Das Gesetzespaket vom 31. Januar (umgangssprachlich "Biomassepaket" oder "Biogaspaket" genannt) bringt eine fundamentale Wende für Strom aus Biogas: Höherer Flexibilitätszuschlag, mehr Ausschreibungsvolumen sowie ein klares Statement zur Zukunft der Biogasproduktion. Was die neuen Regelungen für bestehende Biogasanlagen bedeuten und worauf sich Anlagenbetreiber künftig einstellen sollten, berichtet Uwe Welteke-Fabricius im top agrar-Interview. Der Sprecher des Netzwerks „Flexperten“ setzt sich seit über einem Jahrzehnt für den flexiblen Betrieb von Biogasanlagen ein. Er ist zudem Mitglied im Präsidium des Fachverbands Biogas und Vorstandsmitglied im Bundesverband Erneuerbare Energie.
Am 31. Januar hat der Bundestag das lange erwartete Biomassepaket doch noch verabschiedet. Ist Ihnen ein Stein vom Herzen gefallen?
Welteke-Fabricius: Auf jeden Fall. Es gibt vielen Biogasanlagen jetzt wieder eine Perspektive, die lange in der Luft hingen. In den kommenden sieben Jahren endet für nahezu 90 % der Biogasanlagen die 20-jährige EEG-Förderung. Für die Zeit danach wird die Ausschreibung für eine Verlängerung der Förderung angeboten. Mit dem richtigen Konzept können nahezu alle Anlagen wirtschaftlich auf die Erfolgsspur kommen. Die Erhöhung des Flexzuschlags von 65 auf 100 €/kW bedeutet über vier Milliarden Euro zusätzliche Förderung für die Anlagen. Daher wundert es mich ein wenig, dass in der Branche der große Jubelschrei ausbleibt.
Die Förderung ist aber auch an strenge Bedingungen geknüpft.
Welteke-Fabricius: Ja, das stimmt. Die Stromeinspeisung wird nur noch in einem Drittel des Jahres gefördert – das halten viele Kollegen für eine Zumutung. Einerseits ist die Wahrheit: das nimmt nur eine Marktentwicklung vorweg, die uns alle Strommarktexperten vorrechnen. Aber das bedeutet auch eine Chance. Nahezu alle Biogasanlagen wurden als Stromerzeuger für den Dauerbetrieb gebaut. Kaum jemand ahnte, wie schnell der Hochlauf von PV und Wind gelingen würde. Heute ist der Betrieb ‚in Grundlast‘ überflüssig. Die Ergänzung der Erneuerbaren durch flexiblen Betrieb in den Lücken muss Standard werden. Anders gesagt: Ohne die Investition in die Flexibilisierung sind die Anlagen nicht mehr zukunftsfähig. Es besteht tatsächlich dringender Bedarf an regelbarer Erzeugungsleistung, wie die Diskussion um neue Gaskraftwerke zeigt. Die Politik hat ein Ausrufezeichen gesetzt, dass dabei auch dezentrale Biogasanlagen eine Rolle spielen.
Einen Anreiz zur Flexibilisierung gab es schon 2012 mit der erstmaligen Einführung der Flexprämie. Viele Netzexperten kritisieren, dass trotzdem noch viele Anlagen im Grundlastbetrieb laufen. Woran liegt das?
Welteke-Fabricius: Der erste Anlauf, Biogasanlagen zu flexibilisieren, blieb durch mangelhafte Förderkriterien und fehlende Marktanreize weitgehend unwirksam. Auch viele Biogasanlagen, die mit Hilfe der Flexibilitätsprämie bereits zusätzliche Erzeugungsleistung installiert haben, laufen bis heute noch zu oft mit überwiegender Grundlast-Einspeisung, weil Gas- und Wärmespeicher fehlen.
Was bedeutet das Biomassepaket jetzt konkret für die Anlagen?
Welteke-Fabricius: Wer jetzt in die zweite Förderperiode wechselt, bekommt die Förderung nur in 2.920 von 8.760 Jahresstunden. Um die gleiche Strommenge einzuspeisen, ist mindestens die dreifache BHKW-Leistung (‚Überbauung‘) nötig. Hierzu ist ein echter Fahrplanbetrieb nötig.
