Cem Özdemirs gestriger Vorstoß zur Umsetzung des Artikels 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) hat in der Branche teils heftige Reaktionen aus beiden Lagern ausgelöst. Auf scharfe Kritik stößt beispielsweise beim Deutschen Bauernverband (DBV) der Umstand, dass Özdemir sich in seiner Begründung für den Start in die Länder- und Verbändeanhörung auf die jüngsten Empfehlungen der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) stützt.
Hennies: ZKL hat 148 ausgeschlossen
Die DBV-Vizepräsidenten Karsten Schmal und Dr. Holger Hennies, der selbst der ZKL angehört, widersprechen der Interpretation des Ministers nachdrücklich: „Minister Özdemir begründet die nationale Anwendung des Artikels mit den Empfehlungen der Zukunftskommission. Das ist falsch. Der Minister sollte die Empfehlungen noch einmal genau lesen. Tatsächlich hat die Zukunftskommission Landwirtschaft die nationale Anwendung des Artikels 148 der GMO explizit ausgeschlossen, weshalb er auch nicht in den Empfehlungen steht“, betont Hennies.
Schmal ergänzt und wird noch deutlicher: „Dass der Minister die ZKL nun für Wahlkampfzwecke missbraucht, ist ein Skandal. Entgegen der Aussage des BMEL würde eine Anwendung des Artikels 148 die Milcherzeuger nicht stärken, sondern im Gegenteil zu niedrigen Erzeugerpreisen führen. So ein Wahlkampf auf dem Rücken unserer Tierhalter ist eine Kampfansage! Die Bundesländer dürfen dem niemals zustimmen.“
Migende: ZKL darf nicht für Wahlkampf instrumentalisiert werden
Auch der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) zeigt sich verärgert über die Aussage von Cem Özdemir, dass die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) die Anwendung des Artikels 148 empfohlen habe. DRV-Hauptgeschäftsführer Jörg Migende: „Diese Behauptung ist eindeutig falsch. Im Abschlussbericht der ZKL findet sich solch eine Empfehlung zur Milchmarktorganisation nicht, da die ZKL in diesem Punkt keine Einigung erzielt hat. Die ZKL darf nicht auf eine solche Weise für Wahlkampf instrumentalisiert werden.“ Laut Berliner Kreisen sollen sich weitere ZKL-Mitglieder verärgert gezeigt haben über die
Migende kritisiert zudem das „Narrativ“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums zu den erhofften positiven Wirkungen am deutschen Milchmarkt. Er sagt: „Der Artikel 148 würde die Milchbauern nicht stärken, sondern schwächen. Dies ist wissenschaftlich belegt und mit Fakten bewiesen.“ Der DRV stützt sich dabei auf eine im Oktober veröffentlichte Studie des ife Instituts für Ernährung und Ernährungswirtschaft Kiel und der Fachhochschule Kiel, wonach die Erzeuger mit erheblichen finanziellen Einbußen rechnen müssten.
BDM: Längst überfälliger Schritt
Dem wird von anderen Fachverbänden wie dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) jedoch widersprochen. Folgerichtig lobte der BDM-Vorsitzende Karsten Hansen den Vorstoß des BMEL als „längst überfälligen ersten Schritt hin zu einem stärker marktwirtschaftlichen Verhalten im Milchmarkt“. Es sei auch ein erster Schritt, um die Marktstellung der Milcherzeuger gegenüber ihren Abnehmern deutlich verbessern zu können, auch wenn hierfür noch weitere Schritte folgen müssen.“
„Den Milcherzeugern muss die Möglichkeit eröffnet werden, wirkungsvoll Einfluss auf das Marktgeschehen nehmen zu können“, erläutert Hansen. Das bedeute, innovative Marktmanagementsysteme zu entwickeln. Weiterentwickelt werden sollte auch das Sicherheitsnetz für EU-Agrarmärkte. Der BDM-Vorsitzende schießt seinerseits gegen den Raiffeisenverband: Dem DRV-Geschäftsführer wirft er vor, „hinter den politischen Kulissen bereits massiv gegen das Bestreben des BMEL arbeitet, den Artikel 148 in nationales Recht umzusetzen“.
AbL: Weitere Instrumente nötig
Nach Einschätzung der Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Claudia Gerster, kann die mit Artikel 148 GMO angestrebte Vertragspflicht ein wichtiger Einstieg für Milchviehbetriebe sein, um überhaupt am Markt teilzunehmen. Für sie ist auch klar, dass weitere marktpolitische Instrumente noch folgen müssen. Die AbL fordert die Politik jetzt auf, diesen Verordnungsentwurf wirksam auszugestalten und umzusetzen.
In ihrem Abschlussbericht empfiehlt die ZKL, den in der GMO geschaffenen Rahmen zur Unterstützung der landwirtschaftlichen Erzeuger:innnen zielgerichtet zu nutzen. Um die Planungssicherheit für Erzeuger:innen zu erhöhen, sollten verbindliche Lieferverträge mit konkreten Angaben über Menge, Qualität, Preis und Laufzeit des Vertrages umgesetzt werden. Bei Genossenschaften ist die Satzungsautonomie dabei unbedingt zu beachten, die auch die Vereinbarungen von Milchlieferordnungen umfasst. Die Entwicklung und mögliche Umsetzung von neuen Mechanismen und Instrumenten zur Stabilisierung der Märkte und Unterstützung der Erzeuger:innen sollte mit allen Beteiligten der jeweils betroffenen Wertschöpfungskette abgestimmt werden.
Außerdem heißt es: „Bilateral vereinbarte gemeinsame Mengenplanungen oder Festpreismodelle für Teile der Liefermengen können für die Beteiligten Risiken in stark volatilen Lebensmittelmärkten vermindern. Hingegen stellen dauerhafte staatliche Eingriffe in die einzelbetrieblichen Mengenplanungen oder Quotenregelungen keine realistische Option für eine Anhebung des Preisniveaus dar.“