„Wie gehts Dir?“ Wie oft haben Sie das schon gefragt, ohne eine ehrliche Antwort zu erwarten? Wir haben mit Psychotherapeutin und Bäuerin Karen Hendrix über den Gesprächsöffner diskutiert.
Frau Hendrix, oft begrüßen sich Freunde, Nachbarn oder Berufskollegen mit den Worten „Wie gehts Dir“. Was halten Sie von der Frage?
Hendrix: Häufig kommt sie mir wie die Floskel „How are you“ vor, die aus den USA zu uns herübergeschwappt und auch hier eher unverbindlich geworden ist. Viele verwenden die Phrase gedankenlos. Aus meiner Sicht sollten wir aber sorgsamer mit ihr umgehen.
Und das heißt?
Hendrix: Zumindest sollte sich der Fragende vorher überlegen, was er damit bezweckt und ob er bereit ist, eine ehrliche Antwort zu hören. Natürlich spielt auch eine Rolle, in welchem Verhältnis die Gesprächspartner zueinander stehen und ob die Frage überhaupt angemessen ist.
Wenn ich mich etwa bei meinen Patientinnen und Patienten auf diese Weise nach ihrem Befinden erkundige, möchte ich etwas über ihr Innenleben erfahren. Dann hake ich nach einem simplen „Passt schon“ oder „Ganz gut“ auch immer weiter nach: „Was heißt denn gut? Gesundheit? Schlaf, Befinden?“
Angenommen, ich habe die Frage tatsächlich unbedacht ausgesprochen – wie kann ich mit einer unerwarteten Reaktion umgehen?
Hendrix: Sie meinen, mit einer Antwort wie „Mir gehts nicht gut. Die Marktpreise schlagen mir auf die Stimmung“? Zunächst entsteht, seien wir mal ehrlich, eine unangenehme Situation für beide; vielleicht kommt beim Fragenden auch der Gedanke auf: „So genau wollte ich das eigentlich gar nicht wissen“ oder „Schon wieder ins Fettnäpfchen getreten“. Eine Ausweichmöglichkeit, die zumindest etwas Zeit verschafft, wäre: „Das tut mir leid. Gibt es eine Möglichkeit, die Situation zu verbessern?“
„Wie gehts Dir“ kann ja genauso Ausdruck echten Interesses sein. Wie kann ich in diesem Fall besser fragen?
Hendrix: Denkbar wäre bei einem Bekannten beispielsweise die Formulierung „Und, was ist gerade in Deinem Leben so los“. Dieser andere Fokus ermöglicht es dem Gegenüber, sich auszusuchen, was es erzählt. Denn nicht jeder möchte über seine gesundheitlichen Einschränkungen oder den Krach mit dem Ehepartner sprechen, wohl aber über das neue Ehrenamt oder die Lieblingskuh.
Wer echtes Interesse zeigen will, kann eine aktuelle Beobachtung als Aufhänger für die Frage nach dem Befinden des Anderen wählen."
Was kann ich darüber hinaus tun, um dem anderen das Gefühl zu vermitteln, dass ich die Frage ernst meine?
Hendrix: Mein Tipp wäre, eine aktuelle Beobachtung als Aufhänger zu wählen. Behutsam formuliert, könnte das etwa so lauten: „Du machst heute einen müden/angespannten/gehetzten Eindruck auf mich. Ist etwas passiert?“
Dann kann sich der andere entweder öffnen. Vielleicht fühlt er sich schon allein deshalb besser, weil er echtes Interesse spürt. Oder er kann sagen: „Vielen Dank. Nein, bei mir ist alles okay.“
In sozialen Gefügen, z. B. unter den Nachbarn oder den Berufskollegen, sollte es immer auch darum gehen, dass jeder sein Gesicht wahren kann und Fettnäpfchen möglichst umschifft werden.
Ihre Meinung ist gefragt!
Was halten Sie von der Frage "Wie gehts Dir"? Gehört Sie bei Ihnen zum guten Ton oder wählen Sie ganz bewusst eine andere Formulierung? Schreiben Sie uns gerne per E-Mail an: melanie.suttarp@topagrar.com
Wir behalten uns vor, besonders interessante Zuschriften ggf. gekürzt zu veröffentlichen.
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Frau Hendrix, oft begrüßen sich Freunde, Nachbarn oder Berufskollegen mit den Worten „Wie gehts Dir“. Was halten Sie von der Frage?
Hendrix: Häufig kommt sie mir wie die Floskel „How are you“ vor, die aus den USA zu uns herübergeschwappt und auch hier eher unverbindlich geworden ist. Viele verwenden die Phrase gedankenlos. Aus meiner Sicht sollten wir aber sorgsamer mit ihr umgehen.
Und das heißt?
Hendrix: Zumindest sollte sich der Fragende vorher überlegen, was er damit bezweckt und ob er bereit ist, eine ehrliche Antwort zu hören. Natürlich spielt auch eine Rolle, in welchem Verhältnis die Gesprächspartner zueinander stehen und ob die Frage überhaupt angemessen ist.
Wenn ich mich etwa bei meinen Patientinnen und Patienten auf diese Weise nach ihrem Befinden erkundige, möchte ich etwas über ihr Innenleben erfahren. Dann hake ich nach einem simplen „Passt schon“ oder „Ganz gut“ auch immer weiter nach: „Was heißt denn gut? Gesundheit? Schlaf, Befinden?“
Angenommen, ich habe die Frage tatsächlich unbedacht ausgesprochen – wie kann ich mit einer unerwarteten Reaktion umgehen?
Hendrix: Sie meinen, mit einer Antwort wie „Mir gehts nicht gut. Die Marktpreise schlagen mir auf die Stimmung“? Zunächst entsteht, seien wir mal ehrlich, eine unangenehme Situation für beide; vielleicht kommt beim Fragenden auch der Gedanke auf: „So genau wollte ich das eigentlich gar nicht wissen“ oder „Schon wieder ins Fettnäpfchen getreten“. Eine Ausweichmöglichkeit, die zumindest etwas Zeit verschafft, wäre: „Das tut mir leid. Gibt es eine Möglichkeit, die Situation zu verbessern?“
„Wie gehts Dir“ kann ja genauso Ausdruck echten Interesses sein. Wie kann ich in diesem Fall besser fragen?
Hendrix: Denkbar wäre bei einem Bekannten beispielsweise die Formulierung „Und, was ist gerade in Deinem Leben so los“. Dieser andere Fokus ermöglicht es dem Gegenüber, sich auszusuchen, was es erzählt. Denn nicht jeder möchte über seine gesundheitlichen Einschränkungen oder den Krach mit dem Ehepartner sprechen, wohl aber über das neue Ehrenamt oder die Lieblingskuh.
Wer echtes Interesse zeigen will, kann eine aktuelle Beobachtung als Aufhänger für die Frage nach dem Befinden des Anderen wählen."
Was kann ich darüber hinaus tun, um dem anderen das Gefühl zu vermitteln, dass ich die Frage ernst meine?
Hendrix: Mein Tipp wäre, eine aktuelle Beobachtung als Aufhänger zu wählen. Behutsam formuliert, könnte das etwa so lauten: „Du machst heute einen müden/angespannten/gehetzten Eindruck auf mich. Ist etwas passiert?“
Dann kann sich der andere entweder öffnen. Vielleicht fühlt er sich schon allein deshalb besser, weil er echtes Interesse spürt. Oder er kann sagen: „Vielen Dank. Nein, bei mir ist alles okay.“
In sozialen Gefügen, z. B. unter den Nachbarn oder den Berufskollegen, sollte es immer auch darum gehen, dass jeder sein Gesicht wahren kann und Fettnäpfchen möglichst umschifft werden.
Ihre Meinung ist gefragt!
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