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Vogelgrippe: Impfen oder nicht impfen?

Seit Februar 2023 darf Nutzgeflügel in der EU gegen die Vogelgrippe geimpft werden. Die Auflagen für die Überwachung sind jedoch hoch. Zudem drohen Handelsbeschränkungen von Drittländern.

Lesezeit: 9 Minuten

Kaum ein anderes Virus hat sich weltweit so schnell ausgebreitet wie die Vogelgrippe. Mitte der 1990er-Jahre wurde der Subtyp H5N1 der hochpathogenen aviären Influenza (HPAI) erstmals in einer Gänseherde in der südchinesischen Provinz Guangdong nachgewiesen.

Über Zugvögel breitete er sich dann über ganz Asien, Afrika und den Nahen Osten bis nach Europa, den amerikanischen Kontinent und sogar bis in die Antarktis aus. Seit 2020 befindet sich Europa quasi unter Dauerbeschuss durch den Erreger. Die Infektionen treten inzwischen ganzjährig auf und nicht mehr nur saisonal.

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Schnell gelesen

  • Die Vogelgrippe hat sich über den ganzen Globus ausgebreitet. Inzwischen sind auch rund 100 Säugetierarten betroffen. Die Pandemiegefahr für Menschen steigt.

  • In der EU darf seit letztem Jahr gegen das Virus geimpft werden. Bislang macht nur Frankreich davon Gebrauch. Erste ­Erfahrungen sind durchaus positiv.

  • Die Impfung ist jedoch an eine teure und aufwendige Überwachung gekoppelt. Zudem drohen impfenden Ländern Handelsrestriktionen für Exporte in Drittländer.

Auch Säugetiere betroffen

Da das Virus extrem wandlungsfähig ist und sich sehr schnell an neue Umgebungen bzw. neue Wirte anpassen kann, wurde es inzwischen auch bei zahlreichen Säugetieren nachgewiesen. Weltweit sind inzwischen mehr als 100 Fleischfresserarten betroffen. In unseren Breiten infizieren sich vor allem Füchse, Marder, Katzen und Otter, aber auch Seehunde. Sie fressen infizierte Wildvögel oder deren Kot. Meist bleibt es jedoch bei Einzelinfektionen.

Aktuell gibt es zudem Meldungen aus mindestens acht US-Bundesstaaten. Dort haben sich in mehr als 30 Herden Kühe mit dem Virus der hochpathogenen Influenza infiziert. Es wurde in der Milch der Tiere nachgewiesen. Das ist un­gewöhnlich, denn Kühe gelten als wenig empfänglich für solche Influenzaerreger. Auch hier gehen die Behörden von einer Übertragung durch Wildvögel aus.

Droht eine neue Pandemie?

Problematisch ist, dass das HPAI-Virus durch das Überwinden der Artengrenze auch dem Menschen bedrohlich nahe kommt. In Texas wurde Anfang April bereits von einem Tierbetreuer berichtet, der sich bei Kühen mit dem Virus infiziert hat. Dabei klagte er vor allem über entzündete Augen.

In Nordeuropa scheinen Menschen für den Erreger zwar bisher kaum empfänglich zu sein, das kann sich jedoch jederzeit ändern. Die Furcht vor einer neuen Pandemie ist daher nicht unbegründet. Zumal Wissenschaftler und die Weltgesundheitsorganisation WHO inzwischen davon ausgehen, dass die nächste Pandemie vermutlich von einem Influenzavirus verursacht wird.

Die wichtigste Maßnahme zum Schutz der Nutzgeflügelbestände vor der Vogelgrippe ist das Einhalten wichtiger Bio­sicherheitsregeln. Dazu gehören neben der strategischen Lage des Betriebes auch die Einzäunung der Stallanlagen und das Installieren einer Hygieneschleuse. Aber auch der Kleidungs- und Schuhwechsel vor dem Betreten des Stalles sowie die Handhygiene spielen eine große Rolle.

Biosicherheit ist in den meisten Fällen mit einem größeren Aufwand und mitunter hohen Kosten verbunden. Zudem muss sie tagtäglich gelebt werden. Und selbst dann wird Biosicherheit nie einen hundertprozentigen Schutz bieten können. Das gilt insbesondere für Offenstall- und Freilandhaltungen.

Viele Geflügelhalter setzten deshalb zeitweise große Hoffnungen in die Impfung. Dementsprechend groß waren die Erwartungen, als Brüssel im Februar 2023 mit der Delegierten Verordnung EU 2023/361 den Weg für die Vogelgrippeimpfung freimachte. Doch kann die Impfung wirklich alle Probleme auf einen Schlag lösen?

