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topplus Folgen der Ampelregierung?

Biogas: Das Erfolgsmodell steht auf der Kippe

Viele der 9.900 Biogasanlagen in Deutschland stehen vor dem Aus, weil die bisherige Regierung die Rahmenbedingungen immer weiter verschlechtert hat. Wohl mit Absicht, weil sie andere Pläne hatte.

Lesezeit: 8 Minuten

Die Erzeugung von Biogas in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Anlagen auf 9.900 gestiegen, die gesamte installierte elektrische Leistung aus Biogas auf 5.900 MW. Wesentlich dazu beigetragen hat das Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG), das den Betreibern 20 Jahre feste Einspeisevergütungen für Strom beschert.

Wichtiger Wärmelieferant

Die meisten der Anlagen betreiben eine Kraftwärmekopplung und erzeugen neben dem Strom auch Wärme. Mit der Wärme aus den Biogasanlagen mit Blockheizkraftwerken (BHKW) werden derzeit Schätzungen zufolge bereits 200.000 bis 400.000 Haushalte versorgt. Theoretisch ließen sich sogar 2 Mio. Haushalte mit Wärme beliefern.

Hinzu kommt, dass immer mehr Biogasanlagenbetreiber ihre Gasspeicher vergrößert und die Leistung ihrer BHKWs ausgebaut haben, um gezielt Strom ins Netz einzuspeisen, wenn er benötigt wird. Somit entwickelt sich Biogas zur idealen Ergänzung zur Energie aus Wind und Sonne.

Schnell gelesen

  • Die Erzeugung von Biogas und Bio­methan hat sich rasant entwickelt und ist wichtig für den nationalen Energiemix.

  • Die Ampelregierung hat die Rahmen-bedingen für die Anlagenbetreiber jedoch so verschlechtert, dass viele Betriebe jetzt vor dem Aus stehen.

  • Kurzfristig muss das Volumen für die Ausschreibung dringend erhöht werden, mittelfristig brauchen die Erzeuger eine klare und verlässliche Biogasstrategie.

Ein weiterer Trend: Die Zahl der Betriebe, die Biogas zu Biomethan auf­bereiten, um es ins Gasnetz einzuspeisen oder als Treibstoff zu vermarkten, wächst. Aktuell sind es 250 Anlagen.

Positiver Nebeneffekt: Die Biogasbranche hat sich zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor entwickelt. Die Branche beschäftigt 50.000 Mitarbeiter und setzt 13 Mrd. € pro Jahr um. Zudem ist Deutschland in der Biogastechnologie Weltmarktführer und exportiert Technik im Wert von 2,5 Mrd. €.

Doch das Erfolgsmodell steht auf der Kippe. Denn die Ampelregierung hat Biogas ausgebremst, wo es nur geht. „Die Politik hat den Betreibern in den letzten Jahren das Gefühl vermittelt, dass sie Biogas nicht mehr will“, sagt Manuel Maciejczyk, Mitgeschäftsführer des Fachverbandes Biogas.

EEG-Vergütung läuft aus

Das größte Problem ist, dass für sehr viele Biogasbetriebe in den nächsten Jahren die 20-jährige Laufzeit für die Einspeisevergütung für den erzeugten Strom endet. 2025 und 2026 sind rund 1.500 Betriebe davon betroffen, von 2027 bis 2031 weitere 4.300 Betriebe (siehe Übersicht).

Es gibt zwar eine Anschlussregelung. Allerdings reichten die ausgeschriebenen Volumina von 600 MW im Jahr 2023 und von 500 MW in diesem Jahr bei weitem nicht für die Betriebe aus, die eine neue Festvergütung brauchen. Bei den beiden Ausschreibungen 2023 und bei der Frühjahrsausschreibung 2024 kamen nur 804 Betriebe zum Zug, 1.371 gingen leer aus. Und das, obwohl es sich dabei noch um „geburtenschwache Jahrgänge“ gehandelt hat, also um Jahrgänge mit wenig Betrieben, die aus dem EEG fallen.

„Ursprünglich habe die Ausschreibungsmenge von 600 MW noch ungefähr gepasst, weil die nicht bezuschlagten Mengen in den ersten Jahren in die späteren Jahre übertragen werden konnten und anfangs noch wenig Betriebe teilnehmen mussten“, erläutert Stefan Rauh, ebenfalls Mitgeschäftsführer beim Fachverband Biogas. „Aber das Übertragen von nicht genutzten Mengen hat die aktuelle Bundesregierung gekappt.“

Ausschreibung zu gering

Nachdem die Vorgängerregierung das jährliche Ausschreibungsvolumen auf 1.200 MW erhöht hatte, hat die aktuelle Bundesregierung dieses Volumen geteilt und 600 MW für Biomethan-BHKW bestimmt. Jedoch mit so unrealistischen Vorgaben, dass Betreiber keinen Gebrauch davon machen.

