Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Meinung & Debatte
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bundestagswahl 2025 Maul- und Klauenseuche Gülle und Wirtschaftsdünger

topplus Zukunft von Biogas

Sieben Expertenmeinungen: Warum wir Biogas brauchen

Die Biogas Convention in Kassel startete mit Statements von Vertretern aus der Biogasbranche, darunter Praktiker, Wissenschaftler und Firmen – mit teilweise überraschenden Appellen.

Lesezeit: 6 Minuten

Der November 2024 ist in mehrfacher Hinsicht bedeutend für die Biogasbranche: Während das Ampel-Aus die Anlagenbetreiber vor immer größere Zukunftsängste stellt, sorgt das Wetter für Preiskapriolen am Strommarkt – und unterstreicht die Bedeutung einer sicheren und steuerbaren Stromquelle wie die Biogastechnik. „Am 6. November hatte die Wetterlage mit wenig Sonne und Wind für einen Höchstpreis an der Strombörse von 800 €/MWh, also 80 ct/kWh, geführt. Die Sturmwindlage am vergangenen Wochenende ließ den Preis dagegen auf 0 ct/kWh fallen“, erklärte Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas zu Beginn der Jahreskonferenz des Verbandes „Biogas Convention“, die dieses Jahr nicht gemeinsam mit der Messe EnergyDecentral in Hannover, sondern 14 Tage später in Kassel stattfand.

Ausblick auf 2035

Seide war einer von sieben Teilnehmern einer Podiumsdiskussion unter Moderation von Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie in Berlin. Die Experten sollten dabei erklären, welche Rolle die Biogastechnik im Jahr 2035 einnehmen wird.

Seides Meinung nach werden sich die Preissprünge bis zum Jahr 2035 verstärken. „Daher braucht die Energiewirtschaft Biogas für die stabile Stromerzeugung.“ Was aber viel zu wenig beachtet werde, sei die Tatsache, dass der Bedarf für grüne Gase in Deutschland viel größer als der Strombedarf sei. Die Wirtschaft würde jetzt daran arbeiten, den Gasbedarf klimafreundlich zu gestalten. „Erste Unternehmen fragen uns: Wie viel Gas könnt Ihr liefern? Ich bin überzeugt, da kommt jetzt etwas Großes auf uns zu.“

Auch Peter Stratmann, Referatsleiter Erneuerbare Energien bei der Bundesnetzagentur, sieht in dem Ausbau der fluktuierenden Stromerzeuger eine Herausforderung. „Die härteste Nuss ist die Photovoltaik. Wir brauchen jetzt alle Kräfte, damit Solarenergie mit anderen Techniken in den Markt kommen.“ Darum darf es seiner Meinung nicht sein, dass Biogasanlagen weiterhin Grundlaststrom produzieren. „Wir müssen die Gebotsbedingungen für die Ausschreibung so schnell wie möglich ändern, damit die flexible Betriebsweise Wirklichkeit wird“, sagt er.

Gut für die Landwirtschaft

Für Biolandwirt Wolfram Wiggert aus Löffingen am Schwarzwald ist die flexible Biogasanlage nicht nur eine Möglichkeit, saisonale, wöchentliche oder stündliche Schwankungen im Strommarkt auszugleichen. „Wir brauchen sie auch als Stickstoffquelle im Betrieb. Seit wir die Biogasanlage haben, sind die Erträge im Biolandbau bei uns um 50 bis 80 % gestiegen“. Damit erteilt er auch der Teller-Tank-Debatte eine Absage: Ohne Biogas würde er für den gleichen Ertrag mehr Flächen benötigen.

Das bestätigte Tino Barchmann, früherer Biogasexperte beim Deutschen Biomasseforschungszentrum und jetzt Mitarbeiter im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). „Biogas ist die beste Verwertungsmöglichkeit für Wirtschaftsdünger. Solange es die Tierhaltung gibt, wird Biogas also zur Verwertung benötigt.“ Er mahnte aber die Anlagenbetreiber, sich darauf einzustellen, dass es das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) in dieser Form nicht weitergeben wird. „Wir müssen wegkommen von der Subventionskultur und neue Wege finden wie den Wärmeverkauf“, sagt er.

Der Einsatz von Wirtschaftsdünger ist für Bernhard Wern vom Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme aus Saarbrücken auch wichtig, um Phosphor zurückgewinnen zu können. Ebenso kritisierte er die Debatte um zu viel Mais. „Wir haben kein Maissubstratproblem, es gibt nur wenige Regionen, wo es vielleicht zu viel Anbaufläche gibt. Mais bringt einfach mehr Gas als Blühstreifen“, sagt er. Mit Blick auf den Artenschutz betont er, dass man schauen wollte, wo es wirklich Probleme mit der Biodiversität gäbe.