Global gesehen ist die Vogelgrippeimpfung keine neue Erfindung. Es gibt bereits seit Längerem zugelassene Impfstoffe. Und einige Länder wie z. B. China und Mexiko impfen bereits seit geraumer Zeit. In der EU galt bislang jedoch eine strikte Nichtimpfpolitik. Das hat sich mit der Delegierten Verordnung geändert.

Bisher impft nur Frankreich

Vor der Freigabe der Impfung in Europa waren einige EU-Mitglieder noch ganz erpicht darauf, endlich mit der Impfung beginnen zu können, um die eigene Geflügelpopulation zu schützen. Inzwischen hat sich die Euphorie jedoch gelegt.

Mit der Impfung begonnen hat bisher nur Frankreich. Dort werden Enten –  vor allem Masttiere – seit dem 1. Oktober 2023 gegen die Aviäre Influenza geimpft, weil die Branche hier in den letzten vier bis fünf Jahren durch die Vogelgrippe enorme Verluste erlitten hat.

Andere EU-Länder haben dagegen bisher nur wissenschaftliche Studien zur Impfung durchgeführt. So auch Deutschland. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems arbeitet zurzeit an einer Studie zur Impfstoffeffiziens, der „Gänsestudie“.

Getestet werden fünf Vakzinen von vier Herstellern. Untersucht wird, welchen Schutz die Impfstoffe vor einer Erkrankung und einer weiteren Virusverbreitung bieten. Derzeit befindet sich die Studie in der zweiten Phase. Die Ergebnisse werden in Kürze erwartet.

Strenge Rahmenbedingungen

Das zögerliche Verhalten der meisten EU-Länder hat ganz maßgeblich mit den Rahmenbedingen zu tun, die zuvor erfüllt sein müssen. In der Übersicht sind die vier Voraussetzungen dargestellt. Der Rechtsrahmen, der die Impfung EU-weit erlaubt, ist durch die Delegierte Verordnung EU 2023/361 inzwischen vorhanden.

Bei Punkt zwei, der Zulassung der Impfstoffe, wird es allerdings schon schwieriger. Denn bislang ist lediglich einer (für Hühner) der weltweit angebotenen elf Impfstoffe in der gesamten EU zugelassen. Hier sind die Impfstoffhersteller und die Europäische Arzneimittelbehörde EMA gefragt.

Entscheidend ist auch, welche Strategie man mit der Impfung verfolgt:

  • Eine  Präventivimpfung  erfolgt vorsorglich, noch bevor die Geflügelpest in einer Region nachgewiesen wurde. Sie soll die Bestände vor einer Erkrankung durch das HPAI-Virus schützen. Und sie zielt darauf ab, die Virusausscheidung im Bestand zu reduzieren.

  • Eine  Notimpfung  hingegen erfolgt, nachdem die Geflügelpest bereits ausgebrochen ist. Sie soll die lokale und regionale Ausbreitung des HPAI-Virus eindämmen.

Bei der Notimpfung unterscheidet man wiederum zwei Varianten: Wird eine bereits infizierte Herde geimpft, spricht man von einer  Notsuppressionsimpfung . Ihr Ziel ist, zu verhindern, dass sich der Erreger weiter im Bestand ausbreitet bzw. aus dem Bestand heraus in benachbarte oder Kontaktbetriebe getragen wird. In der Regel verbreitet sich das Virus im Bestand aber schneller aus als sich der Impfschutz einstellt. Denn die Immunitätsbildung nach der Impfung dauert zwei bis drei Wochen.

Die zweite Variante ist die  Notschutzimpfung . Darunter versteht man eine Ringimpfung aller Geflügelbetriebe um den infizierten Bestand herum. Ihr Ziel ist, das Seuchengeschehen auf den Ursprungsbetrieb, der gekeult werden muss, zu begrenzen. Die Notschutzimpfung wäre vermutlich auch das Verfahren, das in Deutschland zum Einsatz käme, wenn die Bundesrepublik in die Vogelgrippeimpfung einsteigt.

Fakt ist, dass eine Impfung nur bei bestimmten Geflügelarten bzw. Haltungsformen Sinn macht. Für kurzlebiges Geflügel (zum Beispiel Masthähnchen) in Stallhaltung ist eine Not- oder Präventivimpfung nicht sinnvoll. Denn die Eintragswahrscheinlichkeit des Virus in den Bestand ist vergleichsweise gering und die Lebensdauer der Tiere zu kurz. Anders verhält es sich bei Geflügel mit längerer Lebensdauer und Ställen mit Auslauf oder Freilandhaltung. Hier können sowohl Präventiv- als auch Notimpfungen erfolgversprechend sein.