„Die 600 MW, die für die Biogasnutzung noch übrig sind, reichen jedoch bei weitem nicht aus“, sagt Rauh. Um die Betriebe, die in den letzten Jahren leer ausgingen und die in den nächsten Jahren noch dazukommen, zu be­dienen, fordert der Fachverband, die Ausschreibungsmenge für Biogas auf 1.800 MW zu erhöhen. Als Anreiz für Investitionen in die gezielte Stromerzeugung nach Bedarf, hält der Fachverband eine Flexibilisierungsprämie von 120 €/MW für notwendig.

Bei der Biomethanausschreibung hat die Bundesregierung zwar auch die Flexibilität zum Ziel, aber dafür ein völlig untaugliches Anreizsystem geschaffen. Eine Förderung gibt es nur dann, wenn ein Abnehmer maximal 876 Stunden pro Jahr Biomethan verbraucht.

„Weil Stadtwerke ihre Biomethan-BHKWs meist mit einem Wärmenetz betreiben, reicht die Stundenzahl gerade mal, um im Dezember und im halben Januar Wärme zu liefern. Die Heizperiode ist aber definitiv länger“, erklärt Rauh. Bei den letzten Ausschreibungen gab es deshalb kein einziges Gebot. Rauhs Fazit: „Mit der engen Stundenvorgabe hat die Bundesregierung einen Rohrkrepierer geschaffen.“

Ohne Förderung ist der Biomethanverkauf an BHKW-Betreiber wie Stadtwerke derzeit aber nicht interessant, weil Erdgas mit ca. 3 ct/kWh wieder sehr günstig ist. „Für Biomethan brauche ich mindestens 8 bis 11 ct/kWh, das am freien Markt derzeit aber kaum zu erzielen ist“, sagt Rauh.

Gefälschte Zertifikate

Die Biomethananlagen, die jetzt gebaut werden, gehen vor allem in den Kraftstoffbereich, für den es einen finan­ziellen Ausgleich gibt. Dort wurde in den letzten Jahren deutlich mehr als 10 ct/kWh gezahlt, was hauptsächlich über die Treibhausgas(THG)-Quote im Kraftstoffsektor refinanziert wurde.

„Dieser Beitrag aus der Kraftstoffquote ist in den letzten Jahren aber zusammengebrochen, u. a. weil viele importierte Kraftstoffe mit gefälschten Zertifikaten aus Fernost den europäischen Markt überschwemmt und zu einer Übererfüllung der THG-Quote geführt haben“, so Rauh.

Trotz vielmaliger Aufforderungen sei die Bundesregierung zum Schaden der heimischen Biokraftstoffproduzenten bislang nicht wirksam dagegen vorgegangen. Der jüngste Kabinettsbeschluss zur neuen 38. BImSchV lindere zwar die Symptome, bekämpfe aber die Ursachen der gefälschten Zertifikate nicht, heißt es aus der Branche.

Daneben sehen die Geschäftsführer des Fachverbands Biogas aber weitere Absatzchancen für Biomethan. Zum Beispiel für die Nutzung in Gasthermen in den Gebäuden, in die sich keine ­Wärmepumpe einbauen lässt. „Erste Stadtwerke haben Interesse bekundet, Biomethan einzukaufen.

Die Biomethanausschreibung ist zum Rohrkrepierer geworden.“
Stefan Rauh

Sie wollen es Gaskunden anbieten, die damit die Anforderungen an das Gebäudeenergie­gesetz erfüllen wollen“, erklärt Manuel Maciejczyk. Laut einer Analyse der Deutschen Energie-Agentur könnte der Absatz in diesem Bereich bis 2045 auf 40 TWh wachsen. „Das wäre eine sehr große Menge an biogenem Gas und würde den Markt stützen.“ Hier hätte die Bundesregierung einen Ansatz für eine Biogasstrategie, so Maciejczyk.

70 % Biokerosin bis 2050

Großes Potenzial bietet auch die Beimischung von Biomethan zu Flugbenzin. Ab 2025 muss Kerosin laut einer EU-Vorgabe mindestens 2 % Biokerosin am gesamten Kerosin enthalten. Bis 2050 steigt die verpflichtende Quote auf 70 %. „Viele andere Länder fangen an, die Kerosinerzeugung in Richtung ­Biokerosin hochzufahren, während Deutschland noch sehr verhalten bei dem Thema ist“, so Maciejczyk. Eine erste Anlage entstehe in Frankfurt-Höchst. Und bei der Lufthansa gebe es Überlegungen, Biogas zur Produktion von synthetischen Flugkraftstoffen zu verwenden. „Da entwickelt sich riesiger Markt“, ist Maciejczyk überzeugt.

