öffnete der Fachverband Biogas ein besonderes Nikolausgeschenk: Das Biomassepaket des Bundeswirtschaftsministeriums, das Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bereits im August angekündigt hatte. „Es ist de facto ein Biogaspaket, da es vor allem Vorschläge für die Anschlussförderungen von Biogasanlagen enthält“, sagt Dr. Stefan Rauh, Geschäftsführer im Fachverband.
Brisante Inhalte
Die Freude über das „Geschenk“ hält sich bei den Fachleuten in Grenzen: Das Paket enthält viele Vorgaben, die in der Praxis nicht umgesetzt werden können oder mit erheblichen Nachteilen verbunden sind. Hier die Details:
Das Ausschreibungsvolumen soll erhöht werden. Allerdings steht der Wert noch nicht fest.
Der Flexzuschlag soll von 65 auf 85 €/kW erhöht werden.
Künftig sollen nur noch 2500 Betriebsstunden im Jahr förderfähig sein, Ziel: 2000 Stunden.
Bei schwach positiven Börsenstrompreisen unter 2 ct/kWh soll es keine Vergütung mehr geben.
Der 2. Vergütungszeitraum soll anstatt 10 Jahre 13 Jahre lang sein.
Der Wechsel der Anschlussvergütung soll innerhalb von zwei Jahren erfolgen.
Bestandsanlagen mit Wärmenetz sollen in der Ausschreibung bevorzugt werden.
Der Maisdeckel wird weiter abgesenkt.
Die Südquote soll endgültig entfallen.
Die Bewertung des Fachverbandes
Der Fachverband Biogas sieht das Paket überwiegend negativ. „Die jüngsten Ergebnisse der Biomasseausschreibung vom 1. Oktober mit einer erneuten dreifachen Überzeichnung zeigen: Wir brauchen eine deutliche Anhebung des Ausschreibungsvolumens. Aber es ist zu befürchten, dass die jetzige Regierung hier zu wenig vorschlägt“, sagt Rauh.
Auch die Anhebung des Flexzuschlags auf 85 €/kW reichte nicht aus, um die gestiegenen Preise für die Flexibilisierungstechnik wie Gasspeicher, BHKW, Trafostation usw. auszugleichen. Der Fachverband fordert daher schon länger 120 €/kWh.
Die Reduktion der förderfähigen Stunden auf 2500 ist aus Verbandssicht unakzeptabel – zumal die Zahl im Laufe des Förderzeitraums auf 2000 abgesenkt werden soll. „Unter 3000 Stunden wird es für die meisten Anlagen nicht möglich sein, zu produzieren“, betont der Geschäftsführer. Bei 8760 Jahresstunden wären 2500 Stunden eine 3,5fache Überbauung. Das ist auch wegen des Netzanschlusses nicht überall möglich. Bislang hatte der Gesetzgeber für die Anschlussförderung eine doppelte Überbauung gefordert.
„Dazu kommt, dass es jetzt statt um Volllaststunden um Betriebsstunden geht, also unabhängig davon, wie viel das BHKW gerade produziert“, sagt Rauh. Das bedeutet in der Praxis, dass die Volllaststundenzahl noch weiter abgesenkt würde.
Auch die Wechselzeit von nur zwei Jahren wäre quasi nicht machbar. Denn die Teilnahme an Ausschreibungen und die erst danach beginnende Umrüstung sind in dieser Zeit selbst unter optimalen Bedingungen kaum zu schaffen.
Der Verweis auf ein Wärmenetz entspricht zwar dem, was die Branche gefordert hatte. „Wir hätten uns aber eine höhere Vergütung erhofft“, sagt Rauh. Laut Wärmeplanungsgesetz, auf das das Biomassepaket verweist, gilt als Wärmenetz, wenn mehr als 16 Häuser angeschlossen sind. Was mit einem Großabnehmer wie einem Industriekunden ist, bleibt dagegen offen.
Die Abschaffung der Südquote ist einer der wenigen Lichtblicke in dem Paket. Sie hatte zur Folge, dass Anlagen südlich des Mains (grob gesagt) bei der Ausschreibung bevorzugt wurden. Das hatte immer zur Benachteiligung von Anlagen im Norden geführt.
Resümee: Viele Nachteile
„Insgesamt ist das Paket mit so vielen Nachteilen, das jetzt auch noch kurz vor Weihnachten präsentiert wird, abzulehnen. Es lässt den Betreibern keinen Spielraum für eine gewisse Entwicklung, sondern stellt sie vor vollendete Tatsachen“, kritisiert er.
