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Echte Bürgerwindparks erhöhen die Akzeptanz

Der Kreis Steinfurt hat neue Bürgerenergie-Leitlinien herausgegeben. Über echte Bürgerwindparks und eine faire Beteiligung sprachen wir mit Jan-Hendrik Wolke vom Planungsbüro Enwelo.

Lesezeit: 8 Minuten

Bürgerwindparks gelten als wichtige Option, um Anwohner finanziell zu beteiligen und so für mehr Akzeptanz vor Ort zu sorgen. Doch Bürgerenergieprojekte werden ganz unterschiedlich ausgestaltet. Wie eine faire Beteiligung aussehen muss, wie man Landwirtschaft und Naturschutz einbezieht und warum Landesbeteiligungsgesetze kein Garant für mehr Akzeptanz sind, erklärt im top agrar-Interview Jan-Hendrik Wolke, Geschäftsführer des Projektierungsbüros "Energiewende lokal" (Enwelo) aus Hollich im Kreis Steinfurt (Nordrhein-Westfalen).

Was ist für Sie ein echter Bürgerwindpark?

Wolke:  Wir orientieren uns an den Bürgerenergie-Leitlinien des Kreises Steinfurt, nach denen ein Projekt freiwillig zertifiziert wird. Dies ist ganz neu, die ersten Projekte starten jetzt. Für ein Zertifikat ist eine Mindestpunktzahl nötig. Punkte gibt es für bestimmte Merkmale. Zudem gibt es K.-o.-Kriterien sowie eine Liste von Zusatzleistungen, von denen man einige erfüllen muss, aber nicht alle. Zu den Kriterien, die man unbedingt erfüllen muss, gehört, dass die Interessensgruppen frühzeitig beteiligt werden und dass die Betreibergesellschaft ihren Sitz vor Ort hat. Zudem soll die Pacht unter den Flächeneigentümern fair aufgeteilt werden und die Bürgerbeteiligung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen.

Wie sieht diese aus?

Wolke:  In den Leitlinien ist sie gestaffelt nach Parkgröße. Bei Windparks mit 1-2 Anlagen muss der Eigenkapitalanteil der Bürger mindestens 25 % ausmachen, bei 3-4 Anlagen mindestens 40 % und ab 5 Anlagen mindestens 50 %. Die Beteiligung sollte z.B. über eine Genossenschaft oder direkte Kommanditbeteiligung erfolgen. Zudem darf es keine Mehrheitsbeteiligung geben, bei der ein einzelnes Mitglied einen Großteil der Anteile hält. Die maximale Einzelbeteiligung liegt dabei bei 300.000 €.

Lohnt sich denn der Aufwand für diese freiwillige Zertifizierung? Steigt dadurch die Akzeptanz?

Wolke:  Ja, wir merken, dass die Anwohner im Kreis die Leitlinien inzwischen kennen und auch wissen, dass wir nur Windparks nach diesen Kriterien planen und errichten. Das bringt viel Ruhe in die Diskussion, sowohl mit Bürgern, als auch mit Naturschützern.

Inwieweit verfolgen Sie auch Ziele der Naturschützer?

Wolke:  Neben der Bürgerbeteiligung ist die Einbindung von Naturschutzinteressen ganz wichtig für eine hohe Akzeptanz. Hierzu hat sich bewährt, einen Teil der Einnahmen in einen Windfonds oder ähnlichem einzuzahlen. Damit werden besondere Maßnahmen im Naturschutz finanziert wie die  Wiedervernässung von Mooren, die Pflege von Heideflächen oder eine Greifvogelaufzuchtstation. Zudem bieten wir freiwillige Leistungen an, die über das Bundesnaturschutzgesetz hinausgehen. Dazu gehören Abschaltungen zu bestimmten Zeiten wie bei der Grasernte von Wiesen rund um die Anlagen, weil da die Greifvögel zur Jagd in den Windpark kommen. Oder wir finanzieren damit ein besonderes Fledermausmonitoring in der Höhe der Gondel von Anlagen.

Der Begriff Bürgerwindpark ist ja nicht streng definiert. Welche Fehler kann man dabei machen?

