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Keine weltweite Renaissance der Kernenergie

Trotz eines prognostizierten Anstiegs der Kernenergieproduktion bleiben die erneuerbaren Energien der entscheidende Treiber der Energiewende, so der Verein Deutscher Ingenieure (VDI).

Lesezeit: 5 Minuten

Die Internationale Energieagentur (IEA) hat in ihrer Veröffentlichung "The Path to a New Era for Nuclear Energy" im Januar 2025 eine globale Renaissance der Kernenergie ausgerufen. Diese Aussage könne bei zu oberflächlicher Betrachtung leicht zu Fehlschlüssen führen - insbesondere in Bezug auf Europa oder die deutsche Energiepolitik, warnt Dr. Jochen Theloke von der VDI-Gesellschaft Energie und Umwelt (VDI-GEU). Ein Blick in die Prognosen des World Energy Outlook 2024 (WEO 2024) der IEA, insbesondere die Anhänge A16 bis A22, zeichnet laut VDI-GEU ein differenzierteres Bild.

Globale Entwicklung der Kernenergie

Zwischen 2010 und 2023 stieg die weltweite Stromerzeugung aus Kernkraftwerken minimal von 2.756 Terawattstunden (TWh) auf 2.765 TWh. Das entspricht einem Zuwachs von lediglich 0,33 %. Gleichzeitig sank der Anteil der Kernenergie an der globalen Stromproduktion von 13 auf 9 %.

Im Szenario "Announced Pledges" des WEO 2024 - basierend auf den Zusagen des Pariser Klimaschutzabkommens - könnte die Stromproduktion aus Kernkraftwerken weltweit auf 6.055 TWh steigen. Trotz dieser mehr als doppelten Produktionsmenge würde der Anteil der Kernenergie an der globalen Stromerzeugung jedoch nur bei rund 9 % bleiben, da die Gesamtnachfrage nach Strom zunimmt (Faktor 2,36).

Gleichzeitig wird in den Prognosen ein starkes Wachstum bei den erneuerbaren Energien prognostiziert:

  • Photovoltaik: Der Anteil der Solarenergie an der globalen Stromerzeugung könnte von 5 % im Jahr 2023 auf 40 % im Jahr 2050 steigen.

  • Windenergie: Der Anteil der Windkraft würde von 8 % auf 26 % steigen.

  • Erneuerbare Energien insgesamt: Ihr Anteil an der globalen Stromproduktion könnte von 30 % im Jahr 2023 auf 83 % im Jahr 2050 zunehmen.

Die Situation aus europäischer Sicht

Weiter geht aus den Prognosen der IEA hervor, dass die Stromerzeugung aus Kernenergie in der EU zwischen 2010 und 2023 von 854 TWh auf 616 TWh gesunken ist. Ihr Anteil an der gesamten Stromproduktion fiel von 29 % auf 23 %.

Im Szenario "Announced Pledges", d.h. dass alle Staaten ihre Zusagen aus dem Pariser Abkommen einhalten, wird ein Anstieg der Kernenergieproduktion in der EU auf 860 TWh bis 2050 prognostiziert. Der Anteil an der Stromproduktion würde jedoch dabei weiter auf 15 % zurückgehen.

Erneuerbare Energien in der EU: Der Anteil von Photovoltaik könnte von 9 % (2023) auf 24 % im Jahr 2050 steigen, während die Windkraft ihren Anteil von 18 % auf 46 % erhöhen würde. Der gesamte Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung in der EU könnte so bis 2050 von 45 % (2023) auf 84 % wachsen.

„Diese Zahlen sprechen dafür, dass trotz eines prognostizierten Anstiegs der Kernenergieproduktion die erneuerbaren Energien der entscheidende Treiber der Energiewende bleiben“, erklärt VDI-Energieexperte Prof. Harald Bradke. Für Deutschland und Europa hieße dies, damit weiterhin auf einen Weg zu setzen, der die Potenziale erneuerbarer Energien ausschöpft und eine nachhaltige Energieversorgung fördert. Die Rolle der Kernenergie bleibe in diesem Kontext begrenzt, so Bradke weiter.

Kernkraft weltweit auf niedrigem Niveau

Der globale Markt für Atomkraftwerke stagniert seit Jahren auf sehr niedrigem Niveau, eine echte Renaissance ist nicht in Sicht. Auch angesichts des kurzfristig zu erwartenden steigenden Strombedarfs von Rechenzentren für KI-Anwendungen sind neue Atomkraftwerke allein schon wegen der langen Bauzeiten keine realistische Option, erklärt das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR).