Strenge Überwachung

Punkt drei der zu erfüllenden Rahmenbedingungen (siehe Übersicht) ist die Überwachung (Surveillance) der Impfmaßnahme. Dadurch will die EU verhindern und gerichtssicher nachweisen können, dass sich in den geimpften Beständen kein HPAI-Virus versteckt beziehungsweise unter der Impfdecke unkontrolliert weiterverbreitet. Experten sprechen von einer „stummen Viruszirkulation“.

Brüssel schreibt sowohl eine aktive als auch eine passive Überwachung vor:

Zur  aktiven Überwachung  gehört, dass die Impfbestände mindestens einmal monatlich klinisch von einem Amtsveterinär untersucht werden müssen. Hinzu kommen serologische bzw. virologische Tests. Dazu müssen monatlich in jedem Impfbetrieb von 60 Tieren Blutproben oder kombinierte Tracheal-/Kloakentupfer gewonnen und in staatlichen Laboren untersucht werden. Bei 20 kg schweren Puten ist das echte Knochenarbeit.

Die  passive Überwachung  umfasst wöchentliche virologische Untersuchungen (PCR-Test) der in der jeweiligen Woche verendeten Tiere auf den HPAI-Erreger.

Entscheidend ist, dass alle genannten Untersuchungen so lange fortgeführt werden müssen, bis das letzte geimpfte Tier den Bestand verlässt. Und von der Regelung wären auch alle Rassegeflügelhalter betroffen.

Unklar ist zurzeit noch, wer die Impf- und Überwachungsmaßnahmen durchführen soll. Von den Veterinärbehörden allein wird dies bei einer flächendeckenden Impfung nicht zu leisten sein. Die Behörden können jedoch Hoftierärzte dafür schulen und ermächtigen. Aber auch die Kapazität staatlicher Labore ist begrenzt. Und schließlich ist nicht geklärt, wer die Überwachung bezahlen muss. Nach derzeitigem Stand müssten die Kosten allein die Landwirte bzw. die Geflügelbranche tragen.

Alternatives Screening

Um den Kontrollaufwand und die Kosten zu reduzieren, wird deshalb intensiv nach alternativen und zugleich tierschonenderen Überwachungsverfahren gesucht. Denkbar ist um Beispiel eine Beprobung offener Tränkesysteme in den Geflügelställen. Denn Tiere, die das Vogelgrippevirus in sich tragen, scheiden mit ihren Atemwegssekreten Erreger aus, die sich in den Tränken sammeln.

Die Erbinformation der Influenzaviren lässt sich in Form von Ribonucleinsäuren (RNA) selbst in kleinen Mengen mit dem PCR-Verfahren im Tränkewasser nachweisen. Das Verfahren wäre sowohl tierschonend als auch arbeitssparend. Die Methode muss allerdings erst noch validiert und amtlich anerkannt werden.

Handelsbeschränkungen

Der kritischste Punkt der zu erfüllenden Rahmenbedingungen sind jedoch die mit der Impfung verbundenen bzw. zusätzlich drohenden Handelsbeschränkungen. Zum einen gibt die EU-Verordnung vor, dass geimpfte Tiere nur unter bestimmten Voraussetzungen bzw. nach entsprechender Voruntersuchung aus dem Impfgebiet heraus transportiert werden dürfen.

Noch schwerer wiegen jedoch die drohenden Importverbote durch Drittstaaten. Denn einige Länder lehnen Fleisch- und Tierimporte aus Impfregionen kategorisch ab (siehe Erfahrungen aus Frankreich auf Seite 96). Sie fürchten, das Virus durch geimpfte Tiere in ihr Land einzuschleppen.

Deshalb müssen mit diesen Ländern frühzeitig bilaterale Verhandlungen geführt und Veterinärzertifikate ausgehandelt werden. Das ist häufig aber schwierig, weil die Importstopps auch aus handelspolitischen Gründen ausgesprochen werden.

Die drohenden Handelsbeschränkungen führen dazu, dass selbst innerhalb der Geflügelbranche eines Landes Uneinigkeit darüber herrscht, ob gegen die Vogelgrippe geimpft werden sollte oder nicht. Während es den Tierhaltern darum geht, mithilfe der Impfung das Leben ihrer Tiere zu schützen, wollen die Zuchtfirmen weiterhin ungestört internationalen Handel betreiben. Und auch die Exporteure von Bruteiern und Eintagsküken sind darauf angewiesen, ihre Produkte frei handeln zu können.

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