Nach fünf Jahren sinkt die geförderte Betriebszeit für die Anlagen, die dann das Ende der 20-jährigen Förderung erreichen, um weitere 500 Jahresstunden auf 2.420 Stunden. Dann wird fast die vierfache Überbauung erforderlich.
Das ist für viele 2005er Anlagen eine Überforderung, denn sie müssten bis Ende diesen Jahres umrüsten, um die zweite Förderperiode zu beginnen. Das ist nicht zu schaffen. Diese Betreiber ärgern sich zu Recht über eine fehlende Übergangsregelung.
Welche Entwicklung erwarten Sie in diesem Zeitraum?
Welteke-Fabricius: Je mehr Wind- und PV-Anlagen installiert werden, desto häufiger und länger wird die Erzeugung von erneuerbaren Energien über den direkten Bedarf hinausgehen. Wird Strom im Überfluss erzeugt und nur noch von flexiblen Verbrauchern nachgefragt, dann liegt der Strompreis um Null oder nur wenig darüber. Das hat auch der Gesetzgeber erkannt und fördert jetzt die Stromeinspeisung nur noch, wenn der Spotmarktpreis mehr als 2 Cent je Kilowattstunde beträgt.
Die Flexperten empfehlen daher Biogasbetreibern, sich auf weniger als 1.500 Jahresstunden mit verbleibendem Kraftwerksbedarf einzustellen, um sicherer auch interessante Preise zu erzielen. Das bedeutet eine sechs- bis achtfache Überbauung. Der einfache Grund ist, dass durch die kostengünstigen erneuerbaren Energien die Strompreise zukünftig nur wenigen Stunden wirklich hoch sein werden. Nur noch der gezielte Kraftwerkseinsatz wird sich lohnen.
Was Umfragen zeigen: Viele Betreiber schreckt die hohe Investitionssumme ab, die für den Umbau nötig ist. Wie löst man das Problem?
Welteke-Fabricius: Es ist richtig: Es sind hohe Investitionen in Planung, Genehmigungen, in Gasspeicher und Wärmepuffer, in zusätzliche BHKW-Leistung und oft in ein Wärmenetz nötig. Daher erfordert eine solches Transformationsprojekt Fachkenntnisse, unternehmerischen Mut und viel Arbeit. Die allermeisten Biogasstandorte versprechen dafür aber auch eine deutlich bessere und langfristige wirtschaftliche Perspektive. Wichtige Voraussetzung ist, dass in der Nähe des Speicherkraftwerks auch die Wärme aus dem BHKW verwertet werden kann.
Mit dem höheren Flexzuschlag und dem von zehn auf zwölf Jahre verlängerten Förderzeitraum tragen sich die Investitionen meist. Dazu kommen deutlich höhere Stromerlöse und oft auch bessere Wärmeverwertung.
Neuanlagen haben den Anspruch auf Flexibilitätszuschlag sogar 20 Jahre lang. Das gilt auch für flexible Satelliten-BHKW, also Speicherkraftwerke, die Biogas über eine Rohgasleitung aus einer bestehenden Vergärungsanlage nutzen. Durch diese Verschiebung von Biogas an den Satellitenstandort bleibt weniger Biogas am Anlagenstandort. Damit wird auch die Altanlage „passiv flexibilisiert“.
Was den Anlagen auch helfen kann: Stadtwerke, Wärmenetzunternehmer und Investoren haben sehr schnell erkannt, dass hier ein sicheres Investment liegt. Also können Betreiber, die weder ein Wärmenetz noch das Speicherkraftwerk selbst bauen wollen, ab jetzt viel leichter Partner für die lokale Zusammenarbeit finden.
Was machen Biogasanlagenbetreiber, die keine Möglichkeit der Wärmenutzung haben?