Wolke:  Das geht los mit der finanziellen Beteiligung. Wir halten z.B. Nachrangdarlehen für unfair. Denn das Risiko ist für den Bürger ist höher, wenn er ein Nachrangdarlehen gibt. Sein Geld zählt dann zum Eigenkapital. Sollte der Windpark in die Insolvenz gehen, wird erst das Fremdkapital bedient. Zudem gibt es eine feste Verzinsung auf das Kapital. Auch da gibt es Nachteile für den Anleger, wenn sie zu niedrig ist. Er hat mehr Risiko, während die Chancen über den Zinssatz gedeckelt sind. Zudem ist der Anleger raus, wenn das Darlehen meist nach zehn Jahren getilgt ist. Man kann Nachrangdarlehen auch fair gestalten, aber oft ist das nicht der Fall. Bei einer Beteiligung als Genosse oder Kommanditist bleibt man dagegen am Windpark beteiligt, auch wenn er nach 20 Jahren repowert wird.

Wie sind Ihre Erfahrungen: Reicht die finanzielle Beteiligung für eine höhere Akzeptanz?

Wolke:  Wir haben zu dem Thema eine Masterarbeit in Auftrag gegeben. Darin wurde deutlich, dass es verschiedene Arten von Gegnern gibt: Es gibt aktive Kritiker, die lauthals protestieren und die stillen Befürworter. Letztere kann man mit einer finanziellen Beteiligung für das Projekt gewinnen. Wenn jemand dagegen protestiert, kann das Angebot einer finanziellen Beteilung als Angebot für ein Schweigegeld aufgefasst werden und damit ins Gegenteil umschlagen. Das zeigt: Man muss die unterschiedlichen  Typen von Gegnern und Befürworten richtig einschätzen und mitnehmen. Eine pauschale Lösung gibt es nicht.

Wie gehen Sie denn mit offenem Protest um?

Wolke: Es kann schon mal passieren, dass man anfangs als Projektierer von einem Kritiker vom Hof gejagt wird. Aber das darf einen nicht entmutigen. Die Planung für einen Windpark dauert vier bis fünf Jahre. Wichtig ist, dass man im Laufe der Jahre ehrlich kommuniziert und das hält, was man verspricht, um Vertrauen aufzubauen. So ist es nicht unwahrscheinlich, dass man die Ablehnung eines aktiven Gegners in Duldung ummünzen kann. Irgendwann ist er dann auch bereit, über eine finanzielle Beteiligung nachzudenken. Wenn sich dagegen die Fronten verhärten, kann aus einem offenen Protest schnell eine Klage werden.

Kritik gibt es auch von Landwirten als Flächeneigentümer. Wie schaffen Sie es, alle unter einen Hut zu bekommen?

Wolke: Kritik entsteht oft dann, wenn Pachten ungleich verteilt werden. Das  Problem bei renditeorientierten Projektierern ist, dass sie nur die Flächen im Blick haben, die sie wirklich  brauchen. Dabei bieten sie einzelnen Landwirten eine sehr hohe Pacht für das Land sowie einen Bonus für die Stellfläche des Windrads. Das weckt eine gewisse Erwartungshaltung. Wenn dann aber nachträglich Genehmigungsauflagen kommen oder vielleicht eine Richtfunkstrecke durch das Gebiet verläuft, die der Projektierer erst nicht beachtet hat, dann kann der Stellplatz des Windrades schnell mal verschoben werden und der Landwirt leer ausgehen, während sein Nachbar alles bekommt. Da sind Neid und Diskussionen kaum vermeidbar. Darum ist eine faire Verteilung der Pacht an alle Landwirte in der Region wichtig.

Wie gelingt das?

Wolke:  Wichtig ist die Bildung eines Flächenpools. Dazu müssen sich die Landwirte im Vorfeld einig sein: Sobald einer von einer Projektgesellschaft angesprochen wird, müssen alle in der Region zusammen überlegen, wie sie damit umgehen wollen. Was wir dabei auch oft erleben: Wenn sich die Landwirte erstmal organisiert haben, kommen sie schnell auf die Idee, einen Bürgerwindpark selbst umzusetzen und damit mehr zu verdienen als nur mit der Verpachtung von Flächen. Letztes Jahr haben wir beispielsweise eine GbR mit 40  Grundstückseigentümern gegründet. Da war vorher ein Projektierer unterwegs, der als Pacht 15 % vom Stromertrag geboten hat. Üblich sind 5 bis 7 %. Die hohe Zahlungserwartung hat dazu geführt, dass wir gute Argumente anführen mussten, um zu erklären, warum es sinnvoll ist, auf Rendite zu verzichten, dafür aber mit einem Flächenpool mehr Ruhe und Sicherheit zu bekommen. Auch haben versucht klar zu machen, dass das Vorgehen unseriös ist.

