„Für Kirche wie für die Landwirtschaft ändern sich die Bedingungen gerade rasant. Wir als Kirche müssen aufgrund rapide sinkender Mitgliedszahlen liebgewonnene Strukturen umkrempeln“, sagte Tilman Jeremias, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland am 1. November in der Dorfkirche Steinhagen (Landkreis Vorpommern-Rügen).
In Gesprächen mit Landwirten nehme er einen immensen Druck wahr, auf einem gnadenlosen Markt zu bestehen. „Kirche und Landwirtschaft haben allerdings beide tiefe Wurzeln, die uns vor übereiltem Aktionismus und bloßem Reagieren schützen. Als Verbraucher haben wir zudem einen nicht zu unterschätzenden Einfluss: Wir können uns für die Qualität heimischer Produkte einsetzen und wir dürfen wieder lernen, Nahrungsmittel zu genießen und nicht nur zu konsumieren. Dafür war das Landeserntedankfest in Stralsund ein großartiges Beispiel, wo die Besucherinnen und Besucher die hervorragenden Köstlichkeiten unserer Landwirtschaft genießen konnten“, so der Bischof vor 35 Landwirten.
Hohe Qualität braucht gute Rahmenbedingungen
Der Präsident des Bauernverbands MV, Karsten Trunk, machte auf weitere Parallelen zwischen Kirche und Landwirtschaft aufmerksam: „Immer mehr Menschen kennen sowohl die Kirche als auch die Landwirtschaft nur von Ferne. Wir haben damit beide die Aufgabe, unsere Arbeit und unsere Werte so zu vermitteln, dass es jeder verstehen und wertschätzen kann“.
Landwirte produzieren laut Trunk seit Generationen im verantwortungsvollen Umgang mit natürlichen Ressourcen Lebensmittel für die Region und die Welt. Er betonte den Wert des Gunststandorts, durch den der heimische Weizen maßgeblich zur Ernährung der Welt beitrage und den Hunger bekämpfe. „Dafür brauchen wir jedoch von der Politik und den Landeigentümern Rahmenbedingungen, die auch künftig noch erlauben, dass wir unsere Kulturen in hoher Qualität anbauen und ernten. Unser täglich Brot ist keine Selbstverständlichkeit“, so der Bauernvertreter.
Versorgung mit heimischen Lebensmitteln keine Selbstverständlichkeit
Landwirte sehen sich als Ernährer der heimischen Bevölkerung und der Welt, wie Sabine Firnhaber, Vizepräsidentin des Bauernverbandes MV ausführte. „Weil die Supermarktregale stets voll sind, sieht die Bevölkerung die Ernährungssicherheit allerdings nicht als bestimmendes Thema. Wer von außen auf die Landwirtschaft schaut, legt den Schwerpunkt mehr auf Aspekte wie Umweltschutz und Tierwohl.“
Dennoch nimmt die Landwirtin aus dem Landkreis Parchim einen Wandel in den Köpfen wahr: „Durch umfassende Öffentlichkeitsarbeit und Krisen wie Corona und den Ukraine-Krieg ist das Problem der sicheren Versorgung mit heimischen Lebensmitteln stärker präsent als noch vor ein paar Jahren“, so Firnhaber. Auch die Stimmung in den Medien wandle sich – der Darstellung der Landwirtschaft als Sündenbock stünden immer öfter sachliche, authentische Stimmen von Landwirten gegenüber.
Enger zusammenzuarbeiten
Dr. Jan Menkhaus, wissenschaftlicher Referent des kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt (KDA) im Bereich Landwirtschaft und Ernährung, hob hervor, dass sowohl die Landwirtschaft als auch die Kirche den ländlichen Raum prägen. Beide stünden aber auch im kritischen Blick der Öffentlichkeit mit jeweils hohen Erwartungen, die schwer zu erfüllen sind.
„Die Herausforderungen der Zukunft werden sich gerade im Bereich Nachhaltigkeit nur gemeinsam lösen lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist das kircheneigene Land, was an landwirtschaftliche Betriebe verpachtet wird. Landwirtschaft und Kirche haben hier großes Potential, noch enger und im Sinne der Nachhaltigkeit gemeinwohlorientiert zusammenzuarbeiten“, sagte Dr. Menkhaus.
Zum Abschluss lobte Bauernpräsident Trunk die Qualität des Gesprächs: „Die Begegnung Kirche und Landwirtschaft ist eine Tradition, die wir hochschätzen und gerne pflegen. Sie bietet uns jedes Jahr aufs Neue Gelegenheit zum engen Austausch. Hier können wir Schnittmengen finden, Konfliktpunkte wertschätzend diskutieren und gemeinsam die Früchte unserer Arbeit genießen.“