Welteke-Fabricius: Wer auch in zehn Kilometer Umkreis die Wärme aus dem BHKW nicht verwerten kann, sollte auf jeden Fall überlegen, das Biogas aufzubereiten und ins Erdgasnetz einzuspeisen oder es in einer Biomethantankstelle zu verkaufen. Wo dagegen ein Speicherkraftwerk mit Wärmeverwertung möglich ist, kann man sich den Aufwand sparen und mit höheren Erlösen im sicheren EEG bleiben.
Ist denn jetzt alles in trockenen Tüchern und sind alle Probleme gelöst?
Welteke-Fabricius: Nein, auch der nächsten Regierung bleiben noch Aufgaben: Die höheren Ausschreibungsmengen reichen nur bis Ende 2026. Um den Ausbau der Biogasleistung fortzusetzen, hat Prof. Jürgen Karl (FAU Erlangen-Nürnberg) im Energieausschuss des Bundestages ein Ausschreibungsvolumen von 3,166 GW pro Jahr empfohlen.
Was sich auch ändern sollte: Betreiber von Biogasanlagen, deren erste Förderperiode schon 2025 oder 2026 endet, müssen sich schon bis zum Übergang auf die zweite Förderperiode auf die kürzere Betriebszeit einstellen. Das neue Gesetz schafft hier – eigentlich völlig überflüssigen – Zeitdruck. Erst für die Dreißigerjahre ist die jetzt festgelegte Obergrenze begründet. Daher sollte in einer Übergangsfrist die Förderung auf eine höhere Betriebsstundenzahl begrenzt werden. Dieser Fehler hat viele Betreiber und auch den Fachverband gegen das Gesetz aufgebracht.
Gibt es denn noch eine Chance für die Anlagen, deren EEG-Förderung in Kürze endet?
Welteke-Fabricius: Eventuell ergibt sich noch eine Exit-Option, weil das Biogaspaket bis zur ersten Auktion dieses Jahres kaum die nötige beihilferechtliche Genehmigung der EU bekommen wird. Dann könnten Ausschreibung und Zuschläge auch nach alten Bedingungen erfolgen, wenn die Bundesnetzagentur so entscheidet. Dann kann man noch einmal auf zehn Jahre, 65 €/kW Flexzuschlag und 45 % Höchstbemessungsleistung bieten.
Im Herbst erwarten wir dann die erste Ausschreibungsrunde nach neuem Recht, mit etwa 1,3 GW – das größte Volumen, das Biogas je hatte. Auch das werden überwiegend Bestandsanlagen nutzen, die wirklich flexibel sind oder werden wollen. Bestandsanlagen können mit geplanter zusätzlicher Leistung auch ohne Genehmigung teilnehmen.
Alle Betreiber, deren EEG-Laufzeit bis 2029 endet, sollten daher zügig entscheiden, ob sie ihre flexible Zukunft an ihrer Bestandsanlage, oder mithilfe eines neuen Satelliten umsetzen wollen. Damit können sie sich 2026 an der Ausschreibung beteiligen, denn nur bis dahin sind die hohen Ausschreibungsmengen bereits gesichert.
Zeit zum Handeln – Lernen von erfahrenen Praktikern
Alle Betreiber, die sich das Potenzial aus dem Biogaspaket sichern wollen, werden schon 2025 und 2026 ausnutzen, um sich die Zukunft zu sichern. Was man dafür tun sollte, wie der flexible Betrieb funktioniert und wie man ein Wärmenetz aufbauen kann, können erfahrene Betreiber berichten. Dafür gibt es spezielle Seminare des Netzwerks Flexperten in Kooperation mit dem Fachverband Biogas, C.A.R.M.E.N. e.V., IBBK, Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung, dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband und mehreren Energieagenturen. Die Informationsveranstaltungen werden gefördert vom Bundesministerium für Landwirtschaft. Einzelne Termine werden auf Online-Format umgestellt. Weitere Veranstaltungen bieten CARMEN, der Fachverband Biogas und profair an.
Die Seminarserie „Erfolgreiche Praxis“ mit regionalen Betreibern läuft aktuell bis Ende März. Tickets bei www.speicherkraftwerk.de.