Inwiefern?

Wolke:  Bei 15 % Pacht verdient kaum noch jemand Geld mit dem Windpark, das ist fast die gesamte Marge. Auch wird die Kommune kaum Gewerbesteuer erhalten. Zudem kann auch die finanzierende Bank ihr Veto einlegen, weil 15 % zu hoch sind. Darum muss man immer wieder argumentieren, dass so ein Pachtvertrag nicht in Stein gemeißelt ist und sich bis zum Umsetzung des Windparks noch einiges verändern kann an der Pachthöhe oder den Standorten der Windräder.

Auch in Nordrhein-Westfalen gibt es inzwischen wie in vielen anderen Ländern auch ein Beteiligungsgesetz. Wie bewerten Sie das?

Wolke:  Das ist eine Basis und sorgt dafür, dass sich Politiker und Projektierer mit der Beteiligung beschäftigen. Aber die darin vorgeschriebene Beteiligung geht nicht weit genug. Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte man die Bürgerenergie-Leitlinien vom Kreis Steinfurt als Vorbild genommen.

Im Münsterland gibt es ja schon relativ viele Windparks. Wird es daher noch viele neue Projekte geben?

Wolke:  Ja, offiziell haben wir im Kreis Steinfurt das Flächenziel laut Windenergieflächenbedarfsgesetz schon erfüllt. Das bedeutet: Wenn der Regionalplan fertig ist, ist der Bau eines Windparks nicht mehr nach §35 Baugesetzbuch privilegiert. Die Kommunen müssen stattdessen Flächen ausweisen, auf denen gebaut werden darf. In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, wenn die Kommunen z.B. eine Zertifizierung nach den Bürgerwindparkleitlinien oder andere gemeinwohlorientierte Windparks vorschreibt, die nicht nur die Rendite im Vordergrund haben, sondern bei denen sich die Betreiber auch um andere Dinge zur Steigerung der Akzeptanz kümmern.

Werden Bürgerenergieprojekte auch mit den freiwilligen Zahlungen für den Naturschutz oder das Flächenpooling weiter wirtschaftlich bleiben?

Wolke:  Die Wirtschaftlichkeit wird bei neuen Projekten immer enger. Das muss man auch den Kommunen immer wieder vermitteln, die von den Gewerbesteuereinnahmen älterer Windparks ausgehen und sich große Hoffnungen machen. Wir haben bestimmte Entwicklungen, die die Wirtschaftlichkeit einschränken. Dazu zählt das Wetter: Wir haben eine Zunahme an Starkwind, dagegen aber weniger gleichbleibende normale Windverhältnisse. Das reduziert den Stromertrag. Dann kommt der starke Ausbau der Photovoltaik dazu, der dazu führt, dass der Strompreis an der Börse an immer mehr Stunden negativ ist. Nach §51 EEG gibt es in dieser Zeit keine Vergütung für jegliche erneuerbaren Energien mehr. Das wird für Windparks ohne Speicher oder anderweitige Nutzung des Stroms zum finanziellen Risiko. Was wir auch sehen: Die Anlagen werden immer größer, wobei die Hersteller unter Druck sind und zum Teil Anlagen auf Prototypstadium errichten. Das führt zu einer  Zunahme von Schäden. Gleichzeitig grenzen Hersteller in Wartungsverträgen die Haftung ein. Wenn man nicht aufpasst, kann ein Bürgerwindpark mit einem entsprechenden Vertrag bei einem Großschaden schnell in wirtschaftliche Schieflage geraten.

Was kann man denn tun, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen?

Wolke:  Wir arbeiten gerade an Projekten, bei denen wir die Wärmeerzeugung mit einbeziehen. In vielen Regionen gibt es z.B. Biogasanlagen oder Holzheizwerke. Der Windpark kann Strom für Wärmepumpen oder Power-to-Heat-Anlagen liefern. Alle zusammen können Wärme für ein Nahwärmenetz oder einzelne Unternehmen liefern. Wichtig ist es, sich bei der Kommune ins Gespräch zu bringen, weil viele von ihnen gerade Konzepte im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung erstellen. Und das geht noch weiter, auch die  Versorgung von Ladesäulen für die Elektromobilität wird in vielen Kommunen ein Thema. Auch dafür kann der Windstrom eine Basis sein. Das alles kann die Wirtschaftlichkeit und die Akzeptanz eines Windparks vor Ort steigern.

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