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topplus Kirche als Verpächter

Frust und Glaubensfragen: Wenn Kirche und Landwirtschaft aufeinandertreffen

Wenn die Kirche Land verpachtet, treffen Glaube, Geschäft und Nachhaltigkeitsanspruch aufeinander. Landwirte können das nicht immer nachvollziehen. Eine Diskussionsrunde sorgte für Zündstoff.

Lesezeit: 6 Minuten

Wenn Glaubensvertreter der Kirche, Agrar-Influencer, Junglandwirte und Medienvertreter aufeinander treffen, liegt Spannung in der Luft: positiv wie negativ, konstruktiv wie emotional, faktenbasiert wie glaubensbasiert. Der Unternehmenstag, der am 29. Oktober in der Stadthalle Cloppenburg ausgetragen wurde, vereinigte unter dem Titel „Landwirtschaft und Gesellschaft im Dialog“ Fragen, Herausforderungen und Wünsche aus der landwirtschaftlichen Praxis und schuf Raum für Kritik, Offenheit und Zündstoff.

Das Nachbeben auf eine Studie der Bischofskonferenz

Die Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) hatte bei einer Sachverständigenkommission eine Studie zum Thema „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität: Ethische Perspektiven für die globale Landnutzung“ in Auftrag gegeben und am 11. September diesen Jahres veröffentlicht.

Schnell schlugen einige Aussagen, Annahmen und Forderungen medial Wellen. Das Bayerische Wochenblatt reagierte schnell unter dem Titel: „Kirche macht Landwirte zu Umweltsündern“. Auch ein top agrar Leser meldete sich in einem Brief an die Redaktion zu Wort und kritisierte die Aussagen der Studie: „Sie stellen fast alles in Frage, was heute Landwirtschaft ausmacht, teils äußerst arrogant und mit Fehlinterpretationen“.

Auch beim Unternehmenstag fand die polarisierende Studie ihren Raum. Bischof Thomas Adomeit (evangelisch) und Weihbischof Theising Wilfried (katholisch) sahen sich selbst in der Verantwortung, die Aussagen aufzugreifen und verwiesen dennoch schnell auf „mehr Gesprächsrunden“ zwischen der Landwirtschaft und der Kirche. Es sei ein „Lernprozess“, in der sich auch die Kirche eine neue Herangehensweise eingestehen müsse, erklärte Weihbischof Wilfried in der Fragerunde. Wie sich dieser Lernprozess auch praktisch umsetzen lasse, wurde nicht genauer ausgeführt.

Ethische Pachtanforderungen – schwierige Umsetzung

Die Pacht mache nur einen kleinen Teil der Einnahmen aus, die der Kirche zugutekommen, erklärte Weihbischof Wilfried zu Beginn der Veranstaltung. Sowohl Wilfried als auch Adomeit bestärkten in ihren Kurzvorträgen die Verantwortung der Kirche und der Gesellschaft gegenüber „der Schöpfung“ – in diesem Fall das Land, das zur Bewirtschaftung genutzt wird. Dabei ginge es vor allem um eine nachhaltige Bewirtschaftung, die die Kirche unterstütze und die sich auch in der Vergabe der Pachtverträge widerspiegle.

Bereits zu Beginn der Veranstaltung stellte sich Junglandwirtin Fenna de Beer aus Norden vor und berichtete von teilweise unverständlichen Pachtentscheidungen seitens der Kirche in ihrem Landkreis. Trotz einer „nachhaltigeren“ Bewirtschaftung fielen einige Pachtverträge, um deren Pacht sich Gemeindevertreter bemühten, am Ende dem Höchstbietenden mit weniger Nachhaltigkeitsbedürfnis zu. An einem genauen Beispiel ging es um 50 € pro ha Differenz. Bischof Adomeit antwortete auf den Bericht später in der Diskussionsrunde, dass sich dieses „Einzelbeispiel“ nicht pauschal aufgreifen lasse und man diese Fälle an individuellen Beispielen beleuchten müsse.

Die betroffene Landwirtin aus Ostfriesland meldete sich daraufhin zu Wort und schilderte ihre Sichtweise auf die Pachtentscheidung. Aus ihrer Sicht habe die Kirche in dem Fall mit hochgestochenen Versprechen und einer widersprüchlichen Umsetzung gearbeitet. „Sie als Kirche sind die Eigentümer der Flächen und haben alle Rechte. Sie können Nachhaltigkeit fordern und das auch in die Öffentlichkeit vertreten. Die Realität ist aber eine andere“, sagte sie.