Doch die Bundesregierung hat noch nicht einmal einen Biomethan-Aktionsplan aufgestellt. Diesen fordert das ­REPowerEU-Paket, das die EU zu Beginn des Ukrainekrieges verabschiedet hat. „Viele Staaten haben einen solchen Plan nicht nur aufgestellt, sondern setzen ihn bereits um“, sagt Rauh. So baue Italien aktuell 50 bis 100 neue Biomethananlagen pro Jahr, Frankreich habe bereits 600 Anlagen in Betrieb. „Italien und Frankreich überholen uns gerade.“

Habeck setzt auf Wasserstoff

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat das bislang wenig gestört. Er setzt voll auf Wasserstoff. Seine Stra­tegie dazu besagt, dass bis 2030 in Deutschland 95 bis 130 TWh Wasserstoff genutzt werden sollen. „Das ist etwa die Menge, die wir mit Biogas schaffen“, kommentiert Maciejczyk.

Er bezweifelt aber, dass Habecks Strategie aufgeht, zumal 50 bis 70 % des Wasserstoffes aus dem Ausland kommen soll: „Nachdem aktuell die Importe wegfallen und die Kostenkalkulation für Wasserstoff durch die Decke geht, rächt sich das bereits.“

Hinzu kommt, dass Wasserstoff nur zu 10 bis 15 % den Verteilnetzen zu­gemischt werden kann. Ansonsten braucht man dafür eigene Netze. Oder die Netzbetreiber stellen komplett auf Wasserstoff um. Dies hätte möglicherweise zur Folge, dass sie Biomethan gar nicht mehr haben wollen. Auch das sei ein großer Unsicherheitsfaktor für Betriebe, die in Biomethan investieren wollen, sagt Maciejczyk.

Betreiber tief verunsichert

Die fehlende Strategie der Bundes­regierung verunsichert die Betreiber der Biogasanlagen tief. Ein weiteres Beispiel ist, dass die Gasnetzzugangsverordnung durch eine Nachfolgeregelung fort­geführt werden soll. Im Kern geht es darum, zu welchen Kosten der Be­treiber einspeisen kann und welchen Anteil die Allgemeinheit trägt. „Am Ende kann der festgelegte Anteil über die Wirtschaftlichkeit meiner Anlage ent­scheiden“, sagt Maciejczyk. Eine ­seriöse Planung sei für Landwirte, die jetzt in Biomethananlagen investieren wollen, bei soviel Unsicherheit kaum noch möglich.

Auch die massiven Verschärfungen der genehmigungsrechtlichen Anfor­derungen machen den Betreibern das Leben schwer. Weil viele Anlagen nach BImSchG genehmigungspflichtig sind, müssen sie immer nach dem „Stand der Technik“ betrieben werden. „Dieser hat sich aber vom landwirtschaftlichen zum industriellen Niveau entwickelt“, sagt Maciejczyk.

„Wer optimiert, wird bestraft“

Sobald die Betreiber etwas verändern, muss die Gesamtanlage dem Stand der Technik entsprechen. Das ziehe erheb­liche Investitionen nach sich, die oft nicht mehr im Verhältnis zur Restlaufzeit stehen. „Wer optimiert, wird bestraft.“ Hinzu kommen die komplexen rechtliche Anforderungen mit den höchsten Standards zur Sicherheit und Emissionsvermeidung. Das führt zu einem riesigen Dokumentationsaufwand.

Die ersten Betriebe haben bereits ihre Biogasanlagen stillgelegt. „Wenn sich nicht zeitnah etwas ändert, werden noch sehr viel mehr aufhören“, prophezeit Rauh. Er geht davon aus, dass dann ein Drittel bis die Hälfte der Betriebe das Handtuch werfen.

Bei Gasthermen und Kerosin gibt es ein riesiges Potenzial für Biomethan.“
Manuel Maciejczyk

Ob die aktuelle Regierung das von Habeck im August angekündigte Biomassepaket noch bis zum Wahltermin im Februar angeht, ist unwahrscheinlich. Aus dem BMWK heißt es zwar, dass man noch einen Entwurf zur Er­höhung der Ausschreibungsmengen für das EEG ins parlamentarische Verfahren einbringen und an die geplante Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes andocken könne. Beobachter halten das aber allein zeitlich für nicht mehr machbar.

In der Biogasbranche ist man grundsätzlich froh über das Aus der Ampel, weil es „nach dreieinhalb Jahren mit dieser Koalition nur noch besser werden kann“. Allerdings sorgt man sich, dass sich auch nach den Neuwahlen im Februar möglicherweise lange Zeit wenig tut. „Wir brauchen aber dringend Änderungen, weil jetzt die geburtenstarken Biogasjahrgänge kommen“, macht Rauh klar.

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