Biomethan als Zukunftsoption

Arndt Müller, Vorstand der Stadtwege Trier, sieht die Zukunft in der Biomethanproduktion und kritisierte die Pläne der Bundesregierung, bestehende Erdgasnetze abbauen zu wollen. „Wir haben damit riesige Speicher, die wir für die saisonale Verschiebung nutzen können. Wir werden die Energiewende nicht mit Strom allein schaffen können, wir brauchen auch das Gas“, sagt er. Er sieht in der Clusterung von Biogasanlagen eine gute Möglichkeit, um die Zahl der Netzverknüpfungspunkte zu reduzieren und Gasaufbereitungsanlagen in wirtschaftlicher Größe bauen zu können. Als positives Beispiel hob er das Projekt der Biogaspartner Bitburg hervor, an dem sieben Biogasanlagen beteiligt sind.

Hans-Joachim Polk, Vorstandsmitglied der VNG Balance und ein Vertreter der Biomethanerzeuger, bestätigte das. VNG betreibt aktuell 42 Biogasanlagen in Deutschland mit dem Schwerpunkt Biomethan. Er kritisiert die lange Reaktionszeit des Bundesumweltministeriums bei den Importen von nachweislich gefälschten Klimaschutzzertifikaten und falsch deklarierten Biodiesel. Beides hatte zum Absturz der THG-Quotenpreise geführt. „Wir sollten die Regeln, die wir haben, auch anwenden und langfristig ausrichten, damit man planen kann“, sagt er. Er sieht zudem in der kommunalen Wärmeplanung eine Chance, dass sich Erzeuger verschiedener Anlagen vernetzen. „Wärme hat einen Wert, das sollten wir besser ausnutzen“, forderte er. Genau wie Landwirt Wiggert kritisierte auch er die Teller-Tank-Diskussion, die immer wieder zu Rückschlägen im Biokraftstoff- und Biogassektor führt. „Ich hoffe, dass das bis 2035 endlich einmal geklärt ist und nicht immer wieder neu hochkommt.“

Kritik an Subventionsdebatte

Mehrere Teilnehmer kritisierten die andauernde Debatte um den „hochsubventionierten“ Biogassektor. „Interessant ist, dass man bei Wasserstoff nicht über Subventionen redet, obwohl er viel teurer ist. Feststeht, dass Biogas nie über den Strommarkt allein zu finanzieren ist, aber weniger Subventionen benötigt als Wasserstoff“, betont Horst Seide.

Die finanzielle Unterstützung sei nicht verwerflich, wenn man für Gegenleistung bietet, meint auch VNG-Vorstand Polk. „Wir bieten viele Arbeitsplätze und Wertschöpfung für die Landwirtschaft.“ Der CO₂-Preis sei zu niedrig, um Anreize für eine Finanzierung zu setzen. „Wenn wir beim Biomethan auch das CO₂ verwerten und per Leitung zu den Verbrauchszentren schicken, verursacht Biomethan sogar negative Emissionen.“ Er wünscht sich von der Politik schnell Klarheit über die Gasnetzzugangsverordnung. „Wir brauchen italienische Verhältnisse im Gasnetz, unsere Nachbarn zeigen, wie man schnell viel Biomethan ins Netz bekommt“, ergänzt Verbandspräsident Seide.

BNetzA schlägt Verbot von Grundlast vor

Peter Stratmann (BNetzA) ist davon überzeugt, dass sich der Strommarkt dramatisch ändern wird. „Wir können heute schon längst nicht den gesamten Wind- und Solarstrom erzeugen, der möglich wäre. Wenn in der Zeit auch noch Biogasanlagen produzieren, läuft etwas falsch.“ Er fordert, dass kein Biomassestrom im Netz ist, wenn viele Sonne scheint oder Wind weht. „Ich bin sogar für ein Verbot von nicht flexiblen Anlagen“, sagt er.

Zudem fordert er, dass das EEG nicht mehr dazu genutzt werden kann, um Strom günstig zu machen. „Wir geben jedes Jahr 20 Mrd. € für die EEG-Umlage aus, das ist mehr als im Gesundheits- oder Bildungssektor. Das kann nicht sein.“

Er rät Biogasanlagenbetreibern, an die Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber heranzutreten und anzubieten, aktiv beim Redispatch mitzuwirken und die Anlage z.B. abzuschalten, wenn viel Wind weht. „Die Netzbetreiber geben heute 3 Mrd. € für Redispatch aus, das könnte sich ändern“, ist er überzeugt.

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Wissen, was zählt.

Voller Zugriff auf alle Beiträge, aktuelle Nachrichten, Preis- und Marktdaten - auch in der App.

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.