Unser Autor: Hans-Ulrich Hayn, Leiter Forstbezirk Hochschwarzwald, Forst Baden-Württemberg
Durch die extremen Sommer der zurückliegenden Jahre und ihre Folgen sind große Freiflächen entstanden. Oft sehen Waldbesitzer eine sofortige Bepflanzung dieser Flächen als einzige Option. Dies kann in einigen Fällen sinnvoll sein – aber auch teuer. Zudem ist der Erfolg besonders auf großen Freiflächen ungewiss. „Nichtstun“ kann Sinn machen, Pflegeeingriffe aber oftmals mehr.
Wann „Pflanzen“?
Wenn es darum geht, neue, nicht vorhandene Baumarten zu etablieren, gibt es zur Pflanzung keine Alternative. Dies gilt vor allem für Gehölze, die in Bezug auf die zukünftige Klimaeignung Besseres versprechen: beispielsweise Eiche und Douglasie. Wenn diese Arten nicht natürlich vorkommen, aber die Zielbaumarten sein sollen, dann muss der Waldbesitzer sie pflanzen.
Warum so hohes Risiko?
Die Schadflächen sind oft deutlich größer als Pflanzflächen unter normalen waldbaulichen Verhältnissen. Damit sind sie von einem Wald- oder Waldrandcharakter weit entfernt. Es fehlt jeglicher Schatten. In extremen Hitzephasen vertrocknen hohe Anteile der Neupflanzungen. Schadfaktoren verschärfen die Problematik. Dazu zählen neben Trockenheit auch Spätfrost und verschiedene Schädlinge wie Läuse, Insekten sowie Mäuse.
Erfahrungen zeigen, dass auf Schadflächen immer wieder verstärkt der Große Braune Rüsselkäfer auftaucht. Mit seinem Pockennarbenfraß führt er zu hohen Ausfällen bei gepflanzten Nadelbäumen.
Auch die rasch startende Konkurrenzvegetation kann sich negativ auf die Pflanzen auswirken. Neben Grasbewuchs, in dem sich Mäuse wohl fühlen, sind besonders Brombeere, Adlerfarn aber auch Sträucher wie Hasel eine starke Konkurrenz für die Forstkulturen. Im Ergebnis führt das dazu, dass trotz hoher Investitionskosten von nicht selten 15 .000 €/ha der Erfolg keineswegs sicher ist.
Aus der Praxis
Unser Autor Hans-Ulrich Hayn ist Forstbezirksleiter im Schwarzwald und hat zwei Bestände genauer untersucht. Beim ersten Bestand handelt es sich um ein Tannenaltholz auf Südwesthang in submontaner Höhenstufe (300 bis 500 m ü. NN).
Auf 8 ha eines ehemaligen Tannenaltholzes (90 % Tanne und 10 % Kiefer) fiel die überalterte bis zu 180-jährige Tanne zunehmend aus. Wesentlicher Grund der Überalterung war die über Jahrzehnte fehlende Naturverjüngung durch zu hohe Wildbestände. Neben kleinen Flächen mit gepflanzten Buchen und Douglasien ist eine lückige Naturverjüngung aus dominierender Buche und etwas Tanne vorhanden. Der Hasel breitet sich massiv aus.
Bei genauerer Betrachtung des Altholzes stellte Hayn fest, dass dort rund 25 alte Eichen vorhanden sind – bislang unterdrückte Bäume ohne besondere Qualität, aber ökologisch hochwertig und als stabile Beimischung sehr erwünscht.
Eine Analyse der Verjüngung mit 194 Stichprobenpunkten ergab, dass sich ohne Pflege hohe Anteile der qualitativ schlechten Buche und des Hasels durchsetzen. Der Flächenanteil ohne jede Bestockung ist gering.
Ziel war es, durch Pflegeeingriffe die Anteile von Tanne, Douglasie und Eiche zu erhöhen und dabei die belassenen Eichen zu berücksichtigt.
