„Moderne Windkraftanlagen sind sehr leise und leisten einen großen Beitrag zur wohnortnahen Stromversorgung“, erklärte Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger vergangene Woche bei einem Besuch im Ebersberger Forst (Landkreis Ebersberg). Hier sollen demnächst fünf neue Windräder entstehen. „Wir brauchen neue Windenergieanlagen, damit wir die Energiewende schaffen und aus der Kohle- und Atomenergie rauskommen“, betonte der Minister. „Windkraftanlagen im Wald sind für Bayern eine Chance für eine anwohnerfreundliche Energieproduktion, die das Landschaftsbild wenig stören“, erklärte der Energieminister. Die Akzeptanz für Windräder in der Öffentlichkeit steige wieder, nachdem in den letzten Jahren auch viel Stimmungsmache gegen die heimische Windkraft betrieben worden sei, oftmals mit Verweis auf Kohle- oder Atomkraftwerke als gewünschte Alternativen.
Kaum neue Anlagen
Ungeachtet dessen sind im Jahr 2020 in Bayern nur acht neue Anlagen ans Netz genommen worden, 2019 waren es sogar nur sechs und 2018 ebenfalls nur acht Anlagen. Und das, obwohl Bayern als größtes Flächenland ein großes Ausbaupotenzial für Windenergie hat. „Der schleppende Windausbau im Freistaat hängt vor allem mit der 2014 in Kraft getretenen 10-H-Abstandsregel zusammen“, kritisiert Dr. Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender des Ökostromanbeiters Naturstrom. Die Regel besagt, dass der Abstand eines Windrads zur nächsten Wohnbebauung mindestens das Zehnfache seiner Höhe betragen muss – kein anderes Bundesland hat eine vergleichbare Restriktion. „Die 10-H-Regelung hat in Bayern fast alle Möglichkeiten für den Windenergie-Ausbau zunichte gemacht“, bedauert der Naturstrom-Chef. „Eine dezentrale und umweltfreundliche Energiewende wird so bewusst behindert.“
Banning: "CSU sollte Blockadehaltung aufgeben"
Obwohl Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Aiwanger sowie Umweltminister Glauber (beide Freie Wähler) die Regelung kritisieren und deren Abschaffung befürworten, verteidigt die CSU die umstrittene Bestimmung. Dies aber steht laut Banning im klaren Widerspruch zu den Klimazielen des Freistaates – insbesondere, nachdem der Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zum bundesdeutschen Klimaschutzgesetz in der vorletzten Woche erklärt hat, dass Bayern nun zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz und bis 2040 klimaneutral werden solle. „Es sind also nicht einmal mehr 20 Jahre, um von derzeit gut 22 % Anteil der Erneuerbaren am Gesamtenergieverbrauch in Bayern auf annähernd 100 % zu kommen. Dieses Ziel kann ohne einen sehr ambitionierten Ausbau der Solar- und Windkraftwerke im Freistaat jedoch keinesfalls erreicht werden, eine Umstellung auf einen überwiegenden Import von der Nordsee oder aus dem Ausland vernichtet Wertschöpfung in Bayern und erhöht Abhängigkeiten“, so Banning. Wenn nicht schnell die Bremsen gelöst würden, um den mittelständischen Unternehmen, den Bürgern und den Stadtwerken in Bayern Raum zur Gestaltung ihrer Energiezukunft geben, würden alle großen Ansagen zum Klimaschutz kläglich scheitern und die nächste Generation vor nicht mehr handhabbare Probleme stellen.
„Eine pauschale 10-H-Abstandsregel ist hochgradig unsinnig, sie gehört schnellstens abgeschafft. Die richtigen Abstände von Windenergieanlagen zu einer Bebauung zu finden, muss Aufgabe von konkreten Planungsverfahren sein“, appelliert Banning.
Windpark Rugendorf mit vier neuen Anlagen
Wie so etwas aussehen kann, zeigt der Windpark der Naturstrom AG an der Grenze der oberfränkischen Landkreise Kulmbach und Kronach. Vier neue Anlagen des Typs Vensys V120 drehen sich auf dem Gebiet der Gemeinden Rugendorf, Weißenbrunn, Kronach und Marktrodach und sollen dank der insgesamt installierten Leistung von 12 Megawatt (MW) plangemäß zusammen 20 Mio. Kilowattstunden (kWh) Strom im Jahr erzeugen. Jede von ihnen ragt bis auf eine Nabenhöhe von 139 Metern hinauf und hat einen Rotordurchmesser von 120 Metern.
Die Realisierung des Projektes fand mit einer langen Vorlaufzeit statt: Bereits 2014 wurde der Bau von drei Anlagen durch das Landratsamt Kronach genehmigt. Ein Jahr später wurde die vierte Anlage durch das Landratsamt Kulmbach bewilligt. Der Zuschlag im Ausschreibungsverfahren der Bundesnetzagentur wurde im Oktober 2018 erteilt. Zur Betrachtung der Windgegebenheiten vor Ort wurde während der Planungsphase eine Windmessung über den Zeitraum von über einem Jahr vorgenommen.
Nach Erhalt der Genehmigung hatte ein Verein Klagen gegen die Windenergieanlagen eingereicht, der Bau wurde dadurch erheblich verzögert und selbst nach diversen Gerichtsentscheidungen pro Windpark gehen die Kläger weiter gegen diesen vor.