Würde das Paket so verabschiedet werden, dürften sich noch mehr Betreiber für einen Ausstieg aus der Biogasproduktion entscheiden. „Darum werden wir uns parallel auch weiter dafür einsetzen, dass die Umstellung auf die Biomethanproduktion mit Gaseinspeisung erleichtert und damit eine Alternative zum EEG für die Anlagen wird“, schließt Rauh.
Noch ist jedoch nichts entschieden. Er geht davon aus, dass bis zur Bundestagswahl ohnehin nichts mehr passieren wird.
Hauptstadtbüro:
„Während wir im aktuellen EEG 2023 noch die Regelung einer festen Vergütung einer gewissen Strommenge haben, sollen nach den Vorstellungen des Wirtschaftsministeriums nur noch Betriebsstunden pro Anlage gefördert werden. Ob diese Anlagen im Sommer bei geringer Wärmeabnahme nur gedrosselt fahren und viel weniger Strom und Wärme produzieren, wird hiermit nicht berücksichtigt", kommentiert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie aus Berlin, das Paket. Im Winter hingegen, wenn die Nachfrage nach Strom und Wärme besonders groß sei, würden dann die Betriebsstunden fehlen.
Eine Biogasanlage lasse sich aufgrund der biologischen Aktivität der Bakterien aber nicht wie ein Erdgasmotor tage- oder gar wochenlang abstellen. Auch brauche die Umstellung auf eine noch flexiblere Fahrweise eine gewisse Übergangszeit. "Wenn etwa eine Biogasanlage, die aktuell zweifach überbaut ist, in der nächsten Ausschreibung bereits diese neuen Anforderungen erfüllen muss, müsste neben allem bürokratischen Genehmigungswahnsinn innerhalb nur weniger Monate Gas- und Wärmespeicher sowie zusätzliche Motorkapazität installiert werden. So kann das nicht funktionieren", bemängelt sie. Daher sei es wenig sinnvoll, die Übergangszeit vom ersten in den zweiten Förderzeitraum von heute fünf Jahre auf zwei Jahre zu kürzen, führt Rostek aus.
Daneben lehnt Rostek auch die Priorisierung von Bestandsanlagen mit angeschlossenen Wärmenetzen sowie die angehobenen Flexibilitätsanforderungen an feste Biomasseanlage ab: „Wir brauchen Lösungen, die für alle Biomasseanlagen funktionieren“.
Vor dem Hintergrund der endenden Legislatur scheint die notwendige grundlegende Überarbeitung nicht realistisch. Angesichts der erneut massiv überzeichneten Ausschreibungsergebnisse appelliert die Branche daher an die Politik:
„Im Zentrum jeglicher Überlegung muss jetzt eine Übergangsregelung stehen, die für 2025 befristet und einmalig das Ausschreibungsvolumens auf 1800 MW anhebt. Andernfalls werden im kommenden Jahr Hunderte Anlagen unwiderruflich stillgelegt. So verlieren wir dutzende Terawattstunden nachhaltige, regional erzeugte und günstige Energie, an deren Stelle zusätzliche Mengen an Kohle und Erdgas treten würden,“ schließt Rostek.
Seide: " Das ist ein Ausstiegspaket!"
„Seit Monaten hofft die Branche auf ein Biomassepaket, das die großen Biogaspotenziale nicht nur anerkennt, sondern für den Klimaschutz und die Resilienz unserer Energiesystems zu nutzen weiß. Bekommen haben wir einen Ausstiegspfad aus der Biogasnutzung im Stromsektor!", kritisiert Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas.
In zahlreichen Studien sei dargestellt worden, dass erneuerbares Biogas im Strommarkt Kosten senke, das Klima schone und die Versorgungssicherheit unabhängig von ausländischen Importen garantiere. Das Biomassepaket enthalte dagegen unklare Aussagen zum Ausschreibungsvolumen verknüpft mit einem völlig neuen Konzept zur Ermittlung der vergütungsfähigen Strommenge. So soll das bisherige Konzept der einzuspeisenden Volllaststunden in Betriebsstunden überführt werden. "Aus heutiger Sicht zu restriktive Flexibilisierungsanforderungen bereits für die kommende Ausschreibung ohne jeglichen Entwicklungspfad führen vielmehr zum Direktausstieg aller Anlagen, die sich nächstes Jahr an der Ausschreibung beteiligen wollten. So sichert das BMWK auch keine Wärmenetze", moniert der Präsident.
Überhöhte Anforderungen in Kombination mit einem viel zu niedrigen Flexibilisierungszuschlag ließen nur eine Antwort zu: "Wir lehnen den Vorschlag grundsätzlich ab. Selbst fossile Gaskraftwerke sollen mehr Geld bekommen. So funktioniert kein Klimaschutz und schon gar keine kluge Energiepolitik. Potenziale müssen genutzt anstatt vergeudet werden!“