In Flüssen steckt viel Energie. Das Wasser treibt nicht nur Turbinen oder Wasserräder an, um ganzjährig sauberen Strom zu erzeugen. Es enthält auch viel Wärme, die sich mithilfe von Wärmepumpen nutzen lässt. Erste Projekte zum „Aquathermie“ genannten Verfahren gibt es in Schweden, der Schweiz, Dänemark, sowie in Mannheim, Köln oder Rosenheim. So wird das Rathaus in Zürich seit 1938 mit Seewärme geheizt.
Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden könnten für die Wärmeplanung Wärmepumpen an ihren Flüssen einbeziehen, zeigt eine Studie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE) aus München. Gemeinsam beauftragt hatten sie die Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern e.V. (VWB) und der Landesverband Bayerischer Wasserkraftwerke eG (LVBW), die Landesgruppe Bayern des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) sowie der Verband der Bayerischen Energie und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW).
Bayerische Haushalte und das Gewerbe benötigen laut der FfE-Studie „Bayernplan Energie 2040“ im Jahr rund 150 Terawattstunden (TWh) Wärme. Um diesen Bedarf rein rechnerisch decken zu können, müsste dem aus den Flüssen erster und zweiter Ordnung entnommenen Wasser lediglich 1,5 Grad Wärme entzogen werden. Würde man die Wassertemperatur um 3 °C absenken, wäre das Wärmepotenzial schon bei 340 TWh.
Wie das Konzept funktioniert
Bei der Aquathermie gibt es zwei Systeme:
Offen: Über Pumpen etc. wird Wasser aus dem Fluss entnommen und zur Wärmepumpe geführt.
Geschlossen: Der Verdampfer der Wärmepumpe ist im Fließgewässer platziert.
Wie bei anderen Wärmequellen auch wird die Effizienz der Wärmepumpe, also der Strombedarf je kWh Wärme, von der Temperaturdifferenz der Quelle bestimmt. „Und diese Effizienz ist umso größer, je kleiner die Differenz zwischen Gewässer- und Wärmesenkentemperatur ist“, sagt Studien-Co-Autor Joachim Ferstl von der FfE.
Die Übersicht zeigt, wie sich der Coefficient of Performance (COP, ein Maß für die Effizienz) von Flusswasserwärmepumpen bei verschiedenen Gewässertemperaturen von 0 bis 25 Grad und verschiedenen Vorlauftemperaturen von 60 bis 120 Grad entwickelt. Bei einer relativ niedrigen Vorlauftemperatur von 60 °C und hohen Flusswassertemperaturen von 15 °C wäre der COP bei fast 5 und damit ein sehr guter Wert. Übliche Wärmepumpen liegen bei COP 3-4. Zu bedenken ist auch, dass heute schon Gebäude auch unter 60 °C beheizt und nur für die Warmwasserbereitung kurzzeitig höhere Temperaturen aus hygienischen Gründen genutzt werden.
Die Vorteile
Wärmepumpen können verschiedene Quellen anzapfen, wie Luft oder Grundwasser. „Ähnlich wie beim Grundwasser hat auch ein Fluss wesentlich geringere Temperaturschwankungen im Verlauf des Tages und des Jahres als bei der Außenluft. Und im Vergleich zum Grundwasser regeneriert sich ein Fluss schneller“, zählt Ferstl die Vorteile auf.
Die Wärmequelle sei daher für viele Kommunen ideal, um sie in der jetzt anstehenden kommunalen Wärmeplanung einzubeziehen. Diese zu erstellen, sind alle Kommunen in Deutschland verpflichtet. Größere Kommunen müssen bis 2026, kleinere bis 2028 einen Plan vorlegen, wie die Wärmeversorgung der Zukunft aussehen soll.
Dazu kommt, dass sich die Gewässer im Rahmen des Klimawandels deutlich erwärmt haben. „Man spricht von etwa 1 bis 2 °C in den letzten Jahrzehnten“, sagt Dr. Josef Rampl, Geschäftsführer der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB). Mit der Aquathermie könnte man dem Fluss wieder etwas Wärme entziehen und das ökologische Gleichgewicht so stabilisieren oder wieder herstellen.
Das Potenzial
Wie die Studie zeigt, könnte bei voller Nutzung des theoretischen Potenzials ein Fünftel der bayerischen Gemeinden ganzjährig den Wärmebedarf allein mit einer Flusswärmepumpe decken, 40 % der Gemeinden würden es zumindest im Sommer schaffen. Diese Annahmen beziehen sich auf eine Abkühlung um 1,5 °C. „Die Abkühlung dieses Entnahmestroms, also des Wassers, das man dann im Gewässer letztendlich entnimmt, kann im jahreszeitlichen Verlauf variabel erfolgen“, sagt Co-Autor Niklas Wettberg. So müsse man darauf achten, im Winter nicht ganz so stark abzukühlen, damit das Wasser nicht friert und eine minimale Rückflusstemperatur gewährleistet bleibt. „Im Sommer wäre dagegen eine höhere Temperaturspreizung möglich“, sagt er.
