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topplus Interview

Darum will die Tierschutzbeauftragte Schwänzekürzen und Anbindehaltung verbieten

Im Interview stellt die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari klar, dass die Anbindehaltung schnell verboten gehört. Auch das serienmäßige Kupieren der Ringelschwänze bei Ferkeln müsse auslaufen.

Lesezeit: 5 Minuten

Insgesamt 86 Änderungswünsche hatte der Bundesrat Anfang Juli beim Entwurf für ein neues Bundestierschutzgesetz. Die Landwirte müssen sich wohl in jedem Fall auf weitere Verschärfungen bei bestimmten Haltungsbedingungen und neue Dokumentationspflichten einstellen.

Wichtigste Punkte sind das Verbot der Anbindehaltung sowie die Reduzierung der Durchführung nicht-kurativer Eingriffe bei Rindern, Schweinen und anderen Nutztieren. Künftig sollen Ferkelschwänze nach dem Willen der Ampel nur noch im Einzelfall gekürzt werden dürfen, dann aber höchstens um ein Drittel. Wegen der absehbar ausufernden Dokumentationspflichten warnt der DBV vor einem "Bürokratiemonster" für die Schweinehalter. Außerdem werden Wettbewerbsnachteile befürchtet.

Auf der anderen Seite stehen die Tierschützer, denen die Regeln noch viel zu lasch sind. Das sieht auch die Bundestierschutzbeauftragte Ariane Kari so. Sie zeigte sich laut dpa-Bericht kompromisslos und will deutlich schärfere Vorgaben. Auch auf Schlachthöfen müssten ausnahmslos Kameras hängen.

Das hat vergangene Woche auch viele top agrar-Leser beschäftigt, uns erreichten viele Leserstimmen. Daher haben wir Frau Kari einige Fragen zu den möglichen Auswirkungen eines totalen Anbinde-Stopps und dem vollständigen Ausstieg aus dem Kupieren bei Ferkeln gestellt. Hier ihre Antworten:

Landwirte müssen auf Wunsch der Verbraucher reagieren

top agrar: Wie kann ein Bundestierschutzgesetz gelingen, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Tierhalter gegenüber der ausländischen Konkurrenz noch weiter absinkt?

Kari: Der Pro-Kopf-Verbrauch von Fleisch und Kuhmilch ist in Deutschland seit Jahren rückläufig – ein Trend, der sich laut aktuellen Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung auch 2023 weiter fortsetzte.

Gleichzeitig boomen pflanzliche Alternativen und zahlreiche Verbraucherumfragen zeigen auf, dass der Tierschutz ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Menschen ihren Konsum tierischer Produkte reduzieren. Zum Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit ist es deshalb ganz zentral, dass die Landwirtschaft auf den Wunsch der Verbraucher reagiert, und dem Tierschutz einen deutlich höheren Stellenwert einräumt.

Selbstverständlich sehe ich hierbei auch die Nöte innerhalb der Landwirtschaft. Tierhaltende brauchen darin Unterstützung, einen nachhaltigen, tierschutzkonformen und wirtschaftlich effizienten Umbau der Tierhaltung zu bewältigen. Deshalb setze ich mich erstens für mehr finanzielle Unterstützung für Tierhaltende ein, z.B., indem ich eine Erweiterung des Bundesprogrammes zum Umbau der landwirtschaftlichen Tierhaltung fordere.

Zweitens plädiere ich für tierschutzkonforme Mindestanforderungen an die Tierhaltung, flankiert von einem verpflichtenden Prüf- und Zulassungsverfahren. Dies würde Planungs- und Rechtssicherheit für Landwirte schaffen und hat deshalb auch das Potenzial, ihnen die Sorge zu nehmen, andauernd mit Haltungssystemen in der Kritik zu stehen.

Drittens stehe ich im regelmäßigen Austausch mit Tierhaltenden sowie den Verbänden, die sie vertreten, und besichtige landwirtschaftliche Betriebe vor Ort. Hierbei freue ich mich selbstverständlich über jegliche Eingaben, die mir aufzeigen, was genau landwirtschaftliche Betriebe benötigen, um die Tierschutzstandards in ihren Ställen deutlich anzuheben. Beispielweise, wenn baurechtliche Bedingungen den Umbau zu höheren Tierschutzstandards hemmen oder Haltungssysteme, die gleichermaßen Tier- wie Umweltschutz voranbringen, nicht ausreichend gefördert werden. Solche Impulse helfen mir auch dabei, meine Rolle als fachlich und politisch unabhängige Beraterin der Bundesregierung wahrzunehmen.

Werden so nicht eher der Strukturwandel und die Produktionsverlagerung aus deutschen Ställen ins Ausland befördert?

Kari: Bezüglich des Verlagerungsrisikos sollte meines Erachtens über praktikable Lösungswege diskutiert werden, anstatt mit dem Wettbewerbsargument die Debatte um höhere nationale Tierschutzstandards schon im Vorfeld zu erschweren.

Denn es ist ein politisches Ziel, die Diskrepanz zwischen dem gesellschaftlichen Wunsch nach mehr Tierschutz und der Art und Weise, wie Nutztiere gehalten werden, zu verkleinern. Und mit Blick auf das Eurobarometer 2023, in dem über 80 % aller Befragten angaben, dass Tierschutzstandards ihrer Meinung nach in der Landwirtschaft erhöht werden müssen, auch zurecht.

Was zudem belegt: Der Wunsch nach mehr Tierwohl ist kein Verbrauchertrend, der auf Deutschland begrenzt ist.

Die Anbindehaltung verstößt gegen das Tierschutzgesetz."

Was ist mit der kleinteiligen Rinderhaltung in Süddeutschland? Hat die nicht auch einen kulturellen und landschaftlichen Wert?

Kari: Genau darum geht es – weil die Kleinstbetriebe in Süddeutschland sicherlich einen kulturellen wie landschaftlichen Wert haben, müssen sie zukunftsfähig gestaltet werden. Denn die bayerische und baden-württembergische Rinderhaltung in kleinen Familienbetrieben ist nicht mit der Anbindehaltung gleichzusetzen. So haben auch hier bereits zahlreiche Betriebe in Laufställe investiert, um ihre Rinderhaltung tierschutzkonform umzugestalten.

Genau das sollte gefördert werden, und auf Bundesebene in diesen Umbau investiert werden, um den Prozess zu beschleunigen.

Andererseits muss aber auch ganz klar gesagt werden: Sowohl verwaltungsrechtliche Entscheidungen als auch tiermedizinische sowie ethologische Ausarbeitungen – wie ein aktuelles EFSA-Gutachten – empfehlen nicht nur die schnellstmögliche Abschaffung der Anbindehaltung aus Tierschutzgründen. Sie machen auch deutlich, dass diese Haltungsform gegen das aktuell geltende Tierschutzgesetz verstößt.

Ein „Weiter so wie immer“ kann also nicht die Antwort auf die Nöte der Landwirtschaft sein. Vielmehr brauchen wir Umbauhilfen, die es erleichtern, nicht tierschutzkonforme Haltungsformen so schnell wie möglich zu beenden.

Was ist mit den auch bei bester Haltung unvermeidbaren Schwanzverbissen in der Schweinehaltung: Sollte das nicht auch eine Rolle spielen?

Kari: Es gibt durchaus konventionelle Betriebe, denen es gelingt, Schweine mit Langschwänzen zu halten. Dort, wo Schwanzbeißen auftritt, sind meistens doch Mängel in Haltung und Management aufzufinden. Die Amputation dient also auch der Anpassung der Tiere an Haltungssysteme und verursacht während und nach dem Eingriff Schmerzen. Trotzdem werden in Deutschland bei einem Großteil aller Schweine die Ringelschwänze kupiert – eine Praxis, die das EU-Recht übrigens schon seit den 1990ern verbietet.

Genau deshalb plädiere ich auch dafür, dass Deutschland sich entschlossen auf den Weg macht, weg von dem serienmäßigen Kupieren der Ringelschwänze bei Ferkeln. Allerdings mit angemessen langen Übergangsfristen von mehreren Jahren, denn alles andere wäre in der Praxis nicht umsetzbar und keine realistische Forderung.

 

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