Laut der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) sind im letzten Jahr 2024 weltweit lediglich sechs neue Atomkraftwerke in Betrieb gegangen (2023: fünf). Gleichzeitig wurden vier alte Atomkraftwerke (2023: fünf) endgültig stillgelegt. Der weltweite Netto-Anlagenzubau im Bereich der Kernenergie beträgt somit lediglich zwei neue Atomkraftwerke.

Nach den IAEA-Daten (Stand: 23.01.2025) wurden 2024 neue Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung (netto) von 6.813 MW ans Netz angeschlossen. Diese befinden sich in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Barakah-4, 1.310 MW), China (Fangchenggang-4, 1.000 MW und Zhangzhou-1, 1.126 MW), Indien (Kakrapar-4, 630 MW), Frankreich (Flamanville-3, 1.630 MW) und den USA (Vogtle-4, 1.117 MW).

Gleichzeitig wurden 2024 weltweit alte Atomkraftwerke mit einer Gesamtleistung (netto) von 2.891 MW stillgelegt, darunter Kursk-2 (925 MW) in Russland, Maanshan-1 (936 MW) in Taiwan sowie die beiden Pickering-Atomkraftwerke 1 und 4 (jeweils 515 MW) in Kanada.

Hohe Investitionskosten

Die Ursachen für das schwache Wachstum des globalen Marktes für Atomkraftwerke sind laut IWR unverändert: extrem hohe Investitionskosten, sehr lange Bauzeiten von 10 – 15 Jahren und ebenso extrem hohe Finanzierungsrisiken, die praktisch nur von Staatsunternehmen übernommen werden können. Zudem sei der Markt für Atomkraftwerke auf eine sehr geringe Zahl von Unternehmen - meist Staatsunternehmen – angewiesen, die überhaupt in der Lage sind, Atomkraftwerke zu bauen und zu exportieren.

Ein Beispiel für die enormen Kosten und die langen Bauzeiten von Atomkraftwerken ist laut IWR das französische AKW Flamanville 3, das 2024 in Betrieb gegangen ist. Im Jahr 2006 wurden die Baukosten für Flamanville 3 auf 3,2 bis 3,3 Mrd. Euro veranschlagt, bei einer Bauzeit von fünf Jahren. Nach Angaben des französischen Rechnungshofs sind die Kosten nach nun 17 Jahren Bauzeit aktuell auf 23,7 Mrd. Euro explodiert, bei einer Rendite von beispielsweise 4 Prozent müsste der Verkaufspreis für den Atomstrom schon bei 12,2 ct/kWh liegen.

Kleine AKW keine Lösung

Auch kleine, modulare Atomreaktoren (SMR), die als eine kostengünstigere und flexiblere Lösung beworben werden, können laut IWR die grundlegenden Probleme der Atomkraft derzeit nicht lösen. Ein Beispiel für die Marktschwierigkeiten von Mini-Atomkraftwerken ist das geplante Idaho-Vorzeigeprojekt der Utah Associated Municipal Power Systems (UAMPS) in den USA, das SMR-Projekt wurde aufgrund explodierender Baukosten und zu hoher Kosten für den Atomstrom aufgegeben.

„Angesicht eines möglichen steigenden Strombedarfs von KI-Rechenzentren sind Atomkraftwerke wettbewerblich keine Alternative zu erneuerbaren Energien. Ein AKW-Neubau dauert schlicht zu lange, ist extrem teuer und die Finanzierung bleibt riskant“, so IWR-Chef Dr. Norbert Allnoch.

Atom kontra Solar

Zum Vergleich: Während der Netto-Zubau an Kernkraftleistung 2024 weltweit 3.922 MW erreicht, hat alleine China im selben Zeitraum Solaranlagen mit einer unglaublichen Rekordleistung von 277.000 MW neu installiert. Allnoch weiter: „Wenn China sein aktuelles Tempo beim Bau von Solaranlagen bis 2030 fortsetzt, wird das Land schon am Ende des Jahrzehnts mit eigenem, preiswerten Solarstrom ganz alleine die heutige Stromerzeugung der gesamten globalen Atomkraftwerksflotte überholen.“

 

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