Der richtige Standort
Auch mit der Frage des richtigen Standorts für potenzielle Flusswasserwärmepumpen haben sich die Wissenschaftler beschäftigt. „Von Experteninterviews wissen wir, dass Standorte in unmittelbarer Gewässernähe liegen müssen und dass es sinnvoll ist, vorhandene Entnahmeinfrastrukturen und bestehende Eingriffe zu nutzen“, sagt Wettberg. Damit ließen sich Synergien schaffen, um nicht zu viele neue Eingriffe zu erzeugen. Das erleichtert auch das Genehmigungsverfahren.
Aus diesem Grund kommen Wasserkraftwerke ins Spiel. Aber auch Industrie- und Kraftwerkstandorte, beispielsweise zur Kühlwassernutzung, Mühlen oder Kanäle wären geeignet. „Bei der konkreten Standortwahl spielt aber neben der Wärmequelle im Fluss natürlich auch die Wärmesenke eine wichtige Rolle“, so der Wissenschaftler.
Um eine möglichst hohe Effizienz der Wärmepumpe zu erreichen, wäre es auch denkbar, ein „kaltes“ Nahwärmenetz zu nutzen, bei dem die Leitungstemperatur zwischen 5 und 35 °C liegt. In den Häusern der Kunden könnten einzelne Wärmepumpen dann für die nötige Raumtemperatur sorgen.
Warum Wasserkraftanlagen profitieren
„Gewässerwärmepumpen sind eine ideale Kombination zu Wasserkraftwerken“, sagt Dr. Josef Rampl (VWB). Ein großer Vorteil sei, dass sie im Fluss ständen und es bestehende Infrastrukturen für die Energieerzeugung vor Ort gäbe, die zum Betreiben der Wärmepumpen genutzt werden können. Dazu gehören neben der günstigen Strombereitstellung und vorhandenen Gebäude auch das Bauwerk im Fluss. „Außerdem sind viele Wasserkraftanlagen nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in Städten und Gemeinden angesiedelt, wo viel Energie benötigt wird und wo Umgebungswärme wie Luft nur schwer genutzt werden kann“, sagt er.
Dazu kommt: Wasserkraft verhält sich gerade in Bayern komplementär zur Solarenergie. „Im Winter, wenn die Solarenergie nur wenig Strom liefern könne, haben wir mehr Niederschläge und damit bessere Bedingungen für die Stromerzeugung als im Sommer“, erklärt er. Im Sommer könnte die Wasserkraft dagegen andere Aufgaben übernehmen wie Wasserrückhalt in Trockenzeiten und Grundwasserstabilisierung.
Generell müsste die Wasserkraft mehr Beachtung finden: „Die stabilen und zuverlässigen Energien wie die Wasserkraft und die Bioenergie können besonders in den Niederspannungsnetzen wertvolle Dienstleistungen für die Stabilität und Sicherheit zur Verfügung stellen“, betont Rampl.
Das Resümee der Branche
„Das Flusswasser hilft uns, unsere Gebäude warm zu halten und ermöglicht es, nur ein Drittel der Energie im Vergleich zur Vergangenheit einzusetzen“, sagt Gunnar Braun von der Landesgruppe Bayern des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU). Oft stelle sich dann die Frage, woher der Strom dafür kommen soll. „Hier müssen wir uns bewusst machen, dass viele in Bayern noch mit Öl heizen. Bei der Herstellung von Öl in unseren Raffinerien wird auch viel Strom benötigt“, sagt er.
Ersetzt man das Öl, werde bereits Strom für die Wärmepumpen frei. Bei der genannten COP von 5 kommen dann vier Teile Wärme aus dem Gewässer, statt sie zu importieren und energieintensiv in Raffinerien zu verarbeiten. Nur ein Teil des Stroms ist für ausreichend Wärme nötig. Das schafft Versorgungssicherheit. Auch die Pufferung von Stromüberschüssen von Wind und Photovoltaik ist denkbar. Dabei würden die Wärmepumpen diesen Strom nutzen, um zu heizen. Die Wärme könnte in großen Speichern gepuffert werden.
Die Nutzung von Flusswärme biete somit eine klimaneutrale Option, die Wärmeversorgung der Zukunft zu gestalten. „Die Flüsse zu nutzen ist eine Chance, sie abzukühlen, was gleichzeitig Klimaschutz und Klimaanpassung bedeutet“, sagt Braun. Die Quelle ergänzt das Abwärmepotenzial von Kläranlagen oder der Müllverbrennung.
Zum Nachlesen
Die Studie Wärmepumpen an Fließgewässern der FFE finden Sie hier.