Ergebnis: Ohne weitere Pflanzmaßnahmen ist nur durch die Pflege ein Mischwald entstanden. Statt nur Hasel konnten weitere Laubbaumarten integriert werden (Übersicht 1): Insgesamt kommen jetzt 20 verschiedene Baumarten vor. Die Vorteile des Mischwalds in Bezug auf Ökologie, Diversität, Stabilität, Stammholzproduktion und CO2-Fixierung konnte Hayn erreichen. Dabei ist klar, dass mit Veränderung des Klimas die Tannen nicht mehr so alt werden wie bislang. Bei entsprechender Steuerung können auch in der Hälfte der Zeit lohnende Sortimente produziert werden.
Gar nichts tun?
Es gibt immer wieder Meinungen, dass bei einem Maßnahmenverzicht automatisch tolle Wälder entstehen. Das mag im Einzelfall gut gehen, aber häufig gibt es negative Entwicklungen. So setzten sich oft Bäume durch, die vom Waldbesitzer unerwünscht sind. Das können ökonomisch wertlose Baum- und Straucharten wie Hasel oder Weide sein. Es können aber auch wieder Fichtenreinbestände entstehen, die nach den aktuellen Klimamodellen noch schneller im Käferdrama zusammenbrechen.
Eine weitere Gefahr ist die Dominanz qualitativ sehr schlechter Einzelbäume. Sie sind nicht als Sägeholz geeignet und decken unter normalen Verhältnissen kaum die Erntekosten. Diese vorwüchsigen Bäume unterdrücken oft auch geeignetere Baumarten sowie bessere Qualitäten.
„Goldener“ Mittelweg?
Beim Pflegen überlässt man zunächst wie beim „Nichtstun“ vieles der Natur. Ziel ist es, mit vorhandener Naturverjüngung zu arbeiten, oder man wartet auf die sich noch einstellende Naturverjüngung. Die Pflege setzt immer dann ein, wenn die Waldentwicklung in eine unerwünschte Richtung abdriftet. Auch dann, wenn durch Pflegeeingriffe ein ökologisch als auch wirtschaftlich besserer Wald entstehen kann.
Reine, einstufige Buchen- oder Fichtenverjüngungen lassen sich in ertragreiche und stabile Mischwälder mit hohen Tannen- und Douglasienanteilen überführen und vorhandene Eichen freistellen.
Grundsätze der Pflege
Geregelte Wildbestände: Das Verjüngungspotenzial, auch von selteneren Arten, wird oft unterschätzt. Der Verbiss von Rehwild kann zur Entmischung und damit zu künftigen Reinbeständen führen. Angepasste Wildbestände erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Zielbaumarten im erforderlichen Umfang in der Naturverjüngung wachsen. Es gilt das Motto: „Jagd ist nicht alles, aber ohne gute Jagd ist alles nichts!“
Beobachten und Erkennen: Der Waldbesitzer oder Förster muss in den Beständen präsent sein, um zu erkennen, was genau dort abläuft. Werden zum Beispiel in einer dichten Verjüngung aus Hasel und anderen Sträuchern Eichen oder Douglasien nicht gesehen, verschwinden diese ohne Pflege und sind für den Zukunftswald verloren.
Rechtzeitig handeln: Je früher man Potenziale erkennt und entsprechend handelt, umso höher sind die Erfolgschancen, den Wald in die gewünschte Richtung zu entwickeln. In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit gilt die Faustregel: Je früher man pflegt, desto günstiger. Im Optimalfall beginnt die Pflege der Verjüngung bereits, wenn Teile des Altbestandes noch stehen.
Wuchsdynamik beachten: Auch beim Pflegen können Waldbesitzer sparen. Dafür ist allerdings Fachkenntnis nötig – unter anderem des Höhenwachstums. So ist beispielsweise die Förderung von Tannen im Halbschatten gegenüber der Fichte nicht notwendig. Die Tanne wächst der Fichte davon und eine dichte Fichtenummantelung bietet einen guten Verbissschutz. Der Effekt dreht sich aber um, wenn der Altbestand verloren geht. Dann muss der Tanne massiv geholfen werden.
Zunächst mit weniger zufrieden sein: Auf den ersten Blick erscheint die Verjüngung oft nicht ausreichend. Dabei werden kleinere Pflänzchen in der übrigen Vegetation gerne übersehen. Zudem kommt oft noch Verjüngung dazu. Mit etwas Erfahrung ist diese Entwicklung gut abschätzbar. Sollten doch einmal zu wenig Bäume vorhanden sein, ist die Ästung oft die bessere Alternative zur Pflanzung.
Hierzu ein einfaches Rechenbeispiel: Wenn auf einer Fläche nur 100 Douglasien wachsen, dann ergibt das extrem schlechte Holzqualitäten. Das ließe sich durch Auspflanzen verhindern, was rund 15 .000 €/ha erfordert. Alternativ die 100 Bäume in zwei Stufen auf 10 m ästen, bei Kosten von 25 €/Baum – also 2.500 € in Summe. Effektiv lassen sich Kosten senken und zusätzlich astreines Holz im unteren Stammabschnitt erzeugen. Gleichzeitig bleibt Raum für Mischbaumarten. Diese Rechnung gilt auch für Laubholz, das bei fehlendem Dichtstand über Wertästung nachqualifiziert werden kann.
Alle Minderheiten mitnehmen: Angesichts der Klimaentwicklung ist es wichtig, dass möglichst viele Baumarten im Folgebestand wachsen. Diese gilt es zu finden und konsequent zu fördern. Daraus folgt auch eine unterschiedliche Pflegeintensität: Minderheiten intensiv und bei Arten mit hohen Anteilen geringe Pflege bis zum völligen Verzicht.
Qualität beachten: Sofern wirtschaftliche Interessen bestehen, sollte bei der Pflege auch bereits die Qualität optimiert werden. Neben der Ästung, die neben Nadelbäumen auch für Laubbaumarten (Eiche, Roteiche, Bergahorn) interessant sein kann, bedeutet dies auch, den rechtzeitigen Aushieb von sehr groben Bäumen.
Pflege-Werkzeuge richten sich nach der Größe der Bäume: In einem frühen Stadium unter Schirm reicht die Pflege mit Handgeräten wie großen Astscheren aus. Der Vorteil dabei ist, dass „Raritäten“ nicht versehentlich abgeschnitten werden. Bei einer schematischen Reduktion und stärkeren Bäumchen kommen Freischneider oder auch Weiterentwicklungen wie der „Spacer“ zum Einsatz. Bei Oberhöhen ab 5 m bleibt die Motorsäge ein wichtiges Werkzeug.
Fazit
Der Aufwand für die Pflege beträgt in frühen Stadien rund 1.000 €/ha. Die Alternative „Pflanzung“ kostet inklusive Verbissschutz mindestens 15.000 €/ha (Übersicht 2). Lässt man den Wald einfach weiterwachsen, leistet dieser rund 45.000 €/ha weniger als die durch Pflege gesteuerten Wälder.
Ein gepflegter Bestand liefert beim Bruttorohertrag rund 450 €/ha und Jahr mehr als ein Bestand ohne Pflege. Das ergibt in der Produktionszeit von 100 Jahren ein Plus von 45.000 €/ha.
Es wird deutlich, dass die möglichen Vorteile wie Stabilität, Ertragssteigerung, Optimierung der CO2-Fixierung, aber auch eine Erhöhung der ökologischen Vielfalt mit geringem Pflegeaufwand erreicht werden können, wenn die Rahmenbedingungen wie Jagd, richtiger Pflegezeitpunkt und richtige Eingriffsintensität stimmen.