Sie als Kirche sind die Eigentümer der Flächen und haben alle Rechte. Sie können Nachhaltigkeit fordern und das auch in die Öffentlichkeit vertreten. Die Realität ist aber eine andere.
Landwirtin aus Ostfriesland

Vor Beginn der Diskussionsrunde forderte ARD-Moderator und Journalist Markus Gürne von den Teilnehmern „radikale Offenheit“. Dieser Aufforderung wollte die Landwirtin nachkommen. Es bestehe ein Wiederspruch, sowohl in den Inhalten des Bischofpapieres als auch in den Vorträgen der Kirchenvertreter zu dem, was man in der Praxis vorfinden würde. „50 € waren entscheidend, das wars. Es war nicht mein soziales Engagement oder meine vielfältige Fruchtfolge und alles, was ich sonst noch mache“, sagte die Landwirtin aus Ostfriesland.

Zählt das Geld oder der Nachhaltigkeitsanspruch?

Auf die Frage, wie es zu einer Vergabe der Pacht außerhalb der nach außen gepredigten Leitlinien kommen könne, entgegnete Weihbischof Wilfried, dass man an diesem konkreten Fall nicht diskutierenden könne, da es sich in der Zuständigkeit um eine andere Landeskirche handelt. Die katholische Kirche verfolge andere Regeln bei der Verpachtung als die evangelische, in die die Zuständigkeit des genannten Beispiels fiel.

Wilfried betonte: „Das würde so bei uns nicht vorkommen, weil unsere Kirchengemeinde nicht darauf aus ist, den letzten Euro aus dem Land zu holen“. Zudem sei das Ackerland, dass die Kirche bereitstelle, deutlich günstiger als bei anderen Pächtern, so Wilfried.

Leitlinien lassen Abwägungsspielraum zu

Der Moderator griff den erhöhten Geräuschpegel in der Stadthalle Cloppenburg daraufhin auf und verwies auf die Relevanz der gerechten Vergabe von Pachtland für viele Landwirte. „Sie als Kirche sind auch ein Wirtschaftsunternehmen. Nach welchen Kriterien werden Pachtentscheidungen getroffen?“, fragte er.

Sie als Kirche sind auch ein Wirtschaftsunternehmen. Nach welchen Kriterien werden Pachtentscheidungen getroffen?
Markus Gürne

Bischof Thomas Adomeit übernahm an dieser Stelle die Sicht der evangelischen Kirche. Die Kriterien, nach der die Kirche vorgehe seinen offen einsehbar und sollten immer als Grundlage genutzt werden, um in die Gespräche mit der Gemeindevertretung zu gehen. Es spielen Faktoren eine Rolle „die nicht auf 50 € oder bestimmte Vorgaben gemünzt sind“, so Adomeit.

Das legten die „Leitgedanken für Kirchengemeinden als Verpächter von Land“, die es seit 2024 gebe, fest: Bei der Abwägung spielten unterschiedliche Aspekte, wie z.B. die Nutzung oder der Finanzierungsbedarf, eine Rolle. Daran ließe sich die Nutzungsrichtung für die Kirche „abwägen“, so Adomeit. Es seien keine Richtlinien, sondern Leitlinien, denen die Vertreter der Kirche nach eigenen Maßgaben folgen könnten.

Im Namen der Schöpfung bekommt der Höchstbietende das Land

Ein Kommentar von Lea Pichler

Der alteingesessene Dreiklang aus Kirche, Politik und Landwirtschaft steht derzeit auf wackeligen Beinen. Zuletzt brachte die bei der Bischofskonferenz vorgestellte Studie über ethische Perspektiven der Landnutzung das bereits unstabile Verständnis zwischen der Landwirtschaft und Kirche weiter ins Wanken.

Dabei scheinen die ethischen Versprechen der Kirche verlockend. Im Namen der Schöpfung soll im Einklang mit der Natur, für die nächsten Generationen, gerecht und kontrolliert bewirtschaftet werden. So weit, so gut. Doch die Realität sieht anders aus. Läuft etwas mit der Kirche und der Pacht verkehrt, sollen sich die Landwirte selbst stark machen. Eigenverantwortung? Scheinbar unnötig.

Ist es das fehlende Fachverständnis innerhalb der Kirche? Oder der finanzielle Druck durch immer mehr Abwanderung der Kirchenmitglieder? Oder ist es der Interessenkonflikt zwischen Kapitalismus und Spiritualität? Man weiß es nicht. Doch klar ist, die Institution Kirche muss sich ihrer Verantwortung als Verpächter bewusst sein und Anforderungen an die Vergabe von Land in einer Leitlinie vereinen. Die Verantwortung allein auf die Landwirte zu übertragen, ist keine dauerhafte Lösung.

Es braucht mehr Transparenz und eine fachkundige Bewertung von Pachtvergabe-Entscheidungen. Nur so kann die Kirche ein langfristiges Miteinander aufrecht halten, ohne die Verbindung zur landwirtschaftlichen Praxis weiter